Alle Artikel mit dem Schlagwort: Das echte Leben

Rauchzeichen

Fangen wir mit dem Offensichtlichen an: Rauchen ist mit das Dümmste, was man tun kann. Es verursacht Krebs und andere schrecklichen Krankheiten, die heute vorn auf den Packungen ausgestellt sind. Außerdem stinkt es und ist – ein nicht zu verleugnendes Argument angesichts des Geldes, das jeden Monat mehr und mehr durch die Finger rinnt – teuer. Trotzdem sind Zigaretten überall. Um mich herum wird wieder geraucht – und das mit einer ziemlichen Selbstverständlichkeit. Zusammen mit den Levis sind auch die Kippen wieder da und ich fühle mich zurückversetzt in die Schulzeit, als die Coolen vor dem Tor standen und qualmten. Wann kam das Memo, was habe ich verpasst?

Emotional Support Rabbit

Kurz dachte ich, wir würden uns beim Haustiererwerb antizyklisch verhalten. Schließlich hatten wir uns tapfer durch die erste, zweite (welche war es nochmal, ich habe den Überblick verloren) Pandemie gekämpft, ohne der Verlockung eines Familienhundes zu erliegen. Aber wie immer, wenn man sich außerhalb eines Trends wähnt, ist man natürlich mittendrin und bekommt schnell vor Augen geführt, dass das vermeintliche Außenstehen nur eine kurze hedonistische Selbstüberhöhung war. Rund um Ostern steigt nämlich der Absatz von Zwergkaninchen in jedem Jahr rasant an, worüber ich schnell freundlich aber bestimmt von der Hasenverkäuferin meines Vertrauens (danke, google) aufgeklärt wurde. Ich war zu diesem ersten Schnuppertermin zur Hasensuche (see what I did there) bewusst allein erschienen, was ich für klug hielt.

Gastbeitrag: Nicht jeder sieht man ihre Krankheit an

Ich habe Theresa schon einmal getroffen. Wir haben nicht besonders viel geredet, aber sie war jemand, deren Augen lächeln. Ihr kennt sicher diese Menschen, die einfach positiv sind. Als ihr Gastbeitrag bei mir eintrudelte, hat mich das ziemlich mitgenommen. Aber Theresa schrieb, dass sie findet, dass auch diese Themen eine Öffentlichkeit brauchen. Und da hat sie absolut recht. Hier kommt ihr Text:  Ich bin 29. Ich habe mehrere Kinderbücher auf Deutsch und Englisch (und eins sogar in chinesischer Übersetzung) veröffentlicht, bin an der Uni eingeschrieben, habe zwei Ausbildungs- und einen Weiterbildungsabschluss und viele Jahre Berufserfahrung als freiberufliche Englischdozentin und Nachhilfelehrerin. Alles ganz normal also, eine junge Frau mit Träumen und Zielen. Nur wer genauer hinschaut, erkennt die Anspannung. Die dunklen Ringe unter den Augen. Die blasse Gesichtsfarbe. Den kurzen Moment des Innehaltens und Durchatmens. Die verstohlene Einnahme einer Tablette mitten im Unterricht. Die ständigen kleinen Positionswechsel während der Vorlesung. Die Erleichterung, wenn ich in der Bahn oder im Bus einen Sitzplatz bekomme. Die Traurigkeit in meinen Augen, wenn ich Lehrmaterialien sehe. Oder kleine Kinder. Was von …

Beim Frisör

Gestern war ich beim Frisör. Während meine Wimpernfarbe trocknete und ich mit geschlossenen Augen in die Dunkelheit horchte, hörte ich ein Gespräch mit. Bereits als ich den Laden betrat, bemerkte ich, dass es eine besondere Frau in diesem Salon gab. Die anderen Kundinnen und die Angestellten schielten immer wieder verstohlen zu ihr hinüber. Sie schauten sie so an wie viele Frauen anblicken, die ein bisschen zu auffällig gekleidet, ein bisschen zu stark geschminkt sind – mit einer Mischung aus Ver- und Bewunderung. Ich denke, die Frau war Anfang 70, aber ich bin mir unsicher. Ich kann ältere Frauen schlecht schätzen, vielleicht weil ich in den Medien tatsächlich zu wenige von ihnen zu sehen bekomme und gar nicht weiß, wie weibliches Alter eigentlich aussieht. Aber vielleicht auch nur, weil ich mich mit zu wenigen umgebe. Die Frau war nicht allein. Neben ihr saß ihre Begleitung. „Meiner Mutter war es immer zu aufwendig, mir Zöpfe zu flechten,“ begann sie zu erzählen, während ich still in ihrem Rücken saß „ich musste ja auch früh mithelfen, wir waren ja …

Daddy’s Girl

In den letzten Tagen ging es medial viel um Väter. Um Väter von Töchtern. Um Väter, die bessere Menschen durch ihre Töchter werden. Diese Töchter machen Männer zu Feministen und setzten vermeintliche Frauenthemen wie den Gender Pay Gap auf politische Agenden. Sie machen empathischer, verständisvoller, liebender, ausgeglichener und verhelfen zu einem klareren Blick auf das Leben und gesellschaftliche Missstände. Mich irritert das – übrigens auch, wenn die Erzählung nur beinhaltet, dass Kinder im Allgemeinen einen Mann erst zu einem gefühlsbetonten Wesen machen. Und es zum Beispiel deshalb wahnsinnig bereichernd ist, Elternzeit zu nehmen. Wenn frischvervaterte Männer verkünden, wie sehr ihnen nun der Sinn des Lebens in aller seiner Klarheit vor Augen liegt – der da bedeutet, dass Zeit mit geliebten Menschen doch das Wichtigste sei. Ich frage mich dann immer, warum Freundinnen und Partnerinnen vor dem Kind nicht für diese Erkenntnis gereicht haben, aber das ist vielleicht ein anderes Thema. Ich überlege also und bin irritiert. Ganz besonders eben, wenn es die Töchter sind, die gesellschaftliches Engagement aus den XY-Chromosomen herauskitzeln. Dass Frauen mit ihrem …