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Vielen Dank, liebe Ordnungs- & Putzliteratur – ich brauche es wirklich nicht aufgeräumter

Es ist nicht das erste Mal, dass ich mir Gedanken zur Hausarbeit mache. Wer nicht schonmal gestöhnt hat, werfe den ersten Stein. Wie das so ist mit unliebsamen Dingen, macht man sich tendenziell viel lieber Gedanken darüber, wie man das Ungeliebte schneller & effizienter erledigen kann (wahlweise inklusive Selbstmitleid), als es anzupacken. Ich war also eigentlich ganz interessiert, als mir ein neues Buch in die Hände fiel, was nicht weniger als Magisches Aufräumen verspricht. Nur der Zauberstab wurde nicht mitgeliefert. Vielleicht ist er personalisiert & muss in der Winkelgasse separat erworben werden, dachte ich & machte mich ans Lesen.

Es handelt es sich eigentlich um zwei Bücher, die in Japan die Bestsellerlisten stürmten. Ist es dort nicht sehr beengt? Wahrscheinlich hat die Idee, keinen Platz mehr mit sinnlosem Kram zu verschwenden, deshalb so eingeschlagen. Die Autorin baut gerade ein Imperium darauf auf, Menschen das Aufräumen beizubringen. Es geht nämlich gar nicht so sehr ums Putzen sondern vielmehr ums Ordnung schaffen. Zauberwort: Vereinfachen. Denn, so die unbestechliche Logik, wer weniger Zeug hat, muss auch weniger aufräumen.

Das Ganze funktioniert wie eine BILD DER FRAU-Kolumne. Überforderte Klientin (ja, häufiger Frauen) schildert Problem & Autorin hilft. Man kann sie auch auf youtube bewundern, wie sie von ihrer frühkindlichen Faszination für Haushaltsratgeber schwärmt. Gut, es hilft aber kein Herumgerede. Frauen machen eben den Großteil der Hausarbeit. Sind also die Zielgruppe. Insofern muss man nicht am Symptom herumkritteln sondern vielmehr an der Krankheit. Ich hoffe, dass niemand ernsthaft erwartet, dass er jetzt Tipps für eine lebenslange Ordnung erhält. Trotzdem sei kurz die Idee erklärt.

Alles, was uns nicht glücklich macht, soll raus aus dem Leben. Wegschmeißen. Rigoros.

Alles, was uns nicht glücklich macht, soll raus aus dem Leben. Wegschmeißen. Rigoros. Wie finde ich raus, was mich glücklich macht? Gegenstand ans Herz halten & den eigenen Gefühlen nachspüren. Wenn nichts kommt. Weg damit. Nicht noch liegen lassen & gucken, ob man es noch braucht. Man kann sich auch gern verabschieden & bedanken, dass die Dinge einen gehen lassen. („Hey, keine Ursache“ sagte die Socke.)

Uff. Nun im besten Fall führt der Fokus auf die Reduktion des Besitzes zu einem achtsameren Konsum. Aber mal ehrlich, das geht nicht. Nicht nur, weil meine Dinge nicht mit mir reden. Es gibt soviel, was bei mir keine Gefühle auslöst – Waschmittel, Plätzchenausstechformen, mein Auto. Brauche ich trotzdem. Und dann gibt es Dinge, die bei mir sehr klare Gefühle auslösen…der Papierstapel für die Steuererklärung oder diverses piependes Plastikspielzeug. Und die ich trotzdem nicht wegschmeißen kann. Weil & hier offenbart sich die erste Schwäche der Idee, ich wohne ja nicht allein. Was machen wir da? Halten wir alles einmal Reihe rum an die Brust & addieren & subtrahieren die geflossene Liebe?

Vielleicht habe ich es noch nicht verstanden. Vielleicht bin ich noch nicht soweit. Noch nicht bereit für lustige Rolltechniken, mit denen man das Bügeln vermeiden kann (wenn man die Wäsche nicht routinemäßig aus der Maschine einfach irgendwo hin kippt) & Zaubermethoden zum Stapeln & Schichten für mehr Platz.

Nach der Trennung vom Ballast käme dann laut Ratgeber alles an seinen festen Platz & schon ist man fertig mit dem Aufräumen. Wie in allen guten Selbsthilfebibeln, läuft auch hier nichts ohne Zusatznutzen. Denn es geht nicht nur um Ordnung.

Wie in allen guten Selbsthilfebibeln, läuft auch hier nichts ohne Zusatznutzen.

Zur aufgeräumten Wohnung gibt es nichts Geringeres als ein glücklich-erfülltes Leben dazu. Frei nach dem Motto „Halten Sie nicht nur ihre Wohnung, sondern auch ihre Seele sauber.“ Mit dem Ende des Chaos passieren die guten Dinge im Leben der Klienten. Die Hilfesuchenden bekommen neue Jobs & retten ihre Ehen. Die innere Ordnung überstrahlt endlich das Chaos des Lebens.

Und hier kommt mein zweites Problem. Mir geht langsam diese sakrale Aufladung der neuen Einfachheit auf den Keks. Reduzierter leben, so steht es überall, ist so natürlich wie atmen. Wenn man sich nur einmal darauf einlässt, bricht sich die reinigende Wirkung bahn. Wer dies nicht tut, hat nicht nur nichts kapiert. Irgendwie ist man auch ein schlechterer Mensch, weil man ja nie nur seine Umgebung vermüllen kann. Immer zeigt sich in ihr auch der eigene unaufgeräumte Kopf.

Was ist daran schlecht? Ich habe gern ein volles Leben. Und kein spärliches. Das Buch hat mir eine schöne Erkenntnis gebracht. Ich brauche es nicht aufgeräumter. Mein Problem sind nicht wirklich die vielen Dinge. Wenn überhaupt ist es mein fehlender Fokus. Ich will so vieles machen, dass ich mehrere Leben bräuchte. Dafür könnte ich so vieles dann gut gebrauchen. (Ich weiß, Messies sagen auch, dass sie alles noch brauchen, wenn man die 200 Müllsäcke aus der Wohnung trägt.) Meine Unordnung mag sächlich greifbar sein. (Kurzer Blick in die Wohnung. Ok, sie ist sächlich greifbar.) Aber sie existiert auch mental.

So, & jetzt schlage ich den Bogen zurück zum Buch. Mal angenommen, ich mache das & finde mich in einer zen-artigen Einfachheit wieder. Was würde passieren?

Mein inneres Haus wäre dann auch leer.

Angeblich sortiert sich alles in meinem Kopf. Mein inneres Haus wäre dann auch leer. Das will ich nicht. Ich würde mein Chaos gern behalten. Die meiste Zeit ist es nämlich ganz bereichernd so ohne Fokus, voller Gedanken. Sollte also irgendwann mal jemand bei mir vorwurfsvoll eine Wollmaus vom Parkett lesen oder von herausfallenden Kleidungsstücken begraben werden, werde ich auf meinen Kopf zeigen & stolz sagen: „Wenn du wüsstest, wie es hier drin aussieht.“

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  5. Ich versuche ja mir anzugewöhnen, mich nicht für alles verantwortlich zu fühlen & nicht alles allein zu putzen. Das funktioniert ganz gut. Wenn bemerkt wird, wie lange das eigentlich dauert. Ist natürlich nicht immer umsetzbar.

  6. Natascha sagt

    Den letzten Satz muss ich mir unbedingt merken, wenn Mann wieder herumkritelt!
    Vielen, vielen Dank!

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