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„Manchmal denke ich, es fehlt nur noch die Ohrläppchencreme.“ – Ein Interview über Schönheit und Kosmetik

Andrea ist eine meiner ersten Leserinnen. Seit ihrem ersten Kommentar freue ich mich immer, wenn sie mir ihre Meinung da lässt. Denn die lässt mich oft in eine neue Richtung denken. Das liegt nicht nur daran, dass sie sich als Kosmetikerin auch von Berufswegen her gut mit dem ganzen Schönheitszirkus auskennt.

Ohne sie je getroffen zu haben (obwohl wir noch diesen Sofaplan haben), finde ich, sie ist genau das, was man sich unter einer starken und klugen Frau vorstellt. Und cool natürlich. Sonst wäre sie auch nicht meine coole Frau im August.

Also, Vorhang auf für ihr Interview. Wer mehr von ihr lesen möchte, kann sie auf ihrem Blog Michou à la mode besuchen. Um die wunderbaren Sachen, die sie näht, zu bewundern – und noch mehr kluge Gedanken zu entdecken.

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Wenn ich mich über die Schönheitsindustrie ärgere, kommentierst du gern, dass Make-up und Schönheitsrituale auch positiv wirken können…

AnführungszeichenIch denke, der Wunsch, den Körper zu verschönern, die Freude an Schönheit und Ästhetik, ist etwas Menschliches. Wenn ich in feministischen Kreisen etwas zu diesem Thema lese, dann ist das häufig beschränkt auf Druck, auf ungerechtfertigte Erwartungen an die Frau. Die Beschäftigung mit dem eigenen Äußeren kann aber auch etwas Positives sein. Schönheitspflege zwingt dich, dich jeden Tag zweimal für 5-10 Minuten ganz mit dir zu befassen. Du zeigst dir selbst, dass du es dir wert bist – die Zeit und das Geld, das du aufwendest, um das zu erhalten, was du mitbekommen hast. Klingt pathetisch, oder? Aber ich habe es bei vielen Kundinnen immer wieder bemerkt: wenn in deiner Beziehung zu dir selbst etwas nicht stimmt, dann musst du was ändern. Und das bewusste Sich-pflegen hat bei vielen Frauen etwas verändert.

Wenn man sich die Produkte der Schönheitsindustrie anschaut, denkst du manchmal auch: „Was haben sie sich denn nun wieder ausgedacht?“

AnführungszeichenManchmal denke ich, es fehlt nur noch die Ohrläppchencreme, dann ist alles abgedeckt. Es gibt unglaublich viel Mist und unglaublich viel Geldschneiderei. Nach 30 Jahren im Job kann ich sagen: Kosmetik kann deutlich weniger, als sie zwischen den Zeilen verspricht, aber deutlich mehr, als die meisten ihr zutrauen. Das Hauptproblem ist, dass der Großteil der Cremes auf die falsche Haut aufgetragen werden. Weil die meisten Frauen ihre Haut falsch einschätzen. Das ist ein wesentlich komplizierteres Organ, als es die (dazu vollkommen unzureichenden) Schubladen von trocken bis ölig vorgaukeln. Falls jetzt ein Profitipp gewünscht ist: wichtig sind die morgendliche milde Reinigung, Tagespflege mit einem ausgewogenen Verhältnis Fett-Feuchtigkeit und das Ganze noch einmal am Abend.

Gibt es einen Schönheitswahn?

AnführungszeichenJa, ich glaube, dass es einen gewissen Druck gibt, „schön“ zu sein. Ich glaube aber auch, dass das immer schon so war. In den 50ern wurde von Frauen erwartet, sich modisch zu kleiden, sich dezent zu schminken und perfekt zu ondulieren. Es wurde nicht erwartet, dass sie einem Model oder einer Schauspielerin nacheifern. Es wurde unterschieden zwischen der alltäglichen Attraktivität der normalen Frau und der überirdischen Schönheit des Stars. Es war klar, dass die Natur nicht alle Menschen gleichmäßig bedacht hat. Außergewöhnliche Schönheit war ein Ideal, das man gar nicht unbedingt erreichen wollte und musste. Das gestattete eine relativ neidfreie Betrachtung der Schönheiten. Heute aber wird uns durch die operative Machbarkeit einerseits und durch immer stärker retuschierte Bilder suggeriert, wir alle könnten dieses Ideal erreichen und müssten es auch. Während zu Hollywoodzeiten nur der große Star retuschiert und perfekt ausgeleuchtet wurde, waren Reklamebilder für Waschmaschinen, Brühwürfel und Miederwaren mit durchschnittlich attraktiven Frauen verziert. Heute können wir nicht einmal Margarine kaufen, ohne dass eine 15jährige mit straffer Haut und Strahlelächeln plus Photoshopkur uns verführen will. Auch diese allgegenwärtige Überbetonung von Sexyness führt sicherlich dazu, dass junge Mädchen heute mit ganz anderen Erwartungen groß werden, als beispielsweise noch in den 80ern. Diese übertriebene Makellosigkeit schleicht sich ins Unterbewusstsein und vergiftet das weibliche Heranwachsen mit Sicherheit.

Was beeinflusst unseren Zugang zu Kosmetik und Make-up? Gesellschaftliche Normen, Werbung, Mütter, die sich schminken?

Anführungszeichen Meine Mutter hat sich ganz selbstverständlich geschminkt – nicht viel, nicht auffällig, aber täglich. So wie all ihre Freundinnen, die ebenfalls alle in den 50ern erwachsen wurden. Das gehörte einfach zu einem Kleid, einem Kostüm dazu. Man zieht sich nicht halb an und so verzichtet man nicht auf Make-up. Gezeigt hat sie es mir nicht, mich weder dazu ermutigt noch davon abgehalten.

Heute kommen mir an einem Samstag in der Innenstadt viele Frauen ungeschminkt und nicht zurecht gemacht entgegen. Mir begegnet immer wieder, dass sich nicht wenige mit Make-up schwer tun. Dann wird sich für den Besuch bei mir fast entschuldigt. Dabei geht es darum, was einem selbst gut tut. Ich habe einmal eine Physikerin kennen gelernt, die in einer männlich-dominierten Umgebung arbeitete. Als einzige Frau in einem Forschungslabor war sie groß und schlank, aber machte sich immer klein, obwohl sie gern weiblicher gewesen wäre. Aber die Kollegen hatten einmal dumme Sprüche über einen roséfarbenen Pflegestift gemacht und so befürchtete sie, geschminkt nicht ernst genommen zu werden. Ich war echt erschüttert. Oberflächlicher ging es ja wohl nicht. Die Jungs meinten wohl, eine Frau im Rock sei automatisch dumm. Dann habe ich sie geschminkt, sie war eine schöne Frau und auch in ihr schubste der Aufenthalt etwas an.

Sie kam nach einem Jahr wieder und erzählte, wie sie sich erst nur nach Feierabend umzog, wie das Selbstbewusstsein stieg und wie sie dann am Tag der Mitarbeitergespräche mit Zittern und Zagen im Kostüm, mit hohen Schuhen und roten Lippen hinging. Nur, um sich was zu beweisen und die Kollegen zu ärgern. Es war dann verblüffend zu sehen, wie anders sie behandelt wurde. Es kamen auch anzügliche Sprüche, die sie kühl mit etwas wie „Etwas mehr Körperpflege würde eurem Sozialleben auch nicht schaden.“ abtun konnte. Am Ende gewöhnten sich die Herren daran. Und auf einmal, und das ist das Schöne an der Geschichte, stieg der Anteil der Frauen in der Abteilung. Da gab es eine neue Kollegin und dann noch eine, die bereit waren, dort zu arbeiten. Die waren mal im Kostüm, mal in Jeans, mal geschminkt, mal ungeschminkt – wie es ihnen eben gefiel.

Ich bin 34, zwischen uns liegen ein paar Jahre. Was denkst du, wird der Druck weniger oder lernt man, entspannter damit umzugehen?

AnführungszeichenGute Frage. Ich bin ganz froh, heute auf die 50 zuzugehen und nicht vor 40 Jahren – da wäre ich definitiv eine alte Frau gewesen. Auf der anderen Seite: Seit Sex and the City sind Frauen ab 40 viel häufiger als Protagonistinnen in Filmen zu sehen; hierzulande haben wir Senta Berger und Iris Berben, die scheinbar mühelos fantastisch und alterslos aussehen. Während ich mich also heute nicht mehr zwangsläufig aus dem Leben zurück ziehen muss, zeigt man mir mehr oder weniger subtil, dass es aber auch nicht erlaubt ist, sichtbar alt zu werden. Selbst das dämliche Sexysein soll mich nicht verlassen. Ich soll sogar unglaublich happy darüber sein, dass ich mit nur 12 Stunden Yoga pro Woche, hypergesunder Ernährung und noch mehr Pflege, Botox und Laser ganz lässig und entspannt weiterhin interessant für Männer sein kann. Irgendwann sollte es auch mal gut sein dürfen. Davon habe ich mich definitiv freigemacht, dass ich den Erwartungen fremder und unwichtiger Männer entsprechen soll. Wovon ich nicht frei bin, das sind meine eigenen Ansprüche an mich.

Zu guter Letzt: Dein Blog ist einer DER Blogs, wenn es ums Selbstnähen geht. Einige schreiben, dass das Herstellen der eigenen Kleidung auch ihre Körperwahrnehmung verändert hat. Weil die Sachen richtig passen, gut sitzen und man unabhängiger von Trends und frustrierenden Shoppingerlebnissen ist. Würdest du dem zustimmen?

AnführungszeichenJein. Vielen geht es sicher so. Mir hingegen ist erst dank der Beschäftigung mit Schnittmustern klar geworden, was bei mir alles nicht stimmt. Während ich ganz gut damit lebte, keine Kleider kaufen zu können, weil sie oben zu weit und unten zu eng waren, wollte ich das bei einem selbstgenähten Kleid natürlich nicht haben. Wenn du dich dann mit Schnittanpassungen beschäftigst, dann erfährst du, dass die Falte A auf einen Rundrücken hinweist, Falte B auf einen flachen Po, Falte C auf überproportional hohe und breite Hüften. Während ich auch vorher durchaus mal unzufrieden mit meiner Figur war, beschränkte sich das auf zu dünn, zu unkurvig, aber irgendwie ok. Nach dem ersten Nähjahr wußte ich nun ganz genau, dass ich komplett verbaut bin. Da stand ich durchaus vor dem Spiegel und war erschüttert und habe versucht, mir meine Maße schön zu rechnen – woraufhin kein Kleid passte. Du musst, wenn du etwas gut Passendes nähen willst, auch lernen, ehrlich zu dir zu sein und genau hinzuschauen. Und damit ist – für mich zumindest – gar nicht so leicht klarzukommen. Das liegt nun einige Jahre zurück, mittlerweile komme ich klar und genieße es zur Zeit sehr, dass ich wieder mehr kaufe und reinpasse. Das ist fast wie ein Kompliment des Kaufkleides an mich.

Danke liebe Andrea – für deine offenen, persönlichen Worte und neuen Perspektiven. Es hat wie immer viel Spaß gemacht, sich mit dir auszutauschen. 

Foto: flickr – Maria Morri – CC by 2.0

 

Die SHAPE-Frau macht Urlaub

Kommt mit, heute besuchen wir wieder eines dieser Fabelwesen vom Zeitschriftenkiosk. Ihr müsst nicht leise sein, die SHAPE-Frau ist nicht scheu. Eher so Boom!!! Hier bin ich. Und effizient ist sie. Wie bereits der Blick auf das Cover der Fitnesszeitschrift offenbart. IMG_1851Denn keine ihrer maßgeblichen Lebensaktivitäten dauert länger als 5 Minuten. Und sie liebt Ausrufezeichen.

Mit 5 Minuten seid ihr beim Fasirgendwas – Workout dabei (Da wabbelt nichts mehr!).

Mit ganz winzigen Tricks – mikroskopisch sozusagen – kriegt man endlich den flachen Bauch (Ganz nebenbei!). Die Instagram-würdige Taille gibt es in nur einer Minute. Dafür müsst ihr nur euren Kleiderschrank je nach Körperform komplett neu bestücken. Ihr wisst schon Birne, Apfel oder Kiwi, falls ihr euch schon eine Weile nicht die Beine rasiert habt.
Um euch dann olympiareif in einer Minute das entsprechende Outfit aus dem Schrank zu ziehen und anzuziehen. Was auch wieder was von Sport hat. Wie praktisch. Weitere Cover-Highlights: Endlich den Richtigen (!) findet die SHAPE-Frau mit nur drei Fragen und Sex hat sie, total ökonomisch, gleich morgens. Dann hat sie das auch weg.

So, jetzt seid ihr platt, oder?

Aber keine Angst, könnt ihr auch alles haben. Ann, ihres Zeichens Chefredakteurin, kennt nämlich ihre faulen Pappenheimer (also uns), die „einfach nur 17 statt 20 Liegestütze“ machen und auf der Party schon mal 2(!) Gläser Wein trinken. Sie ist selbst einer, gibt sie im Editorial freimütig zu. Im Fachjargon nennt sie das „Selbstbehumser“. Aber sich selbst behumsen, das weiß die Ann, macht gar keinen Sinn. Weil wir die Auswüchse unserer Exzesse („drei Handvoll Naschkram statt einer“) sowieso jeden Morgen bei der Tagesinspektion vor dem Spiegel sehen.

Apropos sehen. Am unbeobachtesten fühlen wir uns natürlich, wenn wir weit weg sind. Also im Urlaub. Und genau hier eilt uns Ann mit ihren Redakteurinnen (ja, alles Frauen) und Experten (oh, zwei Männer) im Titelthema zur Hilfe, die wir gar nicht gerufen haben.

Vorhang auf für die Top drei Tipps aus der Rubrik Nicht zunehmen im Urlaub, die – ihr ahnt es schon – nur mit einem Ausrufezeichen enden kann. Nicht zunehmen im Urlaub! ist kein Angebot, es ist ein Befehl! Also, hinsetzen. Jetzt werdet ihr beratschlagt, bis die Fettzellen nur so schlackern. Vor Angst.

Tipp 1: Nur anorexiekranke Freundinnen mitnehmen

Die, die „deutlich weniger essen als ich“. Denn „allein schlemmen macht keinen Spaß.“

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Tipp 2: Falsche Klamotten einpacken

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Ich hätte ja noch eine viel bessere Idee: nur Urlaubsgarderobe eine Kleidergröße kleiner in den Koffer. Schon hat man den Selbstbehumser in sich effektiv ausgetrickst, denn es bleibt nur noch die Wahl zwischen abnehmen, überall nackt oder auf dem Zimmer bleiben. Traumurlaub!

Tipp 3: Hitzschlag oder Einfach nicht essen

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Mittagessen ausfallen lassen und stattdessen eine schöne Wanderung! Dazu passt auch ein anderer Experten-Tipp im Text: lieber auf der heißen Terrasse statt im klimatisierten Restaurant essen. Dann hat man nämlich weniger Hunger. Und mit ein bisschen Glück gibt es noch einen ordentlichen Hitzschlag oben drauf, von dem man kotzen muss.

In diesem Sinne, happy holidays, Mädels!

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BONUS: Das Poster zum Vermeiden der Futter-Falle. Mit allen Fehlern, Sünden und Dickmachern drauf. Denn Essen ist böse.

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Foto: flickr – Zephyr – CC by 2.0

Unprofessionelle Haare

Es ist kein Geheimnis, dass man oft das haben möchte, was man nicht hat. Ich wollte immer Locken haben. Heute weiß ich, ich wollte nicht Locken an sich, sondern eine bestimmte Art von Locken. Das wurde mir nach einem beiläufigen Satz einer Kollegin klar. Einer Kollegin mit tollen Harren. Wie Keri Russell, als sie noch nicht als russische Spionin arbeitete, sondern bei Bon Jovi auf der Couch schlief.

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Vor einer ziemlich wichtigen Präsentation sagte die Kollegin, sie hasse ihre unprofessionellen Haare. Ich stutze.

Im Grunde genommen sind Haare nur tote Zellen.

Tote Zellen, die in verschiedener Dicke, Form und Farbe aus dem Kopf sprießen. Und aus weiteren Körperregionen. Natürlich war mir klar, dass wir Haare mit diversen Bedeutungen aufgeladen haben, je nach Körperstelle, Hautfarbe und Träger*in. Insbesondere bei Frauen.
Bei Männern scheint es mir eher um eine Existenz oder Nichtexistenz zu gehen. Mit zurückgehendem Haaransatz wird gern Bruce Willis zitiert.

Für Frauen kannte ich die farbtechnischen Einordnungen – kühle Blonde, heiße Rothaarige oder – es geht immer noch ein bisschen schlimmer – rassige Dunkelhaarige.

Über die Textur von Haaren hatte ich noch nicht nachgedacht.

Genauso wenig wie über ihre Professionalität. Eine kurze Recherche in den Untiefen der Frauenzeitschriften zeigte, Locken stehen für Jugend und Weiblichkeit. Sie sind wild und anders, mit ihnen hat man einen Look, der casual ist oder messy – also immer ein bisschen durcheinander. Die Hersteller von Stylingprodukten sehen das genauso. Bei ihnen liest man vom „Afro-Look“, der „lässig, frech“ und „cool“ ist, was auf mindestens zwei Ebenen total daneben greift.

Und nicht nach Büro klingt. Erstaunt lese ich weiter: „In Sachen Frisuren fürs Büro gibt es auch einige No-gos, die dringend beachtet werden sollten. Eine wilde Lockenmähne oder stark toupiertes Haar sind im Büro fehl am Platz.“ Wer mit Locken gestraft ist, sollte darauf achten, dass nur „’sauber‘ gelocktes Haar (= ein perfekter Business-Look).“ getragen wird.

Glatte Haare hingegen sind „edel“, „sophisticated“ und – tata- „ein perfekter Office-Look“. Ich habe demnach, ohne es zu wissen, wohl das Glück gehabt, mit professionellen Haaren auf die Welt gekommen zu sein.

Viel häufiger liest man in der einschlägigen Lektüre auch von der Verwandlung von glatt zu lockig als andersherum. Die ist eine gern genommene Abwechslung – „am Abend, zum Weggehen, als entspannter Festivallook“ – und durchweg positiv betextet.

Wenn Frau ihre Haare hingegen glättet (also von lockig zu glatt geht), ist es nicht die Abwechslung, die sie treibt. Sie tritt mutig einem Defizit entgegen., hat zum Beispiel einfach „Keine Lust mehr auf widerspenstige Haare voller Frizz.“

Prompt kommen mir Filme und Serien in den Kopf, in denen sich Protagonistinnen vom hässlichen Entlein zum Schwan entwickeln. Verlässlicher Bestandteil jeder Transformation ist es, widerspenstige Haare in glatte, seidige Exemplare zu verwandeln. Und die Brille durch Kontaktlinsen zu ersetzen. In Plötzlich Prinzessin bricht in Anne Hathaways störrischem Haar sogar der Kamm ab. Und im Folgenden werden ihre Haare dann, zusammen mit ihrem Benehmen, auf Linie gebracht.

Locken, so scheint es, sind immer etwas unfertig, ein work in progress sozusagen.

Ihre positiven Assoziationen, Jugend und Wildheit, sind schön und gut. Aber auch etwas, was man aufzugeben scheint, wenn man erwachsen wird. Oder professionell in Büros arbeitet. Und dann nur noch für die Abendverabredung oder den Festivalbesuch rausholt.

Am Ende ist man als klassische Businessfrau dann in der medialen Repräsentation (und häufig auch im echten Leben) bei etwas angekommen, was aussieht wie die Haare von Maria Furtwängler. Die eigene Identität ist maximal noch eine leichte Innenwelle.

Ganz schön traurig. Denn abgesehen davon, dass die Vermischung von bestimmten äußeren Attributen und professionellem Auftreten sowieso bescheuert ist, schließt diese Einordnung von glatt/seidig/aufgeräumt und lockig/wild/chaotisch/durcheinander viele aus. Wir müssen uns nur umschauen, mit wem wir zusammen leben, um zu wissen, dass es in Zukunft noch viel mehr Ringel, Locken und Korkenzieher geben wird. Wenn wir die Transformation mit Glätteisen und Chemie so positiv belegen, dann sagen wir auch, dass wir es nur aalglatt wollen. In allen Belangen. Dass nur eine bestimmte Art Haare mit den entsprechenden Menschen dran in unsere Büros gehört. Ich lebe lieber in einem Land, indem man sein Ich und seine Haare mit Stolz tragen kann.

Foto: flickr – Shannon – CC by 2.0

Erwachsen

Als wir uns trafen, sagtest du: „Mann, was sind wir erwachsen geworden.“ Ich war irritiert, weil mir der Gedanke nicht gekommen war, darüber nachzudenken, ob ich das wäre oder wann ich es sein würde.

Vielleicht weil ich das Erwachsensein nie herbeigesehnt habe. Keine träumerischen Momente im Jugendzimmer, in denen ich mir ausmalte, wie es sein würde, wenn ich die mystische Schwelle überschreite. Was wäre der Bezugspunkt meiner Sehnsüchte gewesen? Alles zu dürfen, allein zu entscheiden, alle Antworten zu kennen?

Das Erwachsensein nicht Kontrolle bedeuten würde, war mir klar. Erwachsensein ist zu verstehen, dass man nicht alle Antworten kennt und trotzdem Pläne zu machen, sich führen zu lassen und selbst zu leiten. Statt Allmacht ist Erwachsensein doch vielmehr zu wissen, dass man vieles nicht beeinflussen kann. Vielleicht ist genau das die Veränderung, die wir „erwachsen werden“ nennen. Die Einsicht, dass man selbst nicht das Wichtigste ist. Die eigenen Wünsche und Entscheidungen nicht das Maß aller Dinge.

Dein Satz hat etwas ausgelöst. „Erwachsen“ ist keine meiner Selbstbezeichnungen, aber meine Freunde werden 40. Ich habe nicht den Eindruck, besonders umsichtig oder organisiert zu sein, aber man sagt mir, dass ich viel bewältige. Ich denke nicht darüber nach, ob ich noch jung bin. Aber wenn ich mit Menschen um die 20 rede, merke ich, dass ich nicht mehr dazugehöre.

Wieso geht mir dein Satz im Kopf herum? Weil Erwachsensein bedeutet, dass das Leben voranschreitet. Dass dir eigentlich noch so viel Zeit bleibt, aber vielleicht auch nur so wenig. Aber ich habe keine Angst vor der Endlichkeit. Ich wälze mich nicht schlaflos hin und her, weil ich überlege, was ich zurücklassen werde: welche Bedeutung, welchen Unterschied, welchen Sinn.

Ich bin glücklich mit diesem Leben, ich trauere nicht um Freiheiten, Chancen oder Spontanität, die gegangen sind. Ich tausche sie gern ein.

Es gibt nichts, was ich am Kindsein, an der Jugend, vermisse. Naivität, Unbedarftheit, die Gewissheit, einfach zusammenbrechen zu können und getröstet zu werden, wenn die Welt einstürzt, haben ihre Zeit. Auch Kindsein war manchmal beängstigend. Heute weiß ich, dass die Welt nicht zusammenbricht, wenn er dich nicht zurück liebt oder sie dich meidet. Ich schaue auf die Jahre und möchte sie nicht wiederhaben. Ich freue mich an meiner heutigen Stärke.

Ich denke über deinen Satz nach, weil du recht hast. Wir sind erwachsen und schon ein bisschen alt. Ich erinnere mich häufig an die Welt, wie sie war. Nicht mehr nur daran, wie sie ist. Ich war irritiert, weil ich dachte, es wäre negativ. Weil es klang, als hätte ich etwas verloren, ohne es bemerkt zu haben. Als hätte die Zeit mich ohne meine Einwilligung neu geformt. Aber ich glaube, was du sagen wolltest, ist, dass wir uns verändert haben. Und dass wir stolz auf das sein können, was wir geworden sind.

Foto: flickr – -Ant – CC by 2.0

Nur weil ihr es sagt, muss ich meinen Körper noch lange nicht lieben

Körpernormen und Schönheitsideale sind allgegenwärtig. Und es gibt den Versuch einer achselzuckenden Leichtigkeit, die diese Ideale ad absurdum führen will. Auch hier im makellosmag. Ich freue mich über diesen sehr persönlichen Gastbeitrag. Er zeigt, wie verdammt schwer das Weglächeln sein kann. Die Autorin möchte anonym bleiben. 

Ich war immer mollig. Mit 16 entschloss ich mich, Vegetarierin zu werden und verlor ein bisschen Gewicht. Ich dachte mir, wenn ich schon ein paar Kilo runter habe, kann ich auch eine Diät machen. Also machte ich eine Diät. Es war eine ordentliche Diät, denn ich wusste viel über Ernährung. Seit ich 12 war, ging ich regelmäßig zu einer Ernährungsberaterin. Meine Mutter hatte damals entschieden, dass es eine gute Sache für mich wäre. Ich bin ihr dankbar dafür. Sie hat mich immer akzeptiert, wie ich war und war damit einer der wenigen Menschen, der das tat, als ich 12 war. Weiterlesen