Feminismus & Weltverschwörung
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Ice Ice Baby – Geschlechterkampf am Temperaturregler

Wem erzähle ich hier vom Geschlechterkampf am Temperaturregler? Jede, die regelmäßig die heimische Heizung hochstellt während der Mitbewohner oder Partner wieder runterregelt, jede, die heimlich die Eisfüße zum Wärmen unter die fremde Decke schiebt, kennt ihn – den Kalten Krieg im heimischen Wohnzimmer. Dass Frauen sich irgendwie mit anderen Temperaturen wohl fühlen als Männer mag ein Klischee sein. Bei mir bestätigt es sich.

Was zu Hause schlecht ist, kann im Büro nicht schaden.  Auch hier gibt es den Temperaturkrieg als eine Variante der beliebten Bürohierarchiesierungsspielchen. In langwierigen Konferenzen zum Beispiel wird die Stellung der Alpha-Beta-Männchen & Weibchen nicht nur über Sprechakte („Es wurde schon alles gesagt, aber noch nicht von mir.“) ausgefochten, sondern auch gern über das Öffnen & Schließen von Fenstern. Auch bei eingefahrenen Verhandlungsrunden habe ich erlebt, dass die Kompromissbereitschaft der Parteien bewusst durch Einfrieren bzw. Hochkochen befördert werden sollte. Was übrigens für gemischte Vorstandsteams spricht. Denn wenn Frauen & Männer unterschiedliches Kälte- & Wärmeempfinden haben, dann können sie sich hier super abwechseln, da immer eine Gruppe einen kühlen Kopf behält.

Während sich draußen der Sommer zu neuer Höchstform aufschwingt, haben sich amerikanische Wissenschaftler dem Phänomen der unterschiedlichen Geschlechter-Büroklimazonen jetzt auf jeden Fall so richtig schön wissenschaftlich angenommen.

Kurzfassung des Problems: Entweder schwitzen die Männer im Drehstuhl oder die Frauen frieren. Öfter frieren aber die Frauen. Und warum? Nun ist es so, dass in vielen Bürogebäuden die Temperatur zentral gesteuert wird & man selbst nicht am Heizlüfter drehen kann. Temperatursozialismus sozusagen. Und welche Temperatur stellt man ein? Na die Thermische Behaglichkeit! Diese hat sich ein freundlicher Däne in den 1960ern ausgedacht, der Standard war ein Mann.

Übrigens nicht die einzige Domäne, in der ein männlicher Standard genutzt wird & die Frauenwerte quasi runter gerechnet werden. Bei der Airbagentwicklung werden erst seit einigen Jahren konsequent weibliche Dummys eingesetzt, weil es ja schon wichtig ist, dass die Physiognomie stimmt, wenn man vom Rettungssack nicht geköpft sondern gerettet werden möchte.

Und die Gendermedizin kann ein Lied davon singen, dass Medikamentenstudien meist an jungen weißen Männern durchgeführt werden (was Frauen, Kinder, alte Menschen. usw. alle ausschließt). Auch viele medizinische Behandlungen sind noch immer auf Männer optimiert. Ich wusste auch nicht, dass Herzkrankheiten bei Frauen oft zu spät diagnostiziert werden, weil sie sich nicht unbedingt im klassischen (männlichen) Stechen in der Brust äußern.

Wo der Mann der Standard ist, muss es also auch nicht zwangsläufig für die Frau passen (oder alle anderen Männer, oder Kinder um fair zu bleiben…). Faierweise muss man auch zugeben, dass der dänische Kältestandard ausgehend von einem Mann um die 40 mit 80 kg vielleicht generell nicht mehr ganz zeitgemäß ist. Die Wissenschaftler stellten ihre Studie auch auf breitere Füße. Sie maßen zum Beispiel bei 16 Probandinnen den Grundumsatz bei leichter Bürotätigkeit, der sich vom Männlichen unterscheidet. Und weisen daraufhin, dass Frauen oft weniger anhaben, besonders so obenrum. Während Männer mit hochgeschlossenem Hemd wärmen, verlieren Frauen Wärme über den Ausschnitt. Science at it’s best.

Im Fazit kommt die Studie auf die geschlechterbasierte Diskrimierung zurück. Und empfiehlt: wir machen alles ein paar Grad wärmer, lassen die Männer schwitzen, sparen so Energie & retten nebenbei noch den Planeten. (Wenn das mal nicht nach Win-Win klingt.) Zitat:

“If women have lower need for cooling it actually means you can save energy, because right now we’re just cooling for this male population,” said Joost van Hoof, a building physicist at Fontys University of Applied Sciences in the Netherlands (…) So for the planet’s sake, men should “stop complaining,” Dr. Kingma said.“

Ich jedoch, würde gern einen Vorschlag zur Güte einwerfen. Ich würde mich ausnahmsweise mal mit dem Thermostatsexismus abfinden, mir weiterhin eine Strickjacke ins Büro legen & für den Ernstfall ein paar lange Unterhosen. Dafür schließen wir dann den Gender Pay Gap, bauen nicht nur die Kitas aus sondern qualifizieren & bezahlen die ErzieherInnen ordentlich, beenden endlich diesen traurigen Streit um die Versicherungsprämien der Hebammen & erkennen Care & Familienarbeit vernünftig an. Na, wie klingt das? Ist doch ein Deal, oder?

♫♫♫ Die Kälte, sie ist nun ein Teil von mir. ♫♫♫

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Foto: flickr – David Smith – CC by 2.0

5 Kommentare

  1. Pingback: Mutti taugt grad so zum Vorbild…oder Bat Girl, die ist heiß! | makellosmag

    • Lustig, oder? Wie das Thema Kreise zieht. Habe gerade auch mal geschaut. Die Standardgeschichte greifen verblüffenderweise nur die WELT & BILD auf, wenn auch nur mit einem Satz. („In vielen Gebäuden, die Sie sehen, ist der Energieverbrauch viel höher, weil der Klimaanlagen-Standard für die Produktion der Körperwärme von Männern kalibriert ist.“ Und die Standardklimaanlage ist auf einen „Standardmann“ eingestellt.)

  2. Katha M. sagt

    Muss man nicht die Energie im Winter wieder aufwenden, wenn man mehr heizt, weil die Frauen dann frieren? Oder gibt es den Standard nur für Kälte? Fragen über Fragen. Und ein schöner Text.

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