Alle Artikel mit dem Schlagwort: Das echte Leben

Fahrradgesicht oder Seid einfach keine Idioten (m/w)

Heute ist der Tag der großen Essays. Aber es will mir nicht gelingen. Ich überlege, woran es liegen könnte. Wer sind die Frauen und was wollen sie? Eine Frage, die 1999 n.Chr. schon die große Philosophin Christina Aguilera nur vage stellte: What a girl wants, what a girl needs nanana, lalala, something, hm…Was „was“  ist, bleibt im Dunkeln. Auch wenn wir uns inzwischen vom Sony Discman zum iPhone vorgearbeitet haben, klingt die Frage auch im neuen Jahrtausend noch in den Ohren. Aber das ist es nicht. Frauen mögen keine homogene Masse mit gemeinsamen Wunschzettel sein. Aber es fällt genug ein, was man auf den Forderungskatalog setzen könnte: Sexualstrafrecht, Equal Pay, Care Arbeit, humane Arbeitskultur, steuerliche Förderung von Kindern und nicht der Ehe. Was ich eigentlich schreiben will, hat wahrscheinlich einfach wenig mit Feminismus zu tun. Oder ganz viel. Ich will schreiben: Wir sollten alle rücksichtsvoller und netter zueinander sein. Nun kommt man sich kindisch vor, wenn man solche simplen Tatsachen aufschreibt. Ich selbst scheitere täglich an dieser Mission. Ich will manchmal nicht reden, obwohl ich weiß, dass …

Raus aus der Neoliberalismus-Hölle

Die Erkenntnis lauert oft an ungewöhnlichen Orten. Bei mir hatte sie sich im Wirtschaftsteil versteckt. Nach der Lektüre war mir klar: bei uns zu Hause regiert der Neoliberalismus. Das ist das, was in den 80ern super war, dann böse (2000er) und schließlich wieder cool (Leonardo DiCaprio in der Wolf of Wall Street.) Oder anders: der Staat (also der Papa und ich) hat immer weniger zu sagen. Dafür wird der Wettbewerb gesichert und stetig vorangetrieben. Der ungebremste kalte Wettbewerb. Er hat sich aufs Perfideste in unsere heimelige Dunstglocke geschlichen: als Erziehungstipp. Ich war an der Entwicklung also nicht ganz unschuldig. Vermutlich ist euch das noch nie begegnet, aber manchmal wollen Kinder nicht wie man selbst. Anziehen zum Beispiel oder auch Ausziehen. Dann las ich irgendwo: „Machen sie doch aus dem abendlichen Aus- und Umziehen einen kleinen Wettbewerb.“ Das klang genial und nach dem ersten Versuch wusste ich, das ist genial. Das Kind liebte es und ist zudem noch in dem Alter, indem als Anreiz „Wer zuerst fertig ist, hat gewonnen.“ genügt. Ich hatte den Stein der Weisen gefunden. …

„Ich hoffe, meine Bücher können mir irgendwann verzeihen.“ – Geständnis einer Lückenleserin

Es gibt diesen Traum, in dem ich nachts am Bücherregal stehe. Im Halbdunkeln. Wie ein Eindringling in meiner eigenen Wohnung habe ich mich heimlich dorthin geschlichen. Dann macht jemand das Licht an & ich stehe ertappt mit schuldbewusstem Blick im hellen Raum. Tinte ist in meinem Gesicht verteilt, die Fingerkuppen dunkel gefärbt – wie wenn man zu viele Kirschen gegessen hat. Eine Lektürevampirin, die alle Bücher auf einmal haben wollte. Lange bevor Netflix binge watching erfunden hat, habe ich es mit Büchern praktiziert. Ich springe von einem zum anderen, ich verschlinge sie…und verpasse dadurch nicht selten das wirklich schmackhafte Innenleben. Meine Vorsätze sind andere, wenn ich mit einem neuen 300-Seiten Wälzer nach Hause zurück kehre. Ich lege ihn ab & nehme mir vor, es dieses Mal zu genießen & nicht alles mit einem Happen zu vertilgen. Aber ich kenne mich selbst zu gut. Was Bücher betrifft, bin ich eine Lückenleserin mit wenig Chancen auf Heilung. Seit ich lesen kann, pflüge ich mich durch Bücher. Ich scanne Seiten grob & füge die Handlung im Kopf zusammen. Für ganze Sätze habe ich …

Die Person, die den Nachtisch teilen will… – Warum Erwachsene beim Essen mindestens genauso nerven können wie Kinder.

Wenn man täglich mit Kind seine Nahrung zu sich nimmt, ist man manchmal ziemlich froh, dass keiner zuschaut. In der Öffentlichkeit habe ich auch viel zu oft das Gefühl, Dinge rechtfertigen  zu müssen. Leider ist man als Eltern nicht mehr so viel ohne Kind unterwegs, so dass einem ein wichtiges Detail fast gar nicht mehr auffällt: ungewöhnliches Benehmen beim Essen ist keine Kindereigenschaft. Diverse Weihnachtsfeiern & weitere jahreszeitbedingte Essenseinladungen haben es in den letzten Tagen ans Licht gebracht: um sich an öffentlichen Tischen komisch zu verhalten, muss man keine 5 Jahre alt sein. Als Erwachsener hat man aber das Privileg, dass es sich in der gesellschaftlichen Wahrnehmung mehr um persönliche Spleens handelt als um schlechte Erziehung. Über die irgendwie hinweggesehen wird. Außer bei mir im Blog. Hier geht es jetzt nämlich zur Sache. Vorhang auf für die nervigsten Szenen beim Essen mit Erwachsenen. Vorspeise: Auftritt der Nichtentscheider & Allesentscheider Bereits im Vorfeld des Restaurantbesuchs zeichnet sich der Nichtentscheider dadurch aus, dass ihm alles egal ist. Wo man hingeht zum Beispiel. Gerade in urbanen Kontexten versucht er …

Von der Freude, Kinder zu bekochen – Unfinished Business von Ann-Marie Slaughter

Ann-Marie Slaughter hätte auch ein ganz anderes Buch schreiben können. Sie ist ihn gegangen, den Weg der richtig erfolgreichen Frauen. In ihren 20ern & 30ern hat sie ungezählte Stunden gearbeitet, die Karriere vorangetrieben. Zur Feier der Verleihung ihrer ersten Professorenwürde wollten ihre Eltern unbedingt den Lehnsessel im Büro ihres Professors sehen – auf dem sie mehr Nächte verbracht hatte als im eigenen Bett. Es folgten die lebenslange Professur, eine Ehe & zwei Söhne. Dann ereilte sie der Ruf nach Washington, Außenministerin Clinton wollte sie in ihrem Stab. Perfektes Timing, die beiden Söhne (10 & 12 Jahre) waren aus dem Gröbsten raus, sie konnten auf sich selbst aufpassen. Außerdem gab es schon immer auch den Vater, der von jeher flexibler mit seinen Arbeitsstunden war. Angekommen auf dem Gipfel, wieder in einer Position, die vorher noch nie von einer Frau besetzt war…bat Slaughter Hillary Clinton nach 18 Monaten darum, wieder gehen zu können. Sie wollte zurück. Und sie nannte nach einiger Überlegung den Grund: ihre Kinder, insbesondere der älteste Sohn. Sie hatte das Gefühl zu fehlen, dass …