Alle Artikel in: Leben & Lesen

Emotional Support Rabbit

Kurz dachte ich, wir würden uns beim Haustiererwerb antizyklisch verhalten. Schließlich hatten wir uns tapfer durch die erste, zweite (welche war es nochmal, ich habe den Überblick verloren) Pandemie gekämpft, ohne der Verlockung eines Familienhundes zu erliegen. Aber wie immer, wenn man sich außerhalb eines Trends wähnt, ist man natürlich mittendrin und bekommt schnell vor Augen geführt, dass das vermeintliche Außenstehen nur eine kurze hedonistische Selbstüberhöhung war. Rund um Ostern steigt nämlich der Absatz von Zwergkaninchen in jedem Jahr rasant an, worüber ich schnell freundlich aber bestimmt von der Hasenverkäuferin meines Vertrauens (danke, google) aufgeklärt wurde. Ich war zu diesem ersten Schnuppertermin zur Hasensuche (see what I did there) bewusst allein erschienen, was ich für klug hielt.

Das Versprechen

Wie geht es der Ehe heute? Vieles, was über sie gesagt wird, stellt sie in Frage. Ist ihre Zeit gekommen, ist sie ein Dinosaurier, gescheitert an den Veränderungen, weil sie zu unbeweglich war? Hat Tinder sie auf dem Gewissen? Ihre Prognose scheint negativ, die Lebenserwartung verkürzt. Manche sagen, wir könnten sie zum Sterben zurücklassen, als Zeichen einer überkommenen Zeit, ohne dass uns etwas fehlen würde. Die Menschen mögen heiraten, aber es macht sie nicht zufrieden. Die Bedeutungslosigkeit der Ehe für unser Lebensglück wird schließlich eindrucksvoll durch die Scheidungsraten unterstrichen. Zwar sinken diese in den letzten Jahren wieder, aber noch immer wird jede dritte Ehe geschieden. Die Lebenszeichen des Bündnisses werden schwächer. Gibt es Hoffnung für die Patientin? Hochzeiten waren eine Zeit lang die Souvenirs meiner Sommer (gut, bis auf den letzten). Ich stand vor viel zu großen brandenburgischen Landhäusern und nahm auf gemieteten Klappstühlen Platz, die auf mit Rosenblättern bestreuten Wegen warteten. Ich klatschte in Alltagskleidung an einem Mittwochvormittag vorm Standesamt, um danach schnell eine Pizza essen zu gehen. Ich mag das kollektive Gefühl der …

Happy Woman’s Christmas

Heute ist der 6. Januar. Der Tag, an dem die Heiligen Drei Könige bei Jesus ankamen. (Ja, late to the party, aber es war ja auch ein langer Weg und nur ein Stern statt Google Maps, man kann sich das vorstellen.)  Und es ist der Tag, an dem in Irland traditionell „Little Christmas“ gefeiert wird, das kleine Weihnachten. Nun könnte man mosern, dass es vermutlich das „kleine Weihnachten“ heißt, weil es ein Fest für Frauen ist. 

Pessimistische Stofftiere

Unser neuer Mitbewohner ist eines dieser elektronischen Stofftiere. Das Tier ist ein Hund. Er ist süß und flauschig, aber anstelle von Knopfaugen hat er einen kleinen Bildschirm. Als ich noch klein war, nahm ich jede Nacht alle meine Kuscheltiere mit zu mir ins Bett. Alle, ohne Ausnahme. Auch wenn ich dann selbst kaum Platz hatte, dachte ich, die des Bettes Verstoßenen würden mir sonst traurig aus ihren Knopfaugen hinterherblicken. Der Trick funktioniert bei den digital programmierten 2017er Augen nicht mehr. Sie schauen schon seit Tagen traurig ohne dass sie bei meinen Kindern eine Reaktion auslösen. Der Hund hat nämlich in regelmäßigen Abständen Hunger oder Durst. Dann muss man ihn per Druck auf seine Pfote (Auswahlmenu erscheint) mit einem Knochen oder Wasser (Bestätigung mit Druck auf den Bauch = Entertaste) versorgen. Tut man dies nicht, schaut er traurig und gibt in immer kürzer werdenden Abständen ein klägliches „Ich habe Hunger oder Durst.“ mit zitternder Computerstimme von sich. Da ich ihn allerdings bereits am ersten Tag auf die geringste Lautstärke stellte, als er noch nach ständigem „Spaß“ verlangte, entfaltet sein Flehen nicht die gewünschte Wirkung. So steckt der Hund …

Wo ich herkomme

Ich komme ungefähr aus der Mitte von Sachsen-Anhalt. Ich bin dort aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe die ersten Jahre in Magdeburg studiert. Meine Eltern wohnen dort und große Teile meiner Familie. Ich mag meine Familie sehr gern, ich bin immer viel dort gewesen. Seit meine Töchter auf der Welt sind noch häufiger, denn sie lieben ihre Großeltern, sie lieben die weite Landschaft der Elbauen, die auch mich immer durchatmen lässt und sie lieben die Leute dort. Sie kennen ihre Namen, die Namen ihrer Hunde, sie wissen, wo sie in Gärten laufen können und freudig begrüßt werden. Ich selbst bin in den letzten Wochen oft zusammengezuckt, wenn ich durch die Straßen fuhr, um sie abzuholen, denn Plakate, die ich in Berlin in meinem Bezirk gar nicht kannte, hingen dort sehr viele und sehr tief. Ich könnte noch ein paar andere Geschichten erzählen, aber genau das will ich heute nicht. Denn seit gestern, seit ich ein paar Tweets gelesen habe, zu Unverständnis, zu „denen“, zu Mauern, die wir wieder bauen sollten (von der anderen Seite und jaja, …