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Wie spät ist zu spät, um über die biologische Uhr zu reden?

Vor Kurzem führte ich zufällig ein Gespräch über Aufklärungsunterricht in Schulen. Ich hatte auf Pornokonsum und den Einfluss auf die Sexualität der Jugendlichen getippt, als ich fragte, was an dem Thema das Wichtigste sei. Oder die Tatsache, dass es im Sexualkundeunterricht meist nur Mann und Frau gibt und nichts anderes. Und was macht das mit denen, die sowieso schon zerrissen sind, weil sie anders lieben?

Die Antwort war aber eine andere: „Wir bringen ihnen alles über Verhütung bei, aber nichts übers Kinder kriegen. Wenn man die Mädchen fragt, was rein biologisch die beste Zeit wäre, um Kinder zu bekommen, sagen die 27 bis 30. Auch in der Abiturstufe.“*

Mein Verstand schaltete in diesem Moment zunächst auf Gegenwehr.

Kann ja nicht sein, ist ja jeder Frau selbst überlassen, ob sie Kinder kriegt. Ein Unterricht, der indirekt dazu drängt, weil irgendwann der Zug einfach abgefahren ist, der beibringt, wie man fruchtbare Tage erkennt – mit Zervixschleim und LH-Anstieg, damit die Chancen steigen, das schien mir doch ein bisschen Mittelalter.

UhrOder war an der Idee, Planbarkeit in beide Richtungen zu zeigen vielleicht doch etwas dran? Jede, die aufmerksam zuhört, die vielleicht selbst schon einmal gegoogelt hat, kennt Geschichten vom unerfüllten Kinderwunsch. Von psychisch und physisch belastenden Behandlungen, von Großpackungen Schwangerschaftstests, von den ungezählten Hibblerinnen (Selbstbezeichung der Frauen in Foren), die jeden Monat wieder hoffen, dass es endlich geklappt hat. In den Geschichten schwingt nicht selten Wehmut mit. Vielleicht hätte man es bereits ein paar Jahre früher probieren sollen. Eine Kollegin zeigte sich entsetzt über ihre Frauenärztin. Die hatte sie, das erste Kind war inzwischen 2 Jahre alt, im Gespräch darauf hingewiesen, dass mit 35 nicht mehr alle Zeit der Welt vor ihr liegen würde. Sie hatte ihr vorher bereits gesagt, dass sie irgendwann ein zweites Kind plante. Ab 35 gilt man als Risikoschwangerne, weil die Risiken für Fehlgeburt, Schwangerschaftsdiabetes und Fehlbildungen steigen. Die rein statistische Chance, auf natürlichem Weg schwanger zu werden, ist da schon ein paar Jahre am Sinken. Gesellschaftlich ist man mit 35 jung. Hat, auch bei relativ geradem Weg, sich selbst und die berufliche Orientierung vielleicht erst vor ein paar Jahren gefunden.

Theoretisch mögen wir die biologischen Fakten kennen.

Die unterschwellige Wahrnehmung ist trotzdem oft eine andere. Da kriegen doch so viele scheinbar problemlos Kinder mit Ende 30 (Weil leider auch im engsten Kreis selten über Probleme geredet wird.). Prominente sowieso und war da nicht auch die Sache mit den eingefrorenen Eizellen in allen Medien? Was die breite Berichterstattung oft nur am Rande erwähnte: es handelt sich um eine Methode, bei der noch nicht klar ist, wie groß die Erfolgschancen am Ende überhaupt sind. Und Reproduktionsmediziner erzählen, dass Frauen Anfang 30 zu ihnen kommen, um Eizellen einzufrieren. Gekommen wären sie aber besser schon mit 25. Aber da sind die Gedanken an Kinder eben noch relativ weit weg. Oder der Partner noch nicht da.

Uhr2Das war der Punkt, an dem ich wusste, wieso mich das Gespräch eigentlich irritiert hatte. Es war nicht die Idee, dass man Mädchen mehr über Planbarkeit beibringen sollte – nicht nur in Richtung Verhütung. Es war die Annahme, dass es nur um Mädchen ging. Kinder allein Frauensache waren. Ultimativ verantwortlich für das Vermeiden ungewollter Schwangerschaften sind sie sowieso. Die meisten von ihnen belasten ihren Körper deswegen mit Hormonen, obwohl hier langsam ein Umdenken einsetzt. Und nun auch noch die Verantwortung dafür, dass das Herbeiführen einer Schwangerschaft klappt. Passt bloß auf, dass ihr den Punkt nicht verpasst. Dabei ist die karriereorientierte Frau, die Kinder immer weiter aufschiebt, von einem Aufstieg zum anderen, ein Zerrbild. Fragt man Frauen nach den Gründen für Kinderlosigkeit bei eigentlichem Kinderwunsch, nennen sie überproportional häufig das Fehlen eines Partners.  Der für erfolgreiche Frauen aufgrund veralteter Rollenbilder unter Umständen noch schwerer zu finden ist. Aber auch genug Nicht-Vorstandsvorsitzenden geht es so.

Die Gründe, warum Männer sich nicht binden wollen, mögen vielfältig sein.

Aber auch bei ihnen gibt es undurchdachte Mythen, was das Vaterwerden betrifft. So wie manche Frauen denken, es ist immer noch ein bisschen Zeit, schaukeln Männer gern in der Selbstvergewisserungshängematte, dass das starke Geschlecht ja immer Kinder zeugen könnte. Was nur halb stimmt. Denn auch hier nimmt nicht nur die Spermienqualität mit zunehmendem Alter ab.

Reden müsste man also mit Mädchen und Jungen. Über das gleiche Thema. Weil es beide angeht. Dann ist die Frage nicht, wie spät ist zu spät, um über die biologische Uhr zu reden, sondern mit wem sollten wir sprechen.

***

*In einer Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums von 2005, gaben die befragten Frauen (18 bis 44 Jahre) 24 bis 31 Jahre als das optimale Alter an, um Kinder zu bekommen. Persönlich fühlen sich 65% der 23-26jährigen Kinderlosen, die für sich Kinder nicht ausschließen, aber zu jung, um sie zu bekommen (26% der 27-30jährigen und 20% der 31-35jährigen).

Foto: flickr – white_fundude – CC by 2.0

Berlin, Berlin

Das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, hat dreitausend Einwohner. Ich war in den letzten Wochen viel da. Es ist wunderschön dort und es schreibt sich ganz fantastisch unter einem alten Kirschbaum in einem traumhaften Garten. Untermalt von der Geräuschkulisse der Landmaschinen, Rasenmäher und Kreißsägen – Einer der größten Mythen über das Leben auf dem Land ist ja, dass es dort ruhig zugeht. – habe ich es nicht ganz geschafft, meine Sommerpause einzuhalten.

Ich liebe diesen Ort. Aber das Zuhausegefühl überkommt mich schon lange, wenn ich von der A100 aus den Funkturm erblicke. Berlin ist meine Heimat. Zehn Jahre bin ich nun hier. In Berlin ist bald Wahl und nicht nur deswegen ist die Stadt gerade Lieblingskind der Feuilletonisten. Ein komplettes Genre scheint sich nur damit zu beschäftigen, wieviel besser hier früher alles war. Als man noch für 300 Mark im 200 Quadratmeter Altbau wohnte, die Drogen etwas taugten und nichts Unangenehmes passierte. Jemals. Oder es keinen interessierte, weil alle viel entspannter waren. Nicht nur die Feuilletonisten und Onliner fühlen sich diesem urbanen Mythos verpflichtet, sondern auch viele reale Berliner. (Wobei die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei den schlecht bezahlten Onlineredakteuren und dem Typ neben mir im Biergarten um die gleiche Person handelt, auch sehr hoch ist).

Sie neigen sich bei ihren Erzählungen verschwörerisch herüber, um zu verkünden, dass man leider selbst mindestens fünfzehn Jahre zu spät kam, um diese Zeiten noch zu erleben. (Mein 11jähriges Ich war aber leider nicht sehr abenteuerlustig.)

Mich beschleicht dann oft das Gefühl, ich habe die ganze Sache mit Berlin grundfalsch angepackt. Vermutlich liegt mein ganzes Verderben darin, dass ich nicht zum Studieren hergezogen bin, sondern erst für meinen ersten 50-Stunden-plus-Job. Gut, ehrlich gesagt: Es war nicht nur die mangelnde Zeit oder naive Entscheidung, in die Nähe der Arbeitsstelle zu ziehen (Hallo Wilmersdorf, goodbye Friedrichshain-Kreuzberg.), die mich um die authentischen Clubbing- und Türstehererlebnisse gebracht hat – sondern meine grundlegend langweilige Persönlichkeit.

Heute bringt sie mich dazu, die Stadt richtig gern zu haben, eher wenig zu meckern und mich damit nicht dem aktuellsten Subgenre der Berlinberichterstattung anzuschließen: Ich hatte Alles: das Berghain, die Drogen, den Sex –  Und jetzt, wo ich in Brandenburg wohne, habe ich noch mehr!

Denn, das muss man einfach sagen (Ich verabschiede an dieser Stelle einige Hamburger und Münchener Leser_innen, es war mir ein Fest mit euch.): Berlin ist fantastisch und die beste Stadt überhaupt. Auch wenn man dort, wo ich wohne, Smoothie gelegentlich wie Schmoosie ausspricht, es nie einen Frozen-Joghurt-Laden gab und nur ein Kindercafé. Ich kann mich hier nicht einmal über nervige Touristen beschweren, denn ich sehe sie nur sehr selten, wenn sie sich auf dem Weg nach Schönefeld im Bus gerirrt haben.

Der wichtigste Teil, der einen Ort zur Heimat macht, sind die Menschen. Und trotzdem würde es mir äußerst schwer fallen, mit ihnen Wuppertal oder Osnabrück als neue Basis zu wählen. Die Vorteile von Berlin sind nicht nur Theater oder Ausstellungen, die Parks und die Tatsache, dass es einfach eine Großstadt ist, die aus vielen kleinen Städten besteht, in denen man im Supermarkt mit Namen begrüßt wird.

Berlin ist für mich einfach dieser unerwartete, anziehende, magische Ort. Wenn man versucht, Gefühle zu erklären, verlieren sie oft ihren Zauber. Sie werden nur noch eine Aneinanderreihung von versuchten Argumenten, die andere so leicht madig machen können. Deshalb schreibe ich jetzt einfach nicht mehr weiter. Denn es ist schon alles gesagt: Berlin ist einfach mein Ort. Mein Zuhause.

Foto: flickr – Jörg Schubert – CC by 2.0

Lügen, die ich mir erzählt habe

Der heutige Gastbeitrag erreichte mich mit folgendem Mailtext:

„Ich hätte es nicht geglaubt, aber es ist mir passiert. Ich bin gut ausgebildet, klug und informiert und trotzdem habe ich Gewalt lange nicht erkannt. Ich habe es mir nicht eingestanden, meinen eigenen Gefühlen nicht vertraut. Ich beschrieb es als nicht richtig gewollt oder anders gemeint und manchmal sogar als nur unangenehm“.

Hier ist der Text.

AnführungszeichenIch war zwei Jahre in einer Gewaltbeziehung. Weiterlesen

Gastbeitrag: Lügen, die ich mir erzählt habe

Der heutige Gastbeitrag erreichte mich mit folgendem Mailtext:

„Ich hätte es nicht geglaubt, aber es ist mir passiert. Ich bin gut ausgebildet, klug und informiert und trotzdem habe ich Gewalt lange nicht erkannt. Ich habe es mir nicht eingestanden, meinen eigenen Gefühlen nicht vertraut. Ich beschrieb es als nicht richtig gewollt oder anders gemeint und manchmal sogar als nur unangenehm“.

Hier ist der Text.

AnführungszeichenIch war zwei Jahre in einer Gewaltbeziehung.

Es gab Gewalt mit Worten, mit Blicken. Es gab nie Gewalt mit Taten. Ich machte mich selbst fertig, ich weinte viel, ich verlor mein Selbstvertrauen, ich verlor das Gefühl für meinen eigenen Wert. Warum ich nicht gegangen bin? Weil man oft erst bemerkt, wie schlimm es ist, wenn man wirklich am Ende angekommen ist. Und wegen der Lügen, die ich mir erzählt habe.

Liebe bedeutet auch Drama.

„Das Schönste ist doch die Versöhnung.“ und „Wahre Liebe muss auch ein bisschen kompliziert sein.“ So dachte ich mit Mitte 20. Ich dachte sogar, dass die anderen Paare etwas verpassen. Dass ihre Beziehung nicht so tief sein kann wie unsere, weil wir uns aneinander reiben, weil nur wir wirklich leben. Dass nur glückliche Tage langweilig wären. Ich dachte auch, dass etwas nur wirklich Böse ist, wenn es mir körperlich angetan wird. Es ist keine Gewalt, wenn du nichts zurück behälst. Keine blauen Flecken, keine Verletzungen. Heute kann ich zugeben, was ich damals auch wusste. Wörter sind Waffen. Aber mit „dumm, wertlos, Schlampe“ ist es so. Man denkt, man kann sich immunisieren. Wenn du still bleibst, kannst du immer höhere Dosen mit der Zeit aufnehmen. Bis du selbst nicht mehr weißt, wann es zu viel ist.

Ich bin verantwortlich für das, was er ist.

Wenn man sich mit jemandem trifft, bekommt man eine Ahnung davon, was derjenige von seiner Partnerin erwartet. Und dein Partner bemerkt, was du willst. Jeder versucht, dem Bild zu entsprechen, weil man sich liebt. Wenn dein Märchenprinz dann zu einer gruseligen Version seiner selbst wird, denkst du, dass es etwas mit dir zu tun hat. Etwas hat sich geändert, weil du dich geändert hast. Denn er will das ja nicht. Das bestätigt dir auch jede Entschuldigung, die immer mit einem Versprechen einher geht.

Es ist nicht nur die Beziehung, an anderer Stelle begegnet es mir ja auch.

Ich war ziemlich selbstbewusst, ich wusste, was ich wollte und hatte immer eine gute Idee, wie ich es bekommen kann. Ich bin auch jemand, der immer seinen Partner unterstützt. Deshalb war ich verwundert, als er oft sagte: „Überlege nochmal: Bist du dir sicher? Kannst du das wirklich? Hast du dort nicht falsch reagiert?“ Wenn ich etwas gut machte, gab er mir das Gefühl, es ginge besser. Nach und nach wurde ich unsicherer und mir gelang nicht mehr alles so einfach wie vorher. „Er hatte also Recht mit seinen Nachfragen, er hilft mir, mich nicht zu überschätzen.“ dachte ich. Dabei hatte er mir nur die Flügel gebrochen.

Es gibt auch die guten Momente.

Er war liebevoll, er lud mich zum Essen ein, brachte mir meine Lieblingszeitschrift mit, ließ mir ein Bad in die Wanne, brachte mich zum Lachen. Das war schön. Natürlich war es schön. Wieso sonst sollte ich in dieser Beziehung bleiben? Als ich beschloss, es zu beenden, ging es nicht einmal um das Verhältnis aus Gut und Schlecht. Es war keine magische Grenze, wo 50/50 nicht mehr ausreichte und es kippte. Ich konnte mir einfach nur eingestehen, dass ich nicht mehr wollte. Wenn ich nach dem Ende jemandem von der Beziehung erzählte, traute ich mich zuerst nicht, von den guten Seiten zu erzählen. Heute weiß ich, ich muss mich nicht schämen für die Liebe, die ich gegeben habe.

Aufgeben gilt nicht.

Viele denken, dass das Ende unglaublich befreiend gewesen sein muss. Das war es nicht. Wenn man sich seine große Liebesblase gebaut hat, in der es nur dich und ihn gibt, in einer tollen Beziehung, ist es sehr schwer, zu gehen. Du hast angefangen, dich in Frage zu stellen. Du weißt, es geht nicht mehr. Aber du kannst noch nicht sagen, dass du keine Schuld hattest. Zumindest nicht so, dass du es auch glaubst. Es dauert, zu lernen, dass nicht du gescheitert bist, sondern die Beziehung. Bis vor einer Weile habe ich immer gesagt: „Das Gute ist, diese Zeit hat mir gezeigt, was ich nicht will, auf welchen Typen ich nie wieder reinfallen werde.“ Aber heute finde ich das auch Augenwischerei. Es war keine schöne Zeit, vielleicht sogar eine vertane. Vielleicht gibt es nicht einmal etwas zu lernen. So zu denken, hat mir die Wut eröffnet und die Wut war gut. Nach ihr kam die Erkenntnis: Ich darf traurig sein. Und…es geht weiter.

***

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ des Bundesfamilienministeriums ist rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr unter 08000 116 016 erreichbar. Eine Onlineberatung gibt es auch. 

Foto: flickr – Andrew – CC by 2.0

Nicht ohne meine Yogamatte – Ein tiefenentspannter Gastbeitrag

Unser Leben ist schnell und wir halten nur selten inne. Birgitta, die ihr auch auf ihrem eigenen Blog besuchen könnt, hat für sich einen Weg gefunden mit einem Alltag umzugehen, der Stress und Belastungen bereit hält. Und der heißt Yoga. Warum es ihr einfach gut tut und sie ihre Matte immer im Gepäck hat, erfahrt ihr hier. 

Yoga begleitet mich schon seit vielen Jahren und hat sich in meinem Leben ordentlich breit gemacht. Als Kind einer nomadisch veranlagten Familie habe ich schon früh das Reisen gelernt. Auch heute mache ich noch gerne Ausflüge, um den großen Herausforderungen der Welt zu entfliehen. Ich zeige dem Stress einfach die rote Karte und packe meine Yogamatte ein.

Ich habe mit Yoga angefangen, da war von Yogareisen in ferne Länder oder schicken Yogaoutfits noch gar keine Rede. So zähle ich mich heute zu den wanderlustigen Nomaden, die Yoga zwar ernst nehmen, aber dennoch kein Problem damit haben, es aus der ursprünglichen Form zu heben. Und hätten nicht schon vor mir andere Yogis diesen Gedanken in die Welt getragen, wäre der globale Siegeszug von Adho Muka Svanasana (Hund mit dem Gesicht nach unten) ganz sicher schon im südindischen Mysore zu Ende gewesen. Es gibt einfach nichts Schöneres, als früh morgens die Sonne zu begrüßen oder den Hund auf den Grund des Bodensees hinabschauen zu lassen. Tief einzuatmen, während die Gischt des Meeres aufspritzt und sich die Wellen an den schroffen Felsen brechen. Einfach mal nichts denken und beim Üben der Haltung des Zweiten Kriegers, Wind und Wasser auf dem Gesicht zu spüren. Je wilder das Meer dabei tobt, desto besser gefällt es mir. Seit einiger Zeit kam noch die beruhigende Gewissheit hinzu, dass kreative Gedanken und körperliche Energie sofort zu mir zurückkehren, sobald ich am Meer bin und die Yogamatte ausrolle.

Yoga ist ein unkomplizierter Reisebegleiter

Egal wohin die Reise geht, Yoga ist ein unschlagbar unkomplizierter Reisebegleiter und begleitet mich überall hin. Mein gesamtes Gepäck könnte verloren gehen, und alles was ich zum täglichen Üben brauche, wäre immer noch da: mein Körper, mein Atem und mein aufmerksames Bewusstsein. Reisen und Yoga gehören für mich unzertrennlich zusammen.

Panta rhei, alles fließt?

Die Yogapraxis ist wie eine Pflanze, die keimt und wächst. Sie hat ein Eigenleben und ist nur teilweise kontrollierbar.

AndreaSchombaraFotografie-13Als Rechtsanwältin und Journalistin denkt und schreibt Birgitta für verschiedene Magazine – seit kurzem auch für ihren eigenen Blog. Zum Überleben braucht sie Yoga und hat deshalb immer ihre Matte im Gepäck.

So wäre es auch ein Trugschluss zu glauben, der reisende Yogi käme ganz ohne Widerstände aus. Das mobile Yoga schreibt seine eigene Geschichte, die an so manchen Urlaubstagen sicher das Zeug zum Bestseller gehabt hätte. Und wie das mit Bestsellern nun mal so ist, haben sie oft ein unerwartetes Ende. Das können schon mal die Kirchenglocken sein, deren umwerfender Klang jeden Versuch einer Balanceübung torpediert. Auch plötzlich einsetzende Gewitter oder verwehte Sandkörner in den Augen können einem ohne Vorwarnung den Atem rauben. Aber oftmals sind es einfach nur Hotelgäste oder Passanten, die allzu gern meine Yogapraxis kommentieren. Meistens ungebeten und lautstark. Auch wenn es für einen Yogi erst richtig spannend wird, wenn er bei seiner Yogaübung Widerstand spürt, ziehe ich mich dann lieber auf mein Hotelzimmer zurück. Denn eine handtuchgroße freie Fläche für die Yogamatte weist es eigentlich immer auf. Hier macht sich dann eine auch dünne, faltbare Travelmat bezahlt, die minimalistisch ins kleinste Handgepäck passt, aber dann jederzeit für ihren großen Auftritt bereit ist.

Yoga auf Reisen ist ideal um Ballast abzuwerfen

Auch beim Outfit ist man gegenüber anderen Sportreisenden klar im Vorteil. Yoga macht es einem leicht. Zwischen Pyjama und Bikini ist fast alles geeignet. Es muss nur bequem sein. Yoga auf Reisen ist perfekt für Leute, die Überflüssiges gerne weglassen und Ballast abwerfen wollen. Ob zu Hause oder auf Reisen: Die eigentliche Herausforderung beim Yoga liegt weder an der Umgebung oder den Übungen selbst, sondern vielmehr in der Überwindung auch in schwierigen Zeiten die Yogamatte auszurollen; sich aufzuraffen und die Übungen zu machen.

Eben dann, wenn man es am meisten braucht. Man lernt dabei, dass man plötzlich wieder sehr spannende Dinge wahrnimmt, von denen man gar nicht wusste, dass es sie gibt und wie schön sie sind: den eigenen Atem zum Beispiel. Oder einfach das Gefühl, dass man mehr ist als ein Kopf. Denn Stress macht starr. Körperlich wie geistig.

Also packe ich immer wieder meine Yogamatte ein und nehme mir die Freiheit, mich nach Herzenslust zu verbiegen. Dann fühle ich mich lebendig und bin in meinem Element. Zu Hause. Ganz gleich, wo ich gerade bin.

Foto: flickr – Matt Madd – CC by 2.0