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Mega, der mittelalte Mann mit Meinung!- Liebeserklärung an einen Typ, der es mir schwer macht, ihn ernst zu nehmen

„Vielleicht ist der mittelalte, wahnsinnig intellektuell tuende Mann gar kein Fossil mit  antiquiertem Beziehungsbild, sondern nur ein trauriger Feuilletonist, der die Seite in der ZEIT füllen muss, die für Kontroversen vorgesehen ist.“

Jetzt steht er da wieder im Flur und glotzt auf meine Hose. Ich kann auch nichts dafür, dass in seinen Kreisen Rollkragenpullover unter schwarzen Sakkos der kulturelle Code sind. Er stutzt. Vermutlich gucke ich ein bisschen argwöhnisch. Ich erzähle einfach was von der Hose. Jetzt denkt er: „Für sowas hat sie Zeit. Vier Mal die Hose waschen.“ Dabei wüsste er, dass die Waschmaschine ganz von allein problemlos hintereinander durchläuft. Wenn er sie bedienen könnte.

Ja, ja, meine Schuhe haben eine Kette. Und deine sind abgetragen, weil deine Peer-Group findet, der mit dem abgewetztesten Professoren-Look ist der Klügste. Wie er mich langweilt in seiner Selbstgefälligkeit. Vielleicht liegt es daran, dass er nicht mehr so viele Haare hat. Männer sind da ja sehr speziell, wenn es um ihre Haare geht. Gerade mit zunehmendem Alter. Nachher wird er wieder mit stolzgeschwellter Brust mit mir rumlaufen. Seht her, fast 50jähriger mit wenigen Haaren hat eine attraktive Frau am Arm. Dann wird er wieder alle anstarren, damit sie bloß zurück gucken und mich anglotzen. Dabei tut er immer so wahnsinnig emphatisch. Müsste ihm eigentlich klar sein, dass man als Frau schon genug angestarrt wird und nicht noch den Typen nebendran braucht, der das befeuert. Irgendwann kommt uns deswegen mal einer dumm. Dann kann er sich aber allein mit dem herum schlagen.

Ständig muss er alles bewerten. Immer bildungsbürgerlich alles reflektieren und die Kleistzitate raushängen lassen. Kennt, weiß und versteht alles. Hat Ahnung vom richtigen Geschmack, von Make-up und Designern. Und sich nur dafür entschieden, sich nicht damit zu beschäftigen. Dabei hat er erst letztens meine Menstruationstasse für einen Puderzerstäuber gehalten. Das ist diese Generation, deren Lebenstrauma es ist, ’68 erst geboren worden zu sein und es nicht miterlebt zu haben. Das können Sie nur überwinden, wenn sie Bourdieu inhalieren und große Reden schwingen. Und ich muss es ausbaden.

Dass er immer sein Ego mit mir polieren muss, nervt am Meisten. Dann nimmt er mich mit so ironischer Distanz zu seinen Freunden mit. Und freut sich den ganzen Abend, dass die bestimmt heimlich denken, wie geil der Sex mit mir wäre. Nur weil deren Frauen anders aussehen. Kann er nicht abstrahieren, das jeder etwas anderes gut finden könnte.

Deshalb lasse ich ihm sein Weltbild. Es ist anstrengend, mit ihm zu diskutieren. Meistens schauen wir sinnlose Frauenfilme. Dann ist er beruhigt, weil alles an mir so schön vorhersehbar ist und man muss sich nicht unterhalten. Wenn er doch unruhig wird, lasse ich hier und da ein paar Sätze fallen – über die Einrichtung bei Fifty Shades of Grey oder so. Männer wie er haben sowieso die höchste Meinung von Frauen, wenn sie möglichst wenig sagen. Dann können sie uns gut einordnen, weil keine großen Störfeuer an eigener Meinung zu erwarten sind. Er hält mich ja auch für emanzipiert, weil mich fremde Meinungen zu meinen Klamotten, Schuhen und Haaren nicht interessieren. Weil ich einfach das mache, vom dem er denkt, dass es mir wichtig ist: Klamotten, Schuhe und Haare.

Früher hätte er selbstverständlich den Chefarztposten gekriegt, seine Sekretärin oder eine Krankenschwester geheiratet und sich ein Leben lang überlegen gefühlt. Heute muss er sich sein Beziehungsgefälle irgendwie anders zusammenschustern. Ich weiß, dass er denkt, er ist reflektierter und weltgewandter, ein bisschen besser, ein bisschen intellektueller als ich. Aber er weiß natürlich, dass er das als moderner Mann nicht sagen darf!!!1!!

Außer eben auf einer ganzen Seite in der ZEIT, die er kürzlich mit mir vollgeschrieben hat.

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Disclaimer: Ja, Daniel Haas, ich habe Sie gegoogelt. Die Rollkragen-unter-Sakko-Referenz ist kein Zufall. Und das mit den Haaren auch nicht. Den Rest habe ich mir ausgedacht. Das kann man jetzt fies finden, so auf den Äußerlichkeiten herum zu reiten. Aber das machen Sie in ihrem Text ja auch. Ich bin übrigens aus Berlin, eine Frau und trage gerade Schlabbershirt – also alles tippi-toppi mit ihrem Welt- und Frauenbild. Gut, wir wissen beide, worum es ging. Ich bin mit Anlauf über das Stöckchen gesprungen, das Sie und die ZEIT den sich-dauerbeschwerenden-Online-Frauen hingehalten haben. Gern geschehen.

 

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