Spätestens seit die britische ELLE eine jährliche Feminist Issue herausbringt und die US-Cosmopolition mit Jill Filipovic eine feministische Bloggerin verpflichtet hat, dreht sich etwas im angloamerikanischen Markt. Auch hierzulande hat man erkannt: ein bisschen weniger Körperhass und ein bisschen mehr Selbstliebe können Verkaufsargumente sein. Jüngstes Beispiel ist die Mai-Ausgabe der GLAMOUR. Die Free your Body-Issue („Your body loves you, love him back.“) verspricht mehr Intuition, mehr Stolz, mehr Ich. Nun wollen wir nicht kleinlich sein und uns wundern, dass da aufs Cover natürlich niemand anderes als Supermodel Bella Hadids befreiter Körper gehört. Wir blättern einfach ein wenig. Schließlich gehörte die GLAMOUR nach ihrem Erscheinen 2001 zu den Senkrechtstartern im Zeitschriftenmarkt. Auch dank günstigem Preis und handlichem Format wurde sie schnell zum Marktführer und schrieb schwarze Zahlen.
Junge Frauen, die GLAMOUR definiert ihre Zielgruppe zwischen 20 und 39, wollten von ihr unterhalten werden – mit Themen aus ihrer Lebenswelt. Für die Mütter die BRIGITTE, für sie Fashion, Lifestyle und ein bisschen Gossip. Was Frauen eben so interessiert, oder? Nun also eine Prise Selbstliebe. Unter dem Titel „Das rote Tuch“ wird über „Körperhaare, Dellen und Blutflecken im Slip“ geschrieben. Das Irritierende an der Sache: nachdem ich gerade gelesen habe, dass es jeder selbst überlassen ist, wie sie mit ihren Körperhaaren umgeht, erklären mir die Anzeigen von Veet, Gillette und Venus wieder zuverlässig, an welchem Ideal ich mich orientieren sollte. Und GLAMOUR testet selbst noch ein paar Rasierer der gleichen Marken. (Spoiler: Alle, gaaanz toll.)
Genau hier liegt das Problem der Frauenzeitschriften. Sie alle kämpfen um die gleichen Anzeigen und Werbegelder. Das bedingt den Themenmix aus Mode (Kosmetik & Haare), Körper & Essen (was, wie und wie viel), ein bisschen Partnerschaft (nur mit Männern) und deren Nebenprodukte (Kinder oder eben nicht). Ob das Frauen interessiert, insbesondere in der Herangehensweise der Hefte, scheint nebenrangig. Denn wenn die Verlage an ihre Leserinnen denken, geben sie selten Studien zu deren Interessen und Nutzungsverhalten in Auftrag. Eher interessiert sie ihr Konsumverhalten. Auch die GLAMOUR verweist im einschlägigen Mediakit auf die entsprechenden Zahlen: 68% interessieren sich für Damenbekleidung; 53% für Beauty-Produkte. Da bleiben zwar eine Menge Prozente übrig, die sich für Reportagen, Politik oder andere Frauen interessieren könnten, aber die Beautyindustrie verkauft eben keine Informationen, sondern Unsicherheiten. Das scheint auch im redaktionellen Teil immer wieder durch. Da erklärt Bella Hadid, dass man den eigenen Körper lieben soll. Was auch bedeutet, dass man gern isst. Und wird darauf zitiert: „Ich esse intuitiv. Wenn ich auf irgendetwas Heißhunger habe, braucht mein Körper offensichtlich genau diese Nährstoffe. Okay, bei Schokolade gilt das vermutlich nicht.“
Weiter geht es mit einer „Übersetzungshilfe“ für die Signale des eigenen Körpers. Mit Kopfschmerzen sollte man ihn nicht zum Sport zwingen, aber bei Durst auch nicht Hunger verstehen: „Ist das Essen erst eine Stunde her, lieber mit Trinken versuchen. Zehn Minuten warten, ohne zu essen, dann sollte der „Hunger“ weg sein.“
Es scheint einen Konsens zu geben, es auf dem Frauenzeitschriftsmarkt mit etwas anderem zu versuchen. Der kleinste gemeinsame Nenner ist, nicht die übliche Pre-Sommer-Bikini-Ausgabe zu machen, sondern auch ein wenig Körperliebe einzustreuen. Aber Leserinnen ernst zu nehmen, ist nicht nur ein Artikel, sondern eine Haltung. Es geht darum, sich nicht nur als Rahmengeber für Werbung zu verstehen und immer gleiche Themen zu recyceln, sondern sich zu fragen, was interessiert und für wen man schreibt. Der größte Irrglaube dabei ist, dass Frauen immer noch 80% über ihren Körper lesen wollen. Ich denke, das wollen sie nicht. Auch wenn man jetzt versucht, positiver zu formulieren.
Es gibt genug interessante Frauen da draußen, die etwas zu sagen haben und genug, die interessante Themen aufschreiben. Nur eben selten in den klassischen Frauenzeitschriften. Dass die Probleme mit dem Überleben haben, liegt auch daran, dass das Abwandern mittlerweile einfacher ist. Stand man vor 10 Jahren noch vor Regalmetern gleicher Unterhaltung und musste sich im Überblättern mit ironischer Distanz üben, wenn man überhaupt etwas Unterhaltendes für Frauen lesen wollte, so bietet das Netz heute neue Möglichkeiten.
Selbstbewusst und unabhängig nennen GLAMOUR und andere ihre Leserinnen in der Selbstbeschreibung. Und meinen doch nur kaufkräftig. Ein hoher Bildungsabschluss wird gern zitiert. Er soll Interesse bei den Werbekunden wecken. So wird eine Zielgruppe konstruiert, die es nicht gibt und mit der sich Frauen immer weniger vergleichen lassen wollen. Die 29jährige, hippe PR-Managerin mit toller Beziehung und top gestylt, die nur wissen möchte, wie der perfekte Blowjob funktioniert und was die nächste Sommerfarbe ist, ist ein Mythos. Selbst Samantha aus Sex and the City war älter und meistens single.
Die US-VOGUE portraitierte jüngst sehr lesenswert auf insgesamt 13 Seiten Hillary Clinton und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Dazwischen ist auch eine Menge Werbung, ja. Und trotzdem möchte man den deutschen Pendants angesichts dessen zurufen: It’s the Leserin, stupid.
Foto: flickr – anyjazz65 – CC by 2.0
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Danke! Und herzlich willkommen.
Danke für den HInweis mit de rWerbung! Mir war das als Laie gar nicht so bewusst, aber es passt :-) Mich ärgert, dass es auch im Fernsehen etc. nur um Diäten geht. Als ob es das Wichtigste auf der Welt ist, gesund und dünn zu leben – wo bleibt der Genuss?
Ich lese gern Frauenzeitschriften, weil sie bunt sind und ich JEDES Mal auf die Versprechen in den Artikeln reinfalle :-) Aber… lesen tue ich gern „Männerzeitschriften“. Natürlich werden auch dort Klischees gepflegt. Aber es interessiert mich tatsächlich, wie man einen Kravattenknoten bindet und wie schön es ist, nachts betrunken durch die Stadt zu fahren. Dürfen Frauen eigentlich Alkohl trinken? *ironie*
Das ist wie bei den kurzen Röcken vermute ich. Rein theoretisch dürfen sie das schon, aber die Grenze ist schmal. Ein Glas zum Date ist kein Problem aber bei mehr weiß man ja, was passieren kann und sollte es dann lieber lassen. Oder ist selbst schuld.
Schade, dass ‚gesund und dünn‘ gleichgesetzt wird mit Verzicht auf Genuss. Wenn man unter Genuss nur Süßigkeiten und Pommes versteht vielleicht. Aber es gibt so viel, was man genießen kann, das nicht ‚ungesund‘ ist, sprich, dem Körper langfristig besser tut, als ewig dieselben Belohnungen der Kindheit. Selber richtig gut kochen können, spitzenmäßige Salatsoßen machen, mal wirklich auf den Körper hören- das macht Spaß, das ist Genuss.
Für mich ist wichtig, dass Essen ohne schlechtes Gewissen abläuft. Denn Konzepte, wie das geht und das nicht, hier darf ich sündigen aber das ist böse tragen zu keinem gesunden Körper und auch zu keinem gesunden Geist bei. Am Ende soll der Kopf nämlich eben nicht ständig darum kreisen, was man besser machen könnte.
Ohne schlechtes Gewissen klingt gut. Auf meinem Blog schreibe ich immer dann was zu Ernährung, wenn es mit aktuell an mich herangetragenen Themen zu tun hat. Meist eben mit Haut, da ich in dem Bereich arbeite. Und da gibt es eben so einiges, was die jeweiligen Probleme meiner KunInnen verursachen kann. Das versuch ich aufzudröseln. Dabei beziehe ich Infos von Profis aus alle Bereichen ein und bin völlig unabhängig, mache keine Werbung. Und ich probiere gerne mal die Hypes aus dem Netz aus. So bin ich zu meinem Smoothiefrühstück gekommen, aber vieles ist halt auch nur Quatsch, darüber mache ich mich auf meiner Facebookseite gerne lustig. Generell lehne ich aber Industriefutter ab, da ist mir zuviel drin, von dem wir nicht wissen, was es in unserem System alles anrichtet. Verzichte aber auch nicht auf Schoki oder Chips. Gute halt, die machen eh viel glücklicher. Mich macht es halt glücklich, nicht nur zu essen, sondern meinem Körper damit auch echt was Gutes zu tun. Hab auch keine andere Chance, meiner reagiert sofort auf zuviel von egal was. Ich hab aber auch echt Spaß dran, alles mal zu testen, bin einfach irre neugierig *gg
Vielen Dank, das freut mich wirklich sehr!
Diese Frauenzeitschriften haben mich wirklich noch nie interessiert. So mit 20 hatte ich mal eine Phase, in der ich sie gekauft habe und mich „verpflichtet“ gefühlt habe, all diese Beautyprodukte anzuwenden und den Modetrends zu folgen. Im Endeffekt hatte ich aber weder Zeit, noch Geld, noch Lust ;) Hoffentlich setzen sich die positiven Trends aus den USA auch hier durch, wobei zB das Porträt von Hilary Clinton auch dem aktuellen Wahlkampf geschuldet sein dürfte und nicht zwingend auf einen Kurswechsel des Magazins hindeutet!?
Beim Lesen deines Artikels hätte ich richtig Lust, ein eigenes Magazin aufzuziehen. Gibt es eigentlich sowas wie Lena Dunhams „Lenny“-Newsletter auch im deutschsprachigen Raum? Kennst du sowas?
Achja und tausendmillionen Glückwünsche zur Nominierung beim Grimme Online Preis! Das hast du sowas von verdient und meine Stimme beim Publikumspreis ist natürlich abgegeben <3
❤️❤️❤️ Ach du! Vielen Dank. Irgendwann machen wir das und du kriegst die Film- und Mediaecke! Und ja, Hillary ist natürlich wahlkampfbedingt, aber habe beim Schreiben überlegt, wann es mal deutsche Politikerinnen in solche Zeitschriften geschafft haben (wenn es nicht um Klamotten, Kinderbetreuung oder die Tatsache, ob man in der Politik so gut aussehen darf, ging).
Ich lese es trotzdem. Es ist wie Fernsehen, man zappt sich durch und schaut viel Schlechtes. Das ist für mich beiläufig. Ich blättere Zeitschriften eigentlich nur durch und schaue immer mal über die Tage verteilt rein und dann irgendwann ins Altpapier. Fand und finde ich nie schlimm. Aber ich muss zugeben, erst seit ich dich lese, fällt mir auf, wie ich dann bei DM stehe und denke, oh das ist die Creme gegen das und das, nimmst du mit, weil du hast das ja schon im Spiegel gesehen. Stück für Stück macht es etwas mit einem. Vielen Lesern geht es aber sicher wie mir. Sie merken es nicht. Einen Denkfehler hast du glaube ich. Dass die Zeitschriften nicht mehr gekauft werden, liegt eher daran, dass es online kostenlos die Angebote gibt: Promiflash, Instyle und so. Und weil es so inhaltsleer ist, nimmt man es auch fürumsonst. Wäre schön, wenn es so wäre, dass man nicht mehr kauft, weil man dann Blogs wie deinen liest. Ich glaube aber die meisten kaufen nicht und lesen dann Glamour online.
Ja, du magst du vielleicht Recht haben. Ich glaube trotzdem weiter, dass Frauen so nicht angesprochen werden wollen und Lust auf mehrere Dimensionen hätten. Wie Marie Wilson sagt: „You can’t be what you can’t see.“