Ich glaube an die Liebe. An die romantische Liebe. Der Satz ist geschrieben und ich fühle mich, als hätte ich eine ziemlich radikale Aussage getätigt. Dieses Gefühl ist nicht unbegründet. Denn ich bin nicht mehr 12 und denke bei meinem Bekenntnis nicht an Justin Bieber. Das macht mich ein wenig verdächtig – der Träumerei, der Weltabgewandtheit, mindestens aber der Naivität. An die romantische Liebe zu glauben, womöglich an eine heterosexuelle Partnerschaft, die bis ans Ende der eigenen Tage dauert, das macht heute keine mehr, die bei Verstand ist. Die, die die Fakten kennt. Männer könnten sich diese Verklärtheit leisten, aber sie meinen wir nicht. Ist die romantische Liebe doch ein Konstrukt, welches für Frauen bestimmt ist.
Ein Paradoxon ist das. Die Welt um uns herum scheint uns jeden Tag zu lehren, dass sich die Liebe dem Hass schon lange geschlagen gegeben hat. Was wir wahrnehmen, lässt uns an vielem zweifeln. Auch an der Liebe. Und doch erlernen wir die romantische Liebe von klein auf. Auf dem Spielplatz witzeln Mütter über 3jährige, die vielleicht einmal heiraten. Alle Mär(d)chen suchen nach ihrem Happy End. Irgendwo da draußen ist er, der Seelenverwandte. Jahrelang wird die Spannung aufgebaut. Vielleicht passiert es in diesem Jahr, in diesem Sommer, dass dich endlich ein Junge wahrnimmt. Und vielleicht ist es der Eine. Die romantische Liebe ist der Eckpfeiler der obligatorischen Mann-Frau-Beziehung.Ein patriarchalischer Trick. Als finanzielle und soziale Abhängigkeiten Frauen nicht mehr geradewegs in die Ehen drängten – vom Dach des Vaters unter das des Ehemannes – als andere Optionen möglich wurden, da wurde sie zum Back-Up Plan für die „richtige“ Wahl. Die Idee, dass dort draußen ein Mann für uns alle ist, der uns lieben wird, uns beschützt und sich um uns kümmert. Warum also etwas anderes wollen und wählen? Das Konzept ist kein Unschuldiges. Wer kann es Frauen verdenken, diese Liebe verzweifelt zu suchen, die wir als so wertvoll anerkennen? Und an ihrem Bild festzuhalten, auch wenn die Leinwand längst zerrissen ist: „Das tut er, weil er mich liebt.“ – wie oft gehört in Gewaltbeziehungen.
Kann man die List kennen und die destruktiven Seiten einfach von sich weisen? Ich will die Liebe nicht aufgeben. Und ich will nicht zweifeln. Ich kenne die warnenden Zeigefinger. Hinter den Ehen stehen die Scheidungen, hinter den Beziehungen der Betrug. Für sich selbst da sein, das ist wichtig, an sich selbst zuerst zu denken. Bloß nicht in einer Partnerschaft zu sehr aufgehen, sich verlieren. Denn das drohende Ende steht immer im Raum. Und alle Zahlen sprechen gegen dich. Die Realität kann man nicht ausblenden. Nicht, wenn man bei Sinnen ist.
Dabei ist Liebe nicht nur ein Gefühl, nicht nur Leidenschaft und schlaflose Nächte. Sie ist auch Freundschaft, Vertrauen und füreinander da sein. Sie mag ein Glücksspiel sein. Aber kein Glücksspiel funktioniert ohne Einsatz – ohne persönlichen Einsatz, ohne Risiko. Wieso fällt es uns leichter freundschaftliche Liebe zu feiern, offen zu hoffen, dass sie immer bestehen bleibt als bei der romantischen Liebe? Wer ihr zu sehr verfällt, die lebt gefährlich. Im 19. Jahrhundert warnte man vor den Folgen des übermäßigen Lesens von Liebesromanen. Wer sich hier verlor, sponn eigene Welten, entzog sich den vorgegeben Strukturen und drohte, der Kontrolle verloren zu gehen. Wer heute ins Risiko geht, ein Stück von sich selbst opfert, die Sicherheit des Nicht-Schmerzes, der Nicht-Trauer, der Nicht-Unwägbarkeiten nach einem möglichen Ende, die erkennt Realitäten nicht an, ist naiv und am Ende selbst schuld. Es liegt nicht viel Zeit zwischen uns und Emma Bovary.
Ich tue es trotzdem. Weil ich die Liebe kenne. Weil ich sie festhalten will. Und – ja – weil sie Risiken Wert ist. Ich werde sie nicht bereits bezweifeln, wenn sie in voller Blüte steht, sie nicht schmälern, nicht einschränken, nicht in ihrer Schönheit beschneiden, indem ich sie nur mit Zusätzen lebe: „Wir lieben uns, aber man weiß eben nie, wie lange das hält.“ „Jetzt stehen wir zueinander, aber das kann sich alles schnell ändern.“ „Pass nur auf, wenn…“
Ich vertraue mir und der Liebe. Sie wird mich nicht blind machen aber auch nicht zaghaft. Liebe ist auch eine Entscheidung. Wir sollten ihr das gestatten, was andere Entscheidungen auch dürfen. In einem Moment ganz und gar wahrhaftig zu sein. Das Versprechen einer guten Entscheidung – für immer. So bleibt uns eine Gewissheit, selbst wenn wir scheitern. Die, ganz gelebt zu haben. Das ist klug. Vielleicht klüger als jedes Vorbauen für den möglichen Ernstfall.
Foto: flickr – Štěpán’s experimental’s – CC by 2.0
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Schöner Text.
Sehr schöner Artikel! Besonders der letzte Satz spricht mir aus dem Herzen. Ich bin auch so eine! Obwohl ich mich nicht als romantisch bezeichnen würde. Die Große Liebe leben und Romantik sind meiner Erfahrung nach zwei ziemlich verschiedene Paar Schuhe!
Genau das meinte ich auch mit „Liebe ist eine Entscheidung.“ – ich glaube auch, dass ein bisschen Arbeit immer mit dazu gehört.
Du hast so recht! Warum nur wird der glaube an die ewige, romantische Liebe momentan mit Infantilität und Naivität gleich gesetzt? Klar, es gibt hohe Scheidungsraten, aber eben auch die Paare, die aus Liebe für immer zusammen bleiben – nicht nur aus Gewohnheit oder Verpflichtung.
Nur eines stimmt nicht: Wir Frauen brauchen und suchen mitnichten jemanden, der uns beschützt. Das können wir ganz alleine. Wir suchen einfach nur jemanden zum lieben, jemanden, neben dem wir mit einem Lächeln aufwachen.
Sehe ich genauso mit dem Beschützen, meinte ich auch nur als Beschreibung der Idee. Aber sich auch mal vor mich stellen, wie in Freundschaften auch, das erwarte ich schon.
Sehr interessanter Text, der sich viel mit meinen Gedanken trifft. Ich frage mich nur – geht das eine ohne das andere? Kann man an die Liebe glauben ohne automatisch naiv und blind zu sein. ich glaube nicht, aber man nimmt es dann an, wie du schreibst, als Risiko (obwohl man ja da dann doch das Ende wieder mitdenkt)
Ja, da ist was dran.
Recht bodenständig sehe ich diese Sichtweise als Mann. Diese romantische Vorstellung der Liebe… ich glaube so manch eine junge Frau die das heraufbeschwören will, sieht sich als vor der Liebe andeter privilegiert romantisch zu sein. Das behindert doch Liebe. Desweiteren bezweifle ich das Romantiker die tatsächlich Romantik erfahren entweder gar nicht wahrnehmen oder sogar den Mut nicht haben dem entgegen zu schreiten. Als Mann wage ich es zu behaupten „Ich kann Romantik bieten, doch ich zweifle daran das sie diese zurückgeben kann. Was tue ich? Die Rolle des Romeos einstweilig zu begraben.“ Und ganz ehrlich… Ist die Romantik nicht damit verbunden die Liebe als Erlösung zu leben nach einer schmerzhaftenn Tragödie? Verzichten wir doch auf den Schmerz.
Frei nach R. Willemsen: „Die Feier des Augenblicks ist der Versuch, der Erde verhaftet zu bleiben. Ich zitiere gerne den Satz: ‚Eigentlich hatte ich ein wunderschönes Leben, leider habe ich es zu spät gemerkt.‘ Ich will es rechtzeitig merken.“ In diesem Sinne, lass dich nicht von den Dogmen der Gescheiterten verleiten ;)
okeyy :-)