Alle Artikel mit dem Schlagwort: Schönheitsideal

Beim Frisör

Gestern war ich beim Frisör. Während meine Wimpernfarbe trocknete und ich mit geschlossenen Augen in die Dunkelheit horchte, hörte ich ein Gespräch mit. Bereits als ich den Laden betrat, bemerkte ich, dass es eine besondere Frau in diesem Salon gab. Die anderen Kundinnen und die Angestellten schielten immer wieder verstohlen zu ihr hinüber. Sie schauten sie so an wie viele Frauen anblicken, die ein bisschen zu auffällig gekleidet, ein bisschen zu stark geschminkt sind – mit einer Mischung aus Ver- und Bewunderung. Ich denke, die Frau war Anfang 70, aber ich bin mir unsicher. Ich kann ältere Frauen schlecht schätzen, vielleicht weil ich in den Medien tatsächlich zu wenige von ihnen zu sehen bekomme und gar nicht weiß, wie weibliches Alter eigentlich aussieht. Aber vielleicht auch nur, weil ich mich mit zu wenigen umgebe. Die Frau war nicht allein. Neben ihr saß ihre Begleitung. „Meiner Mutter war es immer zu aufwendig, mir Zöpfe zu flechten,“ begann sie zu erzählen, während ich still in ihrem Rücken saß „ich musste ja auch früh mithelfen, wir waren ja …

Nackig für die gute Sache

Es ist eine Weile her, dass ich an einem Text so viel herumüberlegt habe. Alles fing damit an, dass mir Kato vom Blog Innocent Glow den Link zu diesem Video schickte und mich fragte, ob ich es schon kenne. Ich kannte es noch nicht. Und mir stand ein bisschen der Mund offen. Sagen wir es so, hier sind ein paar Dinge ziemlich schief gelaufen. Das Team von Sat.1 begleitet eine Protagonistin, die sich endlich wohl in ihrem Körper fühlt, sozusagen bei der öffentlichen Verkündung dieses neuen Gefühls. Dafür stellt sie sich im Bikini und mit verbundenen Augen in eine Fußgängerzone. Auf dem Schild neben ihr steht so etwas wie: „Ich mag mich und ich mag diese falschen Ideale nicht. Wenn es dir auch so geht, male ein Herz.“ Kurze Zeit später ist sie mit Herzen übersät. Ja, man malt diese direkt auf die Frau, die da nur im Bikini mit verbundenen Augen steht. Finde nur ich das komisch? Und die Akte-Reporter nehmen gleich noch drei andere Frauen, die gerade Herzen gemalt haben, zum Unterwäscheshooting mit. Das …

Das war alles leichter mit 23

Vor einiger Zeit las ich einen Text von einer Autorin, die eigentlich nur ein neues Parfum kaufen wollte. Man empfahl ihr im Laden ungefragt auch ein Anti-Aging-Produkt. Die Autorin war 23. Sie fand es völlig zu recht absurd, dass sie – quasi gerade erst der Clearasilwerbung entwachsen – als nächstes geradewegs die Falten-Vermeidungs-Ware kaufen sollte. „So’n Quatsch“, schrieb sie, „braucht kein Mensch“. Älter werden ist schließlich kein Problem, sondern völlig normal. Und aufgeklärte, selbstbewusste Frauen lassen sich schon gar nicht unsicher machen und für dumm verkaufen. Damit war die Sache für die Autorin erledigt. Solche Texte sind gut und richtig und wichtig. Ich habe selbst ein paar davon geschrieben. Aber es war leichter, sie mit 23 zu schreiben. Ich weiß nicht mehr genau, wann es begann. Aber irgendwann waren die Kissenfalten auch Stunden nach dem Aufstehen noch da. An manchen Tagen blicken sie mir noch auf dem Weg zur Mittagspause vom Fahrstuhlspiegel aus entgegen. Auf meiner Stirn hat sich eine Runzelfalte festgesetzt, die wohl bezeugt, dass ich viel öfter angestrengt nachdenke, als zu lachen. An …

„Keiner will die Dicke kaufen“

Nachdem die Spielzeugfirma Mattel Mitte April ihre Quartalszahlen bekannt gab, war Katerstimmung bei den Investoren angesagt. Der Umsatz ging im ersten Quartal deutlich zurück. Online beim Stern war dazu vor drei Tagen zu lesen „Keiner will die dicke Barbie kaufen – Umsatzeinbruch bei Mattel“. Denn Barbie gibt es seit 2016 in einer „Fashionista“-Reihe in größerer Vielfalt an Haarstyles, Hautfarben und Körperformen. Also, es gibt jetzt auch eine Barbie, die ungefähr der Konfektionsgröße 38 entspricht. Das ist die Dicke. (Aha, STERN.) Diese Barbie wollten, so steht es allerdings in dem Artikel, die Leute noch weniger kaufen als ihr „traditionelles“ Pendant in blond mit einem Oberkörper, in dem die lebenswichtigen Organe nie Platz hätten. Steht zwar so nicht ganz in den öffentlichen Quartalszahlen, aber fragen wir trotzdem mal: Ist also das Projekt vielfältigere Körper im Kinderzimmer gescheitert? Sollte sich vielleicht mit Feminismus doch nicht jeder Sch*** problemlos verkaufen lassen, wie wir in den letzten Monaten überall zu hören bekamen (Stichwort: 500 Euro Dior Shirt mit „We should all be feminists“ Aufdruck)? Nun ja, das Problem war vielleicht …

Stoppt den Weihnachtsessen-Hass

Es passiert jedes Jahr kurz nach Weihnachten. Es passiert in den sozialen Netzwerken und im realen Leben. Menschen erzählen von ihrem Weihnachtsfest und sie erzählen vom Essen. Sie stöhnen, sie stöhnen sehr laut, sie beschweren sich. Sie sind sich sicher, dass sie bis Silvester eigentlich gar nichts mehr essen müssten. Mindestens. Sie klopfen auf ihre Mini-Bäuchlein und sagen „Heute geht es zum Ultraschall.“ Sie detoxen, sie joggen. Sie sagen: „Jetzt aber wieder auf Linie, jetzt wieder in die Spur.“ Sie meinen, sie haben sich etwas ruiniert: ihre Diät, ihre gesunde Ernährung, ihren sonst von schädlichen Einflüssen freigehaltenen Körper. Ich bin müde, ich kann es nicht mehr hören. Eigentlich wollte ich einen lustigen Post darüber schreiben, wie ich erstmalig nach Weihnachten wieder eine Hose ohne Gummizug anziehe. Aber es hat mir meinen Humor vertrieben. Denn sie ruinieren sich nur eines, ihr vergangenes Weihnachtsfest. Und meines auch. Weihnachten. Kekse, Stollen, Ente, Lebkuchen – Butter, Zucker, Fett – wenn es euch wie uns geht, existieren sogar noch die Reste des leckeren Essens in Tupperdosen, verteilt im ganzen Haus. …