Jahr: 2017

Pessimistische Stofftiere

Unser neuer Mitbewohner ist eines dieser elektronischen Stofftiere. Das Tier ist ein Hund. Er ist süß und flauschig, aber anstelle von Knopfaugen hat er einen kleinen Bildschirm. Als ich noch klein war, nahm ich jede Nacht alle meine Kuscheltiere mit zu mir ins Bett. Alle, ohne Ausnahme. Auch wenn ich dann selbst kaum Platz hatte, dachte ich, die des Bettes Verstoßenen würden mir sonst traurig aus ihren Knopfaugen hinterherblicken. Der Trick funktioniert bei den digital programmierten 2017er Augen nicht mehr. Sie schauen schon seit Tagen traurig ohne dass sie bei meinen Kindern eine Reaktion auslösen. Der Hund hat nämlich in regelmäßigen Abständen Hunger oder Durst. Dann muss man ihn per Druck auf seine Pfote (Auswahlmenu erscheint) mit einem Knochen oder Wasser (Bestätigung mit Druck auf den Bauch = Entertaste) versorgen. Tut man dies nicht, schaut er traurig und gibt in immer kürzer werdenden Abständen ein klägliches „Ich habe Hunger oder Durst.“ mit zitternder Computerstimme von sich. Da ich ihn allerdings bereits am ersten Tag auf die geringste Lautstärke stellte, als er noch nach ständigem „Spaß“ verlangte, entfaltet sein Flehen nicht die gewünschte Wirkung. So steckt der Hund …

Wo ich herkomme

Ich komme ungefähr aus der Mitte von Sachsen-Anhalt. Ich bin dort aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe die ersten Jahre in Magdeburg studiert. Meine Eltern wohnen dort und große Teile meiner Familie. Ich mag meine Familie sehr gern, ich bin immer viel dort gewesen. Seit meine Töchter auf der Welt sind noch häufiger, denn sie lieben ihre Großeltern, sie lieben die weite Landschaft der Elbauen, die auch mich immer durchatmen lässt und sie lieben die Leute dort. Sie kennen ihre Namen, die Namen ihrer Hunde, sie wissen, wo sie in Gärten laufen können und freudig begrüßt werden. Ich selbst bin in den letzten Wochen oft zusammengezuckt, wenn ich durch die Straßen fuhr, um sie abzuholen, denn Plakate, die ich in Berlin in meinem Bezirk gar nicht kannte, hingen dort sehr viele und sehr tief. Ich könnte noch ein paar andere Geschichten erzählen, aber genau das will ich heute nicht. Denn seit gestern, seit ich ein paar Tweets gelesen habe, zu Unverständnis, zu „denen“, zu Mauern, die wir wieder bauen sollten (von der anderen Seite und jaja, …

#9 Das Buch ist da – Unbeschrieben-Podcast

Heute erscheint mein Buch, so richtig in gedruckt und mit meinen Worten drin. Es heißt „Am liebsten sind mir die Problemzonen, die ich noch gar nicht kenne“. Ihr könnt in dieser Podcastfolge hineinhören, denn ich lese euch zum ersten Mal daraus vor. Es ist schon etwas Besonderes, gleich auf „veröffentlichen“ zu drücken, ein Jahr Reise geht zu Ende. Schön, dass ihr dabei wart! 

Gastbeitrag: Nicht jeder sieht man ihre Krankheit an

Ich habe Theresa schon einmal getroffen. Wir haben nicht besonders viel geredet, aber sie war jemand, deren Augen lächeln. Ihr kennt sicher diese Menschen, die einfach positiv sind. Als ihr Gastbeitrag bei mir eintrudelte, hat mich das ziemlich mitgenommen. Aber Theresa schrieb, dass sie findet, dass auch diese Themen eine Öffentlichkeit brauchen. Und da hat sie absolut recht. Hier kommt ihr Text:  Ich bin 29. Ich habe mehrere Kinderbücher auf Deutsch und Englisch (und eins sogar in chinesischer Übersetzung) veröffentlicht, bin an der Uni eingeschrieben, habe zwei Ausbildungs- und einen Weiterbildungsabschluss und viele Jahre Berufserfahrung als freiberufliche Englischdozentin und Nachhilfelehrerin. Alles ganz normal also, eine junge Frau mit Träumen und Zielen. Nur wer genauer hinschaut, erkennt die Anspannung. Die dunklen Ringe unter den Augen. Die blasse Gesichtsfarbe. Den kurzen Moment des Innehaltens und Durchatmens. Die verstohlene Einnahme einer Tablette mitten im Unterricht. Die ständigen kleinen Positionswechsel während der Vorlesung. Die Erleichterung, wenn ich in der Bahn oder im Bus einen Sitzplatz bekomme. Die Traurigkeit in meinen Augen, wenn ich Lehrmaterialien sehe. Oder kleine Kinder. Was von …

Liebe Jane,…

Was wüssten wir von dir, liebe Jane, wenn es die Männer in deinem Leben nicht gegeben hätte? Deinen Vater, den Pfarrer, der seinen Töchtern genauso wie seinen Söhnen die heimische Bibliothek öffnete. Der dich vermutlich zuhören ließ, wenn er im Pfarrhaus andere Jungen unterrichtete, die er in Pension genommen hatte. Den Verleger, der deinen ersten Roman herausbrachte. Deinen Bruder und deinen Neffen, die mit ihren Biografien deinen posthumen Ruhm befeuerten. Und nicht zuletzt andere große Schriftsteller wie Walter Scott und Coleridge, die dein Talent lobten. Deine Schwester Cassandra, engste Vertraute ein Leben lang, deine Seelenverwandte, die dich pflegte und in deinen letzten Stunden bei dir war, hat hingegen die meisten deiner Briefe verbrannt.