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Ich habe die Studie zu Regretting Motherhood gelesen. Wenn ich mir die Artikel dazu anschaue, war ich wohl die Einzige.

„Mutter sein heißt, kleine Atemzüge hören und leichte Herzschläge, scharfäugig werden wie ein Tier des Waldes für alle Gefahren, mutig sein im Stillen wie kein lauter Mann in Waffen, schaffen mit allem Blut, das einem gegeben ist, über sich hinauswachsen in allen Fähigkeiten des Wachens, Hungerns, Liebens und Handelns, vor allem aber sorgen. Mutter sein heißt, in Sorgen glücklich sein.“

Jean-Jacques Rousseau, Emile

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Uff. Über 250 Jahre alt ist das Zitat und scheint trotz veralteter Sprache erstaunlich aktuell. Mutter sein heißt Mutter sein – mit Haut und Haar, mit Blut und Schmerzen. Nicht weniger aber vor allem nicht mehr. Mutter, nicht Frau, nicht Geliebte, nicht Geschäftsführerin, nicht Gott-weiß-was. Es gibt keine doppelte Identität neben der Mutter. Dass das nicht besonders viel Spaß macht, war Rousseau bereits damals klar, „in Sorgen glücklich sein“. Sorry, mehr ist nicht drin. Weiterlesen

Fahrradgesicht oder Seid einfach keine Idioten (m/w)

Heute ist der Tag der großen Essays. Aber es will mir nicht gelingen. Ich überlege, woran es liegen könnte. Wer sind die Frauen und was wollen sie? Eine Frage, die 1999 n.Chr. schon die große Philosophin Christina Aguilera nur vage stellte: What a girl wants, what a girl needs nanana, lalala, something, hm…Was „was“  ist, bleibt im Dunkeln. Auch wenn wir uns inzwischen vom Sony Discman zum iPhone vorgearbeitet haben, klingt die Frage auch im neuen Jahrtausend noch in den Ohren.

Aber das ist es nicht. Frauen mögen keine homogene Masse mit gemeinsamen Wunschzettel sein. Aber es fällt genug ein, was man auf den Forderungskatalog setzen könnte: Sexualstrafrecht, Equal Pay, Care Arbeit, humane Arbeitskultur, steuerliche Förderung von Kindern und nicht der Ehe. Was ich eigentlich schreiben will, hat wahrscheinlich einfach wenig mit Feminismus zu tun. Oder ganz viel. Ich will schreiben: Wir sollten alle rücksichtsvoller und netter zueinander sein. Nun kommt man sich kindisch vor, wenn man solche simplen Tatsachen aufschreibt. Ich selbst scheitere täglich an dieser Mission. Ich will manchmal nicht reden, obwohl ich weiß, dass jemand meine Worte braucht. Ich sehe einen Geburtstag auf Facebook aber gratuliere einfach nicht. Ich gebe nicht immer etwas für den, der auf der Straße sitzt und die Hand aufhält, obwohl ich danach einen überteuerten Kaffee kaufe. Ich sage gemeine Dinge über andere ohne wirklichen Grund. Ich habe Menschen schlecht behandelt und ihre Verletzlichkeit nicht respektiert.

Ich sollte also keine Ratschläge geben. Und doch denke ich, dass ein paar Dinge unsere Tage einfacher gestalten würden. Wir könnten zum Beispiel aufhören, andere im Straßenverkehr zu beschimpfen. Wir könnten keine Witze mehr machen, bei denen die Pointe auf Kosten von Schwächeren geht. Wir könnten versuchen, falsche Wörter zu verlernen und zuzuhören, welche anderen wir benutzen können. Wir könnten Menschen und die Pronomen, mit denen sie gern bezeichnet werden, respektieren. Es tut nicht weh zu hinterfragen, ob Verhaltensweisen, die man mit 14 hatte, noch die richtigen sind.

Wenn jemand von meinen Worten oder Taten verletzt wurde, will ich nicht sofort in die Defensive gehen. Wenn ich etwas sehe, dass mich beunruhigt und ich mich sicher genug fühle, will ich nachfragen, ob alles ok ist. Wenn ich mich nicht sicher genug fühle, will ich Hilfe rufen. Ich will rückwärtsgewandte Einstellungen konsequent hinterfragen, ob sie von Freunden kommen oder von Menschen, die in einer Machtposition mir gegenüber sind. Ich will lächeln, wenn ich lächeln will. Und nur dann. Ich will Menschen vergeben, die mich verletzt haben. Ärger und Verbitterung sind schlechte Ratgeber. Ich will niemanden verletzen, um das Machtgefälle wieder auszugleichen. Ich will anerkennen, dass die Gedanken von Menschen unterschiedlich sind. Manche kann ich unglaublich leicht nachvollziehen und andere bleiben mir sehr fremd. Ich will mir dessen bewusst sein, wenn ich bewerte.

Symbolträchtige Tage fragen gern nach historischen Rückschauen. Ich denke an das Fahrradgesicht. Die Erfindung des Fahrrads bedeutete mehr weibliche Freiheit, eine neue Dimension von Mobilität. Die Rocksäume rutschten höher für mehr Beweglichkeit und definierten Mode und Frausein neu. Da erschreckte sich das Patriarchat ganz außerordentlich über die neuen Aussichten: Frauen mit mehr Freiheit und freien Knöcheln. Also tat das Patriarchat, was es am Besten kann. Es erinnerte sich, dass es doch eigentlich selbst am Besten wußte, was gut für Frauen – insbesondere für ihre Gesundheit – war. Und warnte eindrücklich davor, dass Wind, Anstrengung und notwendige Konzentration beim Radfahren die Gesichtsknochen hervorquellen lassen und damit das wertvolle weibliche Gesicht zerstören. Natürlich in der Annahme, dass Frauen sich hauptsächlich Sorgen um die Erhaltung ihres Aussehens machen. Wer über die Historizität lächelt, kann kurz überlegen, was heute für ein frisch-jugendlich-stressfreies Gesicht getan werden sollte.

Die neu erfundene Krankheit hatte nicht lange Zeit, sich auszubreiten. Fahrradfahren wurde schnell in der britischen upper class populär und damit vollständig akzeptiert. Aber ein bisschen durfte sie um die Jahrhundertwende grassieren und zeigt, was noch vor Kurzem Wissenschaft war, kann im nächsten Moment zur Absurdität werden. Es gibt ihn nicht, den schnellen Weg zur Gleichheit. Aber nicht selten kommt etwas in Bewegung.

Die ersten Fahrräder, mit einem Rad, das viel größer war als das andere, fuhren eine Weile ganz gut. Aber irgendwann kam man darauf, dass es unpraktisch war – und lächerlich aussah. Man beschloss, wenn man tatsächlich schnell und sicher in die richtige Richtung wollte, mussten alle Räder die gleiche Größe haben.

Was will ich also zum 8. März schreiben? Seid keine Idioten. Denkt an das Fahrradgesicht. Und die gleich-großen Räder.

Foto: Pinterest 

Mutti taugt grad so zum Vorbild…oder Bat Girl, die ist heiß!

Anfang Februar rief Lina von Notes to herself  zu einer Blogparade auf, in der sie fragte: Welche Frauen bewundert ihr? Der Post spukte mir eine ganze Weile im Kopf herum und nachdem ich Sybille Bergs Kolumne vom vorvorletzten Sonntag gelesen hatte, wusste ich wieso. Lina hatte in ihrem Aufruf eher beiläufig geschrieben:

(Pssst: Über Beiträge von Männern freue ich mich sehr!).

Sybille Berg schrieb in ihrem Text:

„Dabei fällt mir gerade ein: Gibt es eigentlich Männer, die auf die Frage, auch nur die innere, nach einem Vorbild eine Frau nennen würden? Na, denken sie mal darüber nach.“ 

Gute Frage: Haben Männer weibliche Vorbilder? Da drängt sich die Gegenfrage auf: Warum sollten Männer keine weiblichen Vorbilder haben? Wieso sollten sich bei Frauen keine Eigenschaften finden lassen, die Männer bewundern und nachahmenswert finden?

Ich schob also eine kleine Recherchefragestunde mit echten Männern ein und las ein bisschen beim Welterklärdienst reddit. Weiterlesen

Eine Umarmung für die romantische Liebe

Ich glaube an die Liebe. An die romantische Liebe. Der Satz ist geschrieben und ich fühle mich, als hätte ich eine ziemlich radikale Aussage getätigt. Dieses Gefühl ist nicht unbegründet. Denn ich bin nicht mehr 12 und denke bei meinem Bekenntnis nicht an Justin Bieber. Das macht mich ein wenig verdächtig – der Träumerei, der Weltabgewandtheit, mindestens aber der Naivität. An die romantische Liebe zu glauben, womöglich an eine heterosexuelle Partnerschaft, die bis ans Ende der eigenen Tage dauert, das macht heute keine mehr, die bei Verstand ist. Die, die die Fakten kennt. Männer könnten sich diese Verklärtheit leisten, aber sie meinen wir nicht. Ist die romantische Liebe doch ein Konstrukt, welches für Frauen bestimmt ist.

Ein Paradoxon ist das. Die Welt um uns herum scheint uns jeden Tag zu lehren, dass sich die Liebe dem Hass schon lange geschlagen gegeben hat. Was wir wahrnehmen, lässt uns an vielem zweifeln. Auch an der Liebe. Und doch erlernen wir die romantische Liebe von klein auf. Auf dem Spielplatz witzeln Mütter über 3jährige, die vielleicht einmal heiraten. Alle Mär(d)chen suchen nach ihrem Happy End. Irgendwo da draußen ist er, der Seelenverwandte. Jahrelang wird die Spannung aufgebaut. Vielleicht passiert es in diesem Jahr, in diesem Sommer, dass dich endlich ein Junge wahrnimmt. Und vielleicht ist es der Eine. Die romantische Liebe ist der Eckpfeiler der obligatorischen Mann-Frau-Beziehung.Ein patriarchalischer Trick. Als finanzielle und soziale Abhängigkeiten Frauen nicht mehr geradewegs in die Ehen drängten – vom Dach des Vaters unter das des Ehemannes – als andere Optionen möglich wurden, da wurde sie zum Back-Up Plan für die „richtige“ Wahl. Die Idee, dass dort draußen ein Mann für uns alle ist, der uns lieben wird, uns beschützt und sich um uns kümmert. Warum also etwas anderes wollen und wählen? Das Konzept ist kein Unschuldiges. Wer kann es Frauen verdenken, diese Liebe verzweifelt zu suchen, die wir als so wertvoll anerkennen? Und an ihrem Bild festzuhalten, auch wenn die Leinwand längst zerrissen ist: „Das tut er, weil er mich liebt.“ – wie oft gehört in Gewaltbeziehungen.

Kann man die List kennen und die destruktiven Seiten einfach von sich weisen? Ich will die Liebe nicht aufgeben. Und ich will nicht zweifeln. Ich kenne die warnenden Zeigefinger. Hinter den Ehen stehen die Scheidungen, hinter den Beziehungen der Betrug. Für sich selbst da sein, das ist wichtig, an sich selbst zuerst zu denken. Bloß nicht in einer Partnerschaft zu sehr aufgehen, sich verlieren. Denn das drohende Ende steht immer im Raum. Und alle Zahlen sprechen gegen dich. Die Realität kann man nicht ausblenden. Nicht, wenn man bei Sinnen ist.

Dabei ist Liebe nicht nur ein Gefühl, nicht nur Leidenschaft und schlaflose Nächte. Sie ist auch Freundschaft, Vertrauen und füreinander da sein. Sie mag ein Glücksspiel sein. Aber kein Glücksspiel funktioniert ohne Einsatz – ohne persönlichen Einsatz, ohne Risiko. Wieso fällt es uns leichter freundschaftliche Liebe zu feiern, offen zu hoffen, dass sie immer bestehen bleibt als bei der romantischen Liebe? Wer ihr zu sehr verfällt, die lebt gefährlich. Im 19. Jahrhundert warnte man vor den Folgen des übermäßigen Lesens von Liebesromanen. Wer sich hier verlor, sponn eigene Welten, entzog sich den vorgegeben Strukturen und drohte, der Kontrolle verloren zu gehen. Wer heute ins Risiko geht, ein Stück von sich selbst opfert, die Sicherheit des Nicht-Schmerzes, der Nicht-Trauer, der Nicht-Unwägbarkeiten nach einem möglichen Ende, die erkennt Realitäten nicht an, ist naiv und am Ende selbst schuld. Es liegt nicht viel Zeit zwischen uns und Emma Bovary.

Ich tue es trotzdem. Weil ich die Liebe kenne. Weil ich sie festhalten will. Und – ja – weil sie Risiken Wert ist. Ich werde sie nicht bereits bezweifeln, wenn sie in voller Blüte steht, sie nicht schmälern, nicht einschränken, nicht in ihrer Schönheit beschneiden, indem ich sie nur mit Zusätzen lebe: „Wir lieben uns, aber man weiß eben nie, wie lange das hält.“ „Jetzt stehen wir zueinander, aber das kann sich alles schnell ändern.“ „Pass nur auf, wenn…“

Ich vertraue mir und der Liebe. Sie wird mich nicht blind machen aber auch nicht zaghaft. Liebe ist auch eine Entscheidung. Wir sollten ihr das gestatten, was andere Entscheidungen auch dürfen. In einem Moment ganz und gar wahrhaftig zu sein. Das Versprechen einer guten Entscheidung – für immer. So bleibt uns eine Gewissheit, selbst wenn wir scheitern. Die, ganz gelebt zu haben. Das ist klug. Vielleicht klüger als jedes Vorbauen für den möglichen Ernstfall.

Foto: flickr – Štěpán’s experimental’s – CC by 2.0