Alle Artikel mit dem Schlagwort: Selbstoptimierung

Beim Frisör

Gestern war ich beim Frisör. Während meine Wimpernfarbe trocknete und ich mit geschlossenen Augen in die Dunkelheit horchte, hörte ich ein Gespräch mit. Bereits als ich den Laden betrat, bemerkte ich, dass es eine besondere Frau in diesem Salon gab. Die anderen Kundinnen und die Angestellten schielten immer wieder verstohlen zu ihr hinüber. Sie schauten sie so an wie viele Frauen anblicken, die ein bisschen zu auffällig gekleidet, ein bisschen zu stark geschminkt sind – mit einer Mischung aus Ver- und Bewunderung. Ich denke, die Frau war Anfang 70, aber ich bin mir unsicher. Ich kann ältere Frauen schlecht schätzen, vielleicht weil ich in den Medien tatsächlich zu wenige von ihnen zu sehen bekomme und gar nicht weiß, wie weibliches Alter eigentlich aussieht. Aber vielleicht auch nur, weil ich mich mit zu wenigen umgebe. Die Frau war nicht allein. Neben ihr saß ihre Begleitung. „Meiner Mutter war es immer zu aufwendig, mir Zöpfe zu flechten,“ begann sie zu erzählen, während ich still in ihrem Rücken saß „ich musste ja auch früh mithelfen, wir waren ja …

Nackig für die gute Sache

Es ist eine Weile her, dass ich an einem Text so viel herumüberlegt habe. Alles fing damit an, dass mir Kato vom Blog Innocent Glow den Link zu diesem Video schickte und mich fragte, ob ich es schon kenne. Ich kannte es noch nicht. Und mir stand ein bisschen der Mund offen. Sagen wir es so, hier sind ein paar Dinge ziemlich schief gelaufen. Das Team von Sat.1 begleitet eine Protagonistin, die sich endlich wohl in ihrem Körper fühlt, sozusagen bei der öffentlichen Verkündung dieses neuen Gefühls. Dafür stellt sie sich im Bikini und mit verbundenen Augen in eine Fußgängerzone. Auf dem Schild neben ihr steht so etwas wie: „Ich mag mich und ich mag diese falschen Ideale nicht. Wenn es dir auch so geht, male ein Herz.“ Kurze Zeit später ist sie mit Herzen übersät. Ja, man malt diese direkt auf die Frau, die da nur im Bikini mit verbundenen Augen steht. Finde nur ich das komisch? Und die Akte-Reporter nehmen gleich noch drei andere Frauen, die gerade Herzen gemalt haben, zum Unterwäscheshooting mit. Das …

Nicht mal im Schlaf hat man seine Ruhe

Es begab sich aber zu einer Zeit, als ich ziemlich ausgelaugt war, dass ich mich in ein small-talkiges Gespräch mit einem Managementcoach verwickeln ließ. Normalerweise versuche ich diese zu umschiffen, obwohl die meisten sicher nette Menschen sind. Aber Berufsgruppen mit hohen Stundensätzen und dem Zusatz „Coach“ im Namen (Fitness-, Lifestyle-,Karriere-, Glänzendere Haare-,) lösen bei mir leider oft ein kriechendes Unwohlsein aus. Der Auslöser des Gespräches war mein Gähnen in der Kaffeepause. „Guter Schlaf ist ein wichtiger Karrierefaktor.“ kommentierte der Coach, der sich auch gerade neben der Milch aufgebaut hatte. Und lächelte ein „Los, frag mich mehr!“-Lächeln hintendran (was ich – nebenbei bemerkt – noch nie bei Frauen gesehen habe). So fand ich heraus, dass ich mich wohl tatsächlich schon lange mit keinem Coach mehr unterhalten hatte. Denn eine neue bahnbrechende Erkenntnis zur Selbstoptimierung war komplett an mir vorbeigegangen. Und das, obwohl bereits Anfang letzten Jahres vom Manager-Magazin über die Wirtschaftswoche bis zum Handelsblatt beinahe alle darüber berichtet hatten. Sie lautete: „Schlaf ist gut und ausreichend schlafen ist noch besser. Ganz besonders für die Karriere.“ Das verwunderte …

Stoppt den Weihnachtsessen-Hass

Es passiert jedes Jahr kurz nach Weihnachten. Es passiert in den sozialen Netzwerken und im realen Leben. Menschen erzählen von ihrem Weihnachtsfest und sie erzählen vom Essen. Sie stöhnen, sie stöhnen sehr laut, sie beschweren sich. Sie sind sich sicher, dass sie bis Silvester eigentlich gar nichts mehr essen müssten. Mindestens. Sie klopfen auf ihre Mini-Bäuchlein und sagen „Heute geht es zum Ultraschall.“ Sie detoxen, sie joggen. Sie sagen: „Jetzt aber wieder auf Linie, jetzt wieder in die Spur.“ Sie meinen, sie haben sich etwas ruiniert: ihre Diät, ihre gesunde Ernährung, ihren sonst von schädlichen Einflüssen freigehaltenen Körper. Ich bin müde, ich kann es nicht mehr hören. Eigentlich wollte ich einen lustigen Post darüber schreiben, wie ich erstmalig nach Weihnachten wieder eine Hose ohne Gummizug anziehe. Aber es hat mir meinen Humor vertrieben. Denn sie ruinieren sich nur eines, ihr vergangenes Weihnachtsfest. Und meines auch. Weihnachten. Kekse, Stollen, Ente, Lebkuchen – Butter, Zucker, Fett – wenn es euch wie uns geht, existieren sogar noch die Reste des leckeren Essens in Tupperdosen, verteilt im ganzen Haus. …

Sex in Winterwonderland

Die US-Comsopolitan hat eine interessante Geschichte. In den 60er Jahren hatten sich junge Frauen neue Freiräume erkämpft. Sie hatten Jobs, gaben ihr eigenes Geld aus und hatten vorehelichen Sex. Gut, der wurde nicht erst in den 60ern erfunden, aber in Zusammenhang mit wirtschaftlich unabhängigen jungen Frauen war es schon etwas Neues. Immer noch so neu, dass man in der Öffentlichkeit nicht wirklich darüber sprach. 1962 veröffentlichte die Autorin Helen Hurley Brown (Fun Fact: gerade jungverheiratet) das Buch zum Single-Girls-Having-Fun-Phänomen. Es hieß Sex and the Single Girl, wurde ein Bestseller und Helen mit Leserinnenbriefen überschüttet. Zur gleichen Zeit suchte man bei Hearst Verlag eine neue Chefredakteurin für eine Publikation, die man eigentlich schon einstellen wollte. Helen bekam den Job (Frauen werden in Krisenzeiten ja bis heute gern eingestellt um es zu richten.) und machte die Cosmopolitan, deren Chefredakteurin sie 32 Jahre lang bleiben sollte, zu der Zeitschrift für die neuen jungen Frauen. (Zuerst stellte sie übrigens erstmal ein paar Frauen ein. Die alte Cosmopolitan wurde nämlich weitestgehend von Männern geschrieben.) Die Arbeitswelt wurde, auch das war neu …