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Sind wir fies und gemein wegen Monopoly?

Fragst du dich manchmal, wieso du dich mies verhälst, obwohl du eigentlich ein netter Mensch sein willst? Es könnte daran liegen, dass du in den 90ern Kind warst. Ich hatte zu dieser Zeit eine Freundin und zu dieser Freundin gehörte eine Familie. Die Familie war eigentlich von der entspannten Sorte. Sie verstanden sich gut und räumten abwechselnd die Spülmaschine ein und aus. Meistens war das Leben dort ruhig und alle ziemlich gelassen. Die scheinbare Idylle konnte aber sofort gebrochen werden, denn die Familie hatte eine gemeinsame Abhängigkeit: stunden – ja – tagelanges Monopoly.

In einer, nun sagen wir mal, kämpferisch-angespannten Atmosphäre. Ganz egal, wie liebevoll sie unter der Woche miteinander waren, am Freitagabend mutierten sie zu schonungslosen Konkurrent*innen angesichts der unerschöpflichen Möglichkeiten der Geldvermehrung. Weiterlesen

Vorgefertigte Muster brechen ist klasse. – Miss Booleana ist Softwareentwicklerin

Marissa Mayer, erste weibliche Informatikerin bei Google und heutige Vorstandsvorsitzende von Yahoo, erzählt in einem Interview eine Anekdote. In ihrem Kurs an der Standford University war sie die einzige Frau und las in der Unizeitung über „Campustypen“. Der Artikel sprach von der „blonden Frau im Informatikmaster“ und die blonde Mayer überlegte: „Mhm, die müsste ich doch kennen.“ Sie selbst war gemeint. Mayer erzählt die Geschichte, um zu illustrieren, dass sie ihre Sonderstellung nie groß reflektiert hat.

Auch Stefanie, die auch auf Miss Booleana bloggt, war in ihrem Jahrgang die einzige Frau in „Angewandte Informatik“. Im Gegensatz zu Marissa Mayer hat mir die heutige Softwareentwicklerin aber ein tolles und sehr reflektiertes Interview über eine Sonderposition gegeben, die eigentlich keine sein sollte. 

Ihr Start in die Computertechnik war zunächst holprig, wie sie selbst sagt. Als Teenager war sie fast die Letzte ohne Computer und musste eine ganze Weile darauf sparen. Irgendwann war das Geld da und als das erste Programm lief, fühlte sie sich „als wäre ein Licht angegangen.“ Und wusste: „Das will ich machen.“

Nicht jede, die einen Computer hat, setzt sich aber zum Programmieren daran. Den Grundstein hatte die Schule gelegt. Deshalb ist Stefanie auch heute davon überzeugt, dass Informatik möglichst früh in den Stundenplan gehört – damit Jungen wie Mädchen die Chance bekommen zu merken: „Das wäre etwas für mich.“ Insbesondere Mädchen brauchen aber viel früher auch die Botschaft, „dass sie auch Naturwissenschaft und Technik können“. Stefanie ist überzeugt, MINT-Initiativen sind da nur ein Baustein, denn:

„Wenn das verpasst wurde und Mädchen drauf gedrillt werden, etwas anderes zu machen, dann erreicht sie wahrscheinlich auch kein Girls Day. Dann fahren die Eltern sie dort gar nicht erst hin und die Chance bleibt ungenutzt. Und, wer Frauen in dem einen Bereich fördert, muss auch Männer in den anderen Bereichen fördern, beispielsweise im sozialen Sektor.“

An die ersten Programmierversuche schloss sich bald das Studium an. Wie man sich fühlt, beinahe allein unter Männern zu sein und welche Klischees über Frauen in der Informatik ihr begegnet sind, habe ich auch gefragt.

Sind dir Vorurteile begegnet und welche haben dich besonders geärgert? 

„An der Uni habe ich Vorurteile gegenüber Frauen öfter zu spüren bekommen, zumindest von Kommilitonen. Gleich am ersten Tag haben ältere Studierende gesagt: „Mal sehen, wie lange du dabei bist“. Deren Erfahrung war, dass Frauen es nicht geschafft haben und früher oder später wegen irgendwelcher Matheprüfungen rausgeflogen sind. Das hört man natürlich am ersten Tag gern. Auch ich war nicht so super gut in jeder mathematischen Disziplin und bin ein Mal durch eine Matheprüfung gefallen. Aber in Programmierung hatte ich fast immer meine Eins vor dem Komma. Irgendwann haben die Kommilitonen es dann begriffen, dass ich klarkomme und die Sprüche und Vorbehalte hatten ein Ende. Es ist ein verdammt gutes Gefühl, wenn dir mancher männliche Kommilitone eine kurze Laufbahn an der Uni vorhersagt, weil du ein Mal durch Mathe durchgefallen bist und dann hast du als Erste deine Bachelorarbeit verteidigt. Natürlich hatte ich aber auch gute Freunde während des Studiums, die mich auch von Anfang an normal behandelt haben und mir das Gefühl gegeben haben, dazuzugehören. Ich denke, dass diese Begegnungen im Studium auch Männer wachsen lässt. Als Sonderling habe ich mich aber oft gefühlt. Manchmal auf eine gute Art, wenn die Professoren die Vorlesung eröffnet haben mit „Sehr geehrte Herren und sehr geehrte Dame“.“

Wie ging es dir mit der Sonderrolle als Frau? 

„Man wird wahrgenommen und spürt das auch, das kann sehr cool sein. Anfangs war es auch schön, wenn Leute mich gelobt oder ermutigt haben, Informatik zu studieren.

Dann gibt es aber auch andere Situationen, wenn die Leute einem das Gefühl geben, dass man etwas macht, für das man nicht geschaffen ist: „Das finde ich ja super, dass du das machst. Gerade du als Frau.“ Das klingt nur in der ersten Sekunde wie ein Lob, hinterlässt dann aber einen faden Beigeschmack. Es lässt das Thema „Frau in der IT“ so klingen, als ob man eine Behinderung hätte, die es einem unmöglich macht, zu programmieren. Viele Leute merken nicht mal, was für eine Botschaft da mitschwingt und meinen es vermutlich auch nicht böse.

Für Männer ergeben sich auch einige seltsame Erscheinungen aus dieser Sonderrolle der Frau. Niemand klopft den IT-Männern auf die Schulter und sagt „Finde ich klasse, dass du das machst.“ Bekommen die Frauen zuviel Aufmerksamkeit oder werden zu vehement gefördert, ist es nur natürlich, dass sich die Männer fragen: „Und was ist mit mir?“.“


Inzwischen arbeitet Stefanie als Java-Entwicklerin. Wenn man sie fragt, was sie macht, merkt man sofort ihre große Leidenschaft. Auch wenn mir manche Begriffe nicht viel sagen, spannend klingt ihr Job auf jeden Fall. Wie es mit der Geschlechterverteilung in der Branche bestellt ist und wie sie die Wichtigkeit weiblicher Vorbilder einschätzt, lest ihr hier.

Wie siehst es bei deinem jetzigen Job aus?

„Im Berufsleben habe ich bisher keine Kollegen oder Kunden getroffen, die mich diskriminiert hätten oder die noch mit solchen kindischen Vorurteilen um die Ecke kommen. Die Zahlen, die man in den Statistiken liest und von den Medien eingetrichtert bekommt, hauen aber in etwa hin. Traurigerweise. Betrachte ich die Firma, in der ich arbeite, so sind vielleicht ein Fünftel der Kollegen Frauen. Und das schließt die Frauen ein, die im Personalbüro arbeiten. Ich habe mich oft gefragt, wie das zustande kommt und kann mir nur erklären, dass es an der Gesellschaft liegt und dem Frauenbild, das vermittelt wird. Frauen werden nicht vorrangig mit technischen Berufen verbunden. Es scheint außerdem nicht attraktiv genug zu sein, Informatikerin zu werden. Das typische Nerd-Klischee hilft dabei auch nicht unbedingt.“

Gibt es eine besondere Solidarität unter Frauen in der Techbranche?

„Die Solidarität ist da und auch wichtig. Solange Frauen in der Minderheit in dem Feld sind, braucht man manchmal jemanden, mit dem man sich austauschen kann. Insbesondere, wenn man tatsächlich mal seltsam behandelt wurde. Der andere denkt sich vielleicht nicht mal was dabei, die Betroffene ist aber meist aufgewühlt. Jeder braucht mal jemanden zum reden. Und manchmal braucht man eben jemandem zum reden, der schon mal in der Situation war.

Wir Frauen aus der Firma veranstalten ab und zu Frauenabende. Nicht mal unbedingt aus tiefschürfenden Gründen, sondern einfach weil wir es können. Wir passen zahlenmäßig in eine Kneipe oder Cocktailbar. Würden sich alle unsere männlichen Kollegen treffen, müsste man ein Audimax mieten.

Weibliche Vorbilder fehlen auch. Ab und zu wird über Ada Lovelace geredet. Während meines Studiums habe ich von Hedy Lamarr gehört. Aber was ist mit Pionierinnen wie der großartigen Grace Hopper? Ich weiß nicht warum und es kann sein, dass ich mich täusche und übertreibe, aber ich habe wirklich den Eindruck gewonnen, dass die Leistungen der Frauen auf dem Gebiet in der Geschichte klein gehalten wurden und auch heute nicht viel Aufmerksamkeit bekommen.“

Ich habe viel Neues erfahren und sage: „Danke, liebe Stefanie!“ Herzlich willkommen in der Kategorie coole Frauen.

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2016-03-18_small00Neues Futter für eure Blogleseliste: seit fünf Jahren gibt es Miss Booleana und es ist eine Menge Lesenswertes zusammengekommen. Stefanie schreibt über Filme und Literatur, Internet und Alltag. Sie sagt, sie hat ein Herz für Underdogs und das merkt man ihrem sehr klaren Blick an, der nicht davor zurückschreckt, Diskriminierungen zu benennen. Die Sache mit den fehlenden Frauen in der Informatikgeschichte nimmt sie auch selbst in die Hand und stellt in einer Serie einige von ihnen vor. Ach, und Stefanies Manga und Japanleidenschaft findet auch ihren Platz. Ihr müsst jetzt einfach selbst vorbeischauen, denn ich habe bestimmt die Hälfte vergessen.

Foto: flickr – Felix Nine – CC by 2.0

Die Europameisterschaft lässt mich kalt

Das Endspiel der 2006er Weltmeisterschaft verbrachte ich auf einer ziemlich leeren Autobahn. Ich hatte den ganzen Tag gearbeitet und war auf dem Nachhauseweg. Also hörte ich Fußball im Radio und fühlte mich ein bisschen wie im Wunder von Bern. 

Fußball hat mich immer schon eher so mittel interessiert. Länderspiele fand ich aber doch spannend oder zumindest so interessant, vielleicht sogar relevant, dass ich sie mir angeschaut habe. Dieses Mal aber, lässt mich Fußball komplett kalt. Mein Desinteresse hat sich auf meine Umwelt übertragen. Das Kind hat trotz Indoktrinierung im Kindergarten und festverankerter Sammelleidenschaft null Lust, die REWE Fußballkarten auszupacken. Obwohl wir das Album vermutlich schon voll hätten.

Es gab Zeiten, da bevölkerte ich enthusiastisch die Fanmeile. Heute ärgere ich mich nur über die Straßensperrung. Weiterlesen

Gastbeitrag: Seid nett zu Kellnerinnen

Sommer: Draußensitz- und Biergartenwetter. Passend dazu ein Gastbeitrag von Juliane. Ich freue mich, er ist toll.

Ich habe in meinem bisherigen Arbeitsleben sehr viele Restaurants gesehen. Manchmal muss ich innehalten und mir sagen, ist schon ok, weil ich kurz denke, dass ich mir etwas anderes suchen sollte. Es passiert auch, dass meine Eltern, Bekannte oder Freunde mir sagen, ich könnte doch etwas anderes machen, mit meinem Potential.

Ich beruhige mich damit, dass ich eben studiere, das Geld brauche und das Ganze bald vorbei sein wird. Wenn ich dann endlich einen richtigen Job habe. Im Grunde genommen, bin ich also Teil des Problems. Ich sehe diese Arbeit als eine Vorstufe zum richtigen Job, als eine niedrigere Vorstufe. Bei meiner ersten Kellnererfahrung sagte mir meine Kollegin, bei der ich mich bewarb: „Bist du sicher? Kellnern ist hart.“ Sie meinte nicht nur die körperlich wirklich anstrengende Arbeit.

Zwischen Servicepersonal und Gästen gibt es eine klare Hierarchie. Für Frauen und Mädchen ist der Wertschätzungsgraben noch einmal um Einiges tiefer. Manchmal ist es sehr dunkel da unten. Als Frau bist du hier am Besten charismatisch, schlagfertig und kompetent, aber natürlich auch möglichst gutaussehend und ein bisschen frech-flirty, wenn du noch das angemessene Alter hast. Um dann doch zurückgeworfen zu werden auf die da, die Sachen bringt. Ich habe bei der Berlinale Gäste bedient und in einem Brandenburger Landgasthof. Es gibt keinen Unterschied zu den Grundanforderungen und der teilweisen Behandlung.

Ich mag es, im Service zu arbeiten. Vermutlich auch, weil ich es mir aussuchen kann. Es gibt mir ein gutes Gefühl, zwölf Teller tragen zu können. Ich bin schon oft völlig erschöpft nach Hause gekommen, die Haare stinkend von dieser Mischung aus Essen, Alkohol und schlechter Luft und die Füße schmerzend. Und fand trotzdem, dass es ein guter Abend war. Aber es gibt diesen ganz bestimmten Menschenschlag, der nicht versteht, dass die Tatsache, dass du kellnerst nichts über deinen Bildungsgrad oder Persönlichkeit aussagt. Man sagt nicht umsonst, in der Dienstleistungsbranche sind Manieren so rar wie Gold. Man möchte meinen in Restaurants müsste es ein gewisses Maß an Respekt geben, mit dem dir begegnet wird. Immerhin habe ich ersten Zugriff auf dein Essen und deine Getränke. Schaut denn niemand diese Youtubevideos aus den Küchen von Burgerbratereien?

Am Schlimmsten sind die, die Freundlichkeit nicht einschätzen können. Ich lächele, weil es dazu gehört. In Restaurants geht es um Gastfreundschaft, ich will, dass du dich wohl fühlst. Weil niemand gern irgendwo isst und trinkt, wo die Leute eine Scheißlaune haben. Meine Freundlichkeit ist keine Einladung den mitteleuropäisch-üblichen Gesprächsabstand zu verkleinern oder mich anzufassen. Dass ihr Alkohol getrunken habt, ist übrigens die billigste und dümmste Ausrede. Den Abstand zu mir sollte ein Gast auch sonst aufrecht erhalten. Ich bin freundlich, aber ich möchte nicht darüber reden, wo ich wohne. Was ich nachher noch mache. Ich habe auch gar keine Zeit, denn ich arbeite. Du solltest auch nicht mit dem Finger nach mir schnippen, als wäre ich ein Hund. Genau so wenig ist deine Einschätzung, dass ich „Doch etwas ganz anderes machen könnte mit meinem Gesicht/Beinen/Was-auch-immer“ nett gemeint. Du degradierst mich damit nur und versuchst die Basis für einen plumpen Annäherungsversuch zu schaffen, der nicht auf Augenhöhe startet. Das funktioniert nicht.

Und du wertest damit meine Kollegen ab. Die Arbeit im Service hat mich Achtung vor deren Arbeit gelehrt. Sie arbeiten lange Stunden und bekommen oft nicht frei für lustige Aktivitäten wie Wochenende oder Feiertage. Um andauernd gastfreundlich zu sein, musst du dich ganz schön im Griff haben und zäh sein. Ich habe hier einige der ausgeglichensten und nettesten Menschen kennen gelernt, die mir bisher begegnet sind. Außerdem gibt es hier eine erstaunliche Gleichheit zwischen den Geschlechtern, soweit ich es kennen gelernt habe. Die gleiche Arbeit, gleiche Aufstiegschancen und wenn jemand sich auf der Toilette übergeben hat, müssen Männer wie Frauen sauber machen.

In den Jahren habe ich etwas gelernt: Die Grundlagen der freundlich-menschlichen Interaktion – Man kann es Manieren nennen, genau, das wovon deine Mutter immer geredet hat. – sind nicht weit verbreitet aber helfen eine Menge. Dir selbst und anderen.

Wenn ihr also das nächste Mal irgendwo esst, seid nett zu Kellnerinnen. Und Kellnern natürlich auch. Selbst wenn euer Steak kalt ist. Es geht, man muss es nur wollen.

Foto: flickr – Flapitou – CC by 2.0

Bessere Kinder, schlechtere Kinder

Jetzt sind wir alle empört. Natürlich zu Recht. Menschen regen sich über Bilder auf der Kinderschockoladeverpackung auf. Bilder von Kindern, die ihrer Meinung nach nicht deutsch genug aussehen. Kurz vor EM-Start kommt die Scho(c)kolade-Edition mit Kinderfotos der deutschen Nationalspieler. Die dürfen sich zwar bald wieder für Tore bejubeln lassen, aber irgendwie gehören Ilkay und Mesut doch nicht so richtig zu Deutschland. Was stimmt nicht mit denen, die sich aufregen, was ist das für eine Logik? Es gibt doch keine guten und schlechten Kinder!, entzürnen wir uns.

Unglaublich das Ganze. Ja, unglaublich. Und doch keine Überraschung. Kinder werden allerorten in bessere und schlechtere Versionen eingeteilt. Wer genau hinhört, bekommt von seiner Umwelt eine Menge Bewertungen geliefert. Weiterlesen