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#4 Bachmannpreis, Ronja von Rönne & der gute alte Zickenkrieg [NaBloPoMo]

Heute gibt es keinen Post zum Schreibimpuls, denn mir ist der Bachmannpreis vor die Füße, also in die Tasten, gefallen. Eigentlich habe ich Twitter die letzten beiden Tage zugelassen (Es geht hier schließlich um Literatur, also Konzentration bitte!) außer bei den ganz langweiligen Stellen der Tage der deutschsprachigen Literatur. Irgendwas mit Kirschen, Killern & verlorenen Körperteilen.

Meine Timeline war auch ziemlich still, wenn mich die Meinung anderer interessierte, musste ich den Hashtag googeln. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass gestern Nachmittag die gespannte Erwartung auf den letzten Auftritt des Tages hinter den 140 Zeichen wartete. Ronja von Rönne sollte lesen.

Man muss die Geschichte niemandem mehr erklären, der ein wenig Zeit im Internet verbringt. Von Rönne hatte in der WELT einen vielkritisierten & gelobten Feminismustext geschrieben, den man durchaus als Antifeminismustext verstehen konnte oder als uninformierte Kritik oder als bewusste Provokation. Auf jeden Fall durfte man mit Recht seinen Senf dazu geben. Haben auch viele getan, auch ich war dabei. Bisschen sauer sein, weil die Medien sofort auf den Endlich sagt es mal jemand (aka eine Frau). – Zug aufsprangen war auch verständlich, fand ich.

Die Verkündung der Teilnahme von Rönnes am Bachmannpreis brachte den Sturm im Wasserglas nochmals zum Tosen. Schon damals schwang der Vorwurf mit. Alles nur, weil sie bewusst provoziert & mit der Aufmerksamkeit ihre Karriere puscht. Und weil sie hübsch ist & jung & überhaupt. Dschungelcampteilnehmer-Niveau.

Gestern nun, nachdem von Rönne ihren Wettbewerbstext gelesen hatte, wachte meine Timeline auf. Natürlich fand man es nicht gut. Negative Kritik der Jury wurde nochmal zitiert, mit höhö hinten dran. Haben wir doch immer gesagt, dass die doof ist., schrieben die Twitterinnen. Haben wir doch immer gewusst, dass sie nur blendet & eigentlich irrelevant ist. Jetzt da, guckt, der Literaturbetrieb hat’s erkannt. Uns glaubt ja sonst keiner. Die große Missverstehensgeste. 

Ich fand den Text gut & unterhaltsam. Und Ronja von Rönne in echt erstaunlich sympathisch. Was egal ist. Ich bin kein Gradmesser – für nix, auch nicht für literarische Qualität. Ich finde immer die Texte super, die die Jury nicht mag & die am Ende maximal den Publikumspreis bekommen.

Was ich aber auch ohne großes Literaturverständnis weiß, ist, dass man Autor & Figur nicht durcheinander wirft. Wenn eine Jury sagt, dass eine Figur ichbezogen, selbstverliebt & dekadent ist, ist es die Figur. Nicht die Autorin. Von der wir das aber schon immer wussten, dass sie auch so ist., schrieben die Twitterinnen. 

Von Rönne wiederum weiß nichts über Bodyshaming, weil sie gleich im ersten Satz einen Vergleich mit dicken Mädchen im Sportunterricht eingebaut hat. Der wurde ebenfalls zerpflückt. Mehr gab es auch nicht in dem Text. Es ging nämlich null um Feminismus. Und so richtig provokant war es auch nicht. Dabei hätte man zum Beispiel auch zitieren können, dass die junge Frau im Text ihre Beine auf Cellulite untersucht – normative Schönheitsideale und so.

Sprich, den Text  die Autorin fand man blöd, weil das eben so ist. Weil sie es sich jetzt versaut hat. Für immer. Basta.

Womit ich zu meiner Provokation komme. Im Englischen gibt es ein Wort dafür: catfight. Bei uns heißt es Zickenkrieg. Ist übrigens eine kulturelle Vorstellung, dass Frauen insbesondere Frauen gegenüber sehr kritisch sind. Dass sie sich gern Steine in den Weg legen. Diese Vorstellung wird gefüttert von einem ziemlich durchdringenden, allgegenwärtigen Bild der miteinander in Konkurrenz stehenden Frauen in den Medien – gern humorvoll verpackt. Sich mit Handtaschen schlagende Frauen, Haare ziehen & Kratzen sind in Filmen, Sitcoms oder Karikaturen sehr beliebt.

Ich glaube, es war Susan Faludi, die in Backlash schrieb, dass dieses Bild zunehmend seit den 70ern und 80ern verbreitet wurde. Genau in der Zeit, in der Frauen in Amerika an gesellschaftlichem Einfluss gewannen & die kulturelle Verwurzelung einer Zickenkrieg-Methaphorik es möglich machte, dass streitende Politikerinnen wie zankende Schulmädchen dargestellt werden.

Denn im Gegensatz zum Kampf unter Männern, der immer ein ordentlicher Machtkampf ist, ist der Zickenkrieg lächerlich. Bei ihm gibt es kein tapfer-wackeres Einstehen für die eigenen Belange. Es gibt nur ein  „So sind die Frauen halt.“ Womöglich ist es auch noch ganz natürlich, dass Frauen, Frauen auch nicht mögen. Biologische Auslese und so. Kampf um den besten Ernährer im eigenen Bett. Darüber hinaus werden Zickenkriege in medialen Kontexten oft zur Männerbelustigung inszeniert & sind meist latent sexy. Zickenkriege amüsieren. Und machen Frauen und ihre Meinung klein.

Natürlich sind das kulturelle Konstrukte, an denen Frauen nicht schuld sind. Und kein Grund still zu bleiben, weil man falsch inszeniert oder verstanden werden könnte. Aber vielleicht mal ein Grund zum Nachdenken.

Dies ist ein Post im Rahmen der NaBloPoMo – Reihe. Die Idee ist, im Juli an jedem Tag zu bloggen. Wer mehr erfahren möchte, liest hier weiter. Noch mehr Blogs, die auch mitmachen, findet ihr rechts oben in der Sidebar. Alle meine Beiträge findet ihr hier

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5 Kommentare

  1. Pingback: #5 Spieglein, Spieglein – Schneewittchens verkannte Stiefmutter [NaBloPoMo] | makellosmag

  2. Danke, dass Du heute etwas anderes schreibst. Jedes Mal, bevor ich zum NaBloPoMo schreiben will schaue ich bei Dir vorbei. Doch heute formen sich andere Worte in meinem Kopf andere Dinge, über die ich schreiben will, die nicht viel mit herzhaften Lachen zu tun haben. Ich werde es nachholen. Ein anderes Mal.
    Nachher aber werden andere Dinge aus mir fließen. Dinge, die geschrieben werden müssen…raus müssen, um mich zu sortieren.
    Danke, dass auch Du heute die Impulse durchbrichst.

    • Es ist ein wunderbar eindringlicher Text. Danke dafür & danke für deinen Kommentar. Ich schaue auch immer bei dir, was ich fast befremdlich finde, weil unsere Beiträge bisher so unterschiedlich scheinen. Heute mache ich übrigens Pause und laufe mit nackten Füßen über den Rasen meiner Kindheit.

  3. Ich habe den Feminismustext auch kritisiert, und die dahintersteckende Überheblichkeit unsympathisch gefunden und war quasi bereit, den Text von von Rönne doof zu finden und „Höhö“ zu machen.

    Und dann fand ich ihn von allen Texten gestern am besten, der erste Text, bei dem ich beim Lesen sowas wie Freude empfand und konnte den halt nicht doof finden. Das ist vielleicht keine große Literatur, aber es ist auf jeden Fall gut geschrieben und auch nicht so literarisch prätentiös. Jetzt muss auf jeden Fall noch mal in die einzelnen Lesungsvideos reingucken, wie der Vortragsstil der Autoren zu dem Text passt. Aber generell mochte ich das, was Ronja von Rönne schrieb und die Kritik scheint mir doch ein bisschen unfair.

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