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Sind wir fies und gemein wegen Monopoly?

Fragst du dich manchmal, wieso du dich mies verhälst, obwohl du eigentlich ein netter Mensch sein willst? Es könnte daran liegen, dass du in den 90ern Kind warst. Ich hatte zu dieser Zeit eine Freundin und zu dieser Freundin gehörte eine Familie. Die Familie war eigentlich von der entspannten Sorte. Sie verstanden sich gut und räumten abwechselnd die Spülmaschine ein und aus. Meistens war das Leben dort ruhig und alle ziemlich gelassen. Die scheinbare Idylle konnte aber sofort gebrochen werden, denn die Familie hatte eine gemeinsame Abhängigkeit: stunden – ja – tagelanges Monopoly.

In einer, nun sagen wir mal, kämpferisch-angespannten Atmosphäre. Ganz egal, wie liebevoll sie unter der Woche miteinander waren, am Freitagabend mutierten sie zu schonungslosen Konkurrent*innen angesichts der unerschöpflichen Möglichkeiten der Geldvermehrung.

MonopolyMonopoly ist nicht als besonders rücksichtsvolles (oder pädagogisches) Spiel angelegt. Wie viele andere auch. Aber bei Monopoly scheint es noch etwas anderes zu sein. In meiner Erinnerung an diesen Spieleklassiker der Vornullerjahre gibt es nicht nur diese eine Familie. Ich habe einige menschliche Transformationen im Angesicht des Ostbahnhofes erlebt. Das Ablenken von Mitspielern, damit ihnen nicht auffällt, dass sie Geld eintreiben könnten, gehört fast zum Standardrepertoire. Und ist euch schon einmal aufgefallen, dass der, der die Bank ist, sehr selten verliert? Also, sehr, sehr selten. Eigentlich nie. Wie im richtigen Leben. Ich wurde auch Zeugin von Erpressungen, die Robert De Niro stolz gemacht hätten. Nicht selten reichten Animositäten bis in die Nichtspielewelt. Das für den nächsten Abend stehen gelassene Spielbrett konnte den ganzen Tag dazwischen verderben.

Ja, es ist nur ein Brettspiel. Aber eines, bei dem man schon sehr gern gewinnt. Die Theorien über die beste Strategie füllen Bücher. Was sind die besten Farben (Rot und orange? – Nein, zu teuer, lieber lila.) und das beste Vorgehen (Erst Straßen und dann Häuser bauen? – Nein, nein, erst auf einer Straße die Häuser bauen, dann die nächste). Wir wissen natürlich, dass Spiele immer etwas mit Glück zu tun haben. Es sei denn, man macht auf Robert De Niro. Und trotzdem denken wir, bei Monopoly besonders gut nachhelfen zu können. Vielleicht, weil es nah dran scheint am wirklichen Leben und wir auch dort gern denken würden: Wer sich im Wirtschaftsprozess klug verhält, dem wird das Glück schon hold sein. Und ein bisschen Verbissenheit kann auch nicht schaden. Was mich zurück zu deiner in der Jugend erworbenen Charakterschwäche führt.

Monopoly2Sozialpsychologe Paul Piff sagt dazu: „Das Gefühl von Überlegenheit, reich zu sein, auch wenn es nur für die Dauer einer Runde Monopoly ist, verändert unser Verhalten.“ Er beobachtete Spielverläufe, bei denen er einzelnen Mitspielern bewusst Vorteile verschaffte. Sie bekamen zusätzliches Geld, wenn sie ein bestimmtes Feld überquerten oder mehr Würfel als die anderen. Bereits nach 15 Minuten zeigten diese Spieler – Zitat – „dramatische Verhaltensänderungen“. Sie brachen am Häufigsten die Regeln und waren die Lautesten und Rücksichtslosesten am Tisch. Sie spielten Gemeinopoly. Ja, sie aßen anderen sogar die Snacks weg, die in der Mitte des Tisches standen. Ihre gierigen, kalten Augen wanderten ruhelos hin und her zwischen Salzbrezeln und Schlossstraße. Und das, obwohl sie bereits im Vorteil waren. Gut im Spiel zu sein, brachte ihnen keine wirkliche Befriedigung oder gar Spaß, sondern machte sie zu ruhelosen und ziemlich unangenehmen Zeitgenossen. Piffs These: Eigentlich im Vorteil zu sein und eine größere finanzielle Sicherheit führt auch im Nichtspieleleben dazu, dass wir weniger mit anderen kooperieren und unsere Empathiefähigkeit nachlässt. Das Spiel zeigt uns nur ein Verhalten, was sonst auch zu beobachten ist.

Und jetzt kommt das Schöne an der Sache. Genauso wie Monopoly bei den Meisten inzwischen in der Ecke verstaubt, bist du trotzdem kein willenloses Opfer deiner 90er-Jahre-Jugend. Bis auf die Tatsache, dass dein Fuß immer unweigerlich mit wippt, wenn im Radio Coco Jambo läuft. Du kannst dir nämlich vornehmen, diese in dich gepflanzten Impulse einfach im Schrank zu lassen. Wie das Spiel.

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Einen schönen Tipp, den ich gerade über Facebook bekam will ich euch nicht vorenthalten. Hier kann man die Entstehungsgeschichte des Spieles nachhören. Und erfährt, ursprünglich gab es zwei mögliche Regelsysteme – eines war weniger hart, aber die heutige Version gefiel besser.

Foto: flickr – Mike Mozart – CC by 2.0

6 Kommentare

  1. Monopoly habe ich selten gespielt, aber das ebenso rücksichtslose Mobbingspiel Mensch-äger-dich-nicht. Diebisches Gelächter wenn man den anderen rauskickt, Freude daran andere zu überrunden, Häme. Ein grauenvolles Spiel. ich mag es nicht.

  2. Pingback: Die Coolen Blogbeiträge zur EM 2016 | Sabienes

  3. Ich habe nie gerne Monopoly gespielt. Ich hab als Kind sowieso total selten Brettspiele gespielt, aber auch bei Computerspielen wie Sims konnten sich Abgründe auftun, über die ich an dieser Stelle lieber schweigen möchte.

  4. Wiebke sagt

    Mein Gott, Monopoly! Was man damit sinnlos für Zeit vergeigt hat, im Grunde genommen der Smartphonevorläufer. :-)

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