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Warum ich hoffe, dass Fifty Shades of Grey in 10 Jahren tot und vergessen ist

In ein paar Tagen ist Valentinstag. Das weiß ich, weil sich die Blumen- & Konsumindustrie alle Mühe gibt, dass ich ihn nicht vergesse. Das war bisher in jedem Jahr so. Aber in diesem Jahr ist etwas anders.

Der Valentinstag 2015 wird präsentiert vom Kinostart von Fifty Shades of Grey.  

Wo man hinschaut: Artikel, Werbebanner & Spots. Die Kinos bewerben den Besuch am 14. Februar als passendes Liebesgeschenk. Dabei könnte nichts weiter entfernt sein von Liebe & gegenseitiger Wertschätzung als Fifty Shades of Grey. Als ich sah, wie ein junges Mädchen (Gut, sie muss 16 gewesen sein wegen der FSK-Freigabe.) vor der Berlinalekasse campte, um ein Ticket für die Vorpremiere zu ergattern, musste ich unweigerlich an meine Tochter denken. Und daran, dass ich hoffe, dass Shades of Grey in der Versenkung verschwunden ist, wenn sie in dieses Alter kommt.

Es geht mir nicht um den literarischen Wert, ich habe mit 16 auch eine Menge gelesen, was man geradewegs als Schund bezeichnen kann. Und überhaupt, wer legt fest, was Schund & was gute Literatur ist? Ich kenne natürlich auch den Film nicht.

Aber ich habe mich vor einer ganzen Weile durch den ersten Teil gequält. (Weil ich Bücher immer zu Ende lese, komme was wolle.) Ich fand es nicht gut. Ich fand es nicht erotisch. Und ich erinnere mich an einige Szenen, die es mir so richtig vermiest haben. Ich bin nicht die Erste, der es so geht. (Hier gibt es eine Liste von 50 Szenen aus den Büchern, die im Rahmen der Fifty Shades is Abuse – Kampagne zusammengestellt wurde.).

Der Held Christian Grey ist ein Stalker & ein Controllfreak.

Er manipuliert Ana & schüchtert sie ein – von der ersten Minute an. Die Autorin spielt mit der Zerrissenheit der Heldin. Ana hat selbst Zweifel. Er warnt sie, sich nicht mit ihm einzulassen (Was für ein Gentlemen.). Die Lösung für Ana ist am Ende immer: „Ich kann nicht anders, die Gefühle sind stärker.“ Das ist keine gesunde Beziehung, das ist keine Liebe. Auch die BDSM Szene wehrt sich gegen die Darstellung:

(…) that the lifestyle has been offensively and dangerously misrepresented by EL James’ trilogy. From the tired old trope of the man only into BDSM because of some tragic, painful past (and who needs to be “fixed”), to the “Dom” using alcohol and manipulation to coerce a completely naive young woman into agreeing to become his sub; the story throws the BDSM community under the bus.

Wenn ich überlege, was ich meiner Tochter über Sex mitgeben will, ist es Folgendes:

Übernimm Verantwortung für dein Tun. Schütze dich & deine(n) Partner(in). Du darfst nein sagen – jederzeit, immer. Tu es auch. Erzähle mir genug, aber ich muss nicht alles wissen.

Will ich, dass sie eine kaputte, sadomasochistische Beziehung verehrt, die sich als Hollywood Love Fantasy tarnt? Eher nicht. Was mich am Film so richtig stört, ist die Boygroupisierung des Stoffs. Der Hochglanztrailer mit Beyoncé, die im Hintergrund Crazy in Love säuselt. Der Held ist jungenhaft attraktiv aber wenig bedrohlich, obwohl wir seine dunkle Seite ahnen. Es gab einen Grund, wieso bei Take That alle auf Bad Boy Robbie Williams standen. Das ist ein altes Muster.

Was damit weitergegeben wird, ist irgendwie auch nur eine cleane Teeniefantasie. Mit Nebenwirkungen. Denn es geht ausschließlich um das männliche Bedürfnis. Das ist auch nicht neu. Es ist die Art, wie Serien, Filme, Musik, Mode oder sogar Kosmetik verkauft werden. Das männliche Begehren (male desire) ist der Maßstab.

Ich kann mir übrigens vorstellen, dass hieraus auch die Faszination für viele Frauen erwächst.

Wenn es um Sex geht, finde ich es prinzipiell super, wenn Frauen sich reihenweise auf Bürofluren dazu bekennen, dass sie etwas antörnend finden. Aber es ist einfach ein sehr, sehr bekanntes Muster, was einem hier begegnet. Unabhängig vom Sex, ist das ein Dominanzverhältnis, welches es in unserer Gesellschaft überall gibt. Aber starre Rollenbilder können eben auch etwas Tröstliches haben. Besonders, wenn man sie ständig präsentiert bekommt. Ein bisschen wie bei rosa Spielzeugwelten.

Zurück zu Fifty Shades. Ana, die in ihrer jungfräulichen Unerfahrenheit Teenies nicht unähnlich ist, lernt also, dass eine große Liebe Opfer braucht & manchmal komplette Unterwerfung unter den Mann (nicht nur in sexueller Hinsicht). Dass großartiger Sex mit Unterwerfung zu tun hat. Das kann sogar sein. Wobei man in dem Set-up kurz nachfragen kann, ob es nicht möglich wäre, dass man bei den ersten Erfahrungen durchaus etwas als großartig empfindet, um dann später herauszufinden, dass es viel noch viel großartigeres gibt. Habe gehört, das soll es geben.

Das Frauen-, Beziehungs- & Liebesbild ist jedenfalls ein ganz mieses.

Deshalb hoffe ich, dass Fifty Shades of Grey tot ist, wenn meine Tochter sich dafür interessieren könnte. Obwohl ich schon in anderen Texten festgestellt habe, dass die Erziehung eine mindestens genauso große Rolle spielt wie äußere Einflüsse. Obwohl ich auf mein Vorbild vertraue.

Vielleicht ist Fifty Shades immer noch ein Renner, wenn sie soweit ist. Vielleicht wird sie mir antworten: „Mama, reg dich nicht auf. Wir leben eben in einer Gesellschaft mit ungleichen Rollen, die männliche Bedürfnisse in den Vordergrund stellt.“

Das wäre allerdings ziemlich traurig. Weil es ja noch über 10 Jahre hin ist.

Foto: flickr – Scott Crawford CC by 2.0

7 Kommentare

  1. Maria sagt

    Schrecklich, wie sowas überhaupt existieren kann …

    Nichts gegen Personen die auf BDSM und der Gleichen stehen, doch ich finde dieser Schandfleck (Fifty Schades of Grey)hat nichts in der Gesellschaft zu suchen, da kann ich meinen Lieben ja gleich sagen, dass Frauen nur Objekte sind, die man nach belieben nutzen kann. Natürlich gilt das nur für Männer, weil Frauen sind ja Ware und haben keine eigene Meinung und sind zu dumm fürs Leben.

    Ich frag mich wie dumm die Leute sind die sich „Das“ angucken und sogar gut finden.
    Ein weiterer Schritt für die Menschheit in Richtung Frauenfeindlichkeit, juhuu darauf hab ich gewartet! Ist ja bald wie in den guten alten Zeiten …. wie geil ist das denn

    R.I.P. an die Gleichberechtigung

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  4. Danke für den Beitrag, er spricht mir aus der Seele.
    Hut ab das du wirklich das Buch gelesen hast. Grade auch weil ich ebenfalls immer alle Bücher zu Ende lese, habe ich dieses niemals angefangen.
    Der Hype um solch ein Buch ist für mich Ein unverständlicher trauriger Rückschritt unserer Gesellschaft.

    • Danke dir für deinen Kommentar! Dein Blog ist beeindruckend, hab mich gerade durchgescrollt, wünsche dir alles Liebe.

  5. was mich an dieser diskussion und auch an deinem text wirklich sehr stört… verzeih liebe corinne.

    aber es wird so sehr darauf abgehoben, dass die frau sich hier dem sie manipulierenden mann unterwirft, dass ganz vergessen wird, dass das transportierte männerbild ja nun auch unter aller sau ist und jedem nur erdenklichen klischee entspricht. das ist doch höchst unbefriedigend.

    immer geil, manipulativ, besitzergreifend etc.pp.
    wahrscheinlich ist absolut niemand mit diesem buch zufrieden außer menschen, die so eindimensional sind. gibt es bestimmt auch.

    das problem mit klischees ist mE, dass sie funktional vor allem dann sicherheit geben sollen, wenn viel unsicherheit besteht. in situationen die schnelles reagieren erfordern oder.. und hier liegt ja unsere problematik, je jünger ein mensch, desto höher die wahrscheinlichkeit in diese klischeefall zu tappen. zugleich ist das aber auch ein lernprozess. problematisch wirds, wenn die sonstigen anleihen nicht ausreichen um diesen lernprozess zu vollziehen.

    bei diesem krimskrams hier handelt es sich ja offensichtlich um eine phantasie. einem verlangen nach einfachheit in einer wesentlich komplizierteren welt. und dem bedürfnis, sich gedanklich seinen trieben hinzugegeben, die man sonst aufgrund aller nur erdenklichen umstände eben nicht auslebt. weil man eben nicht so ist. anders formuliert: es handelt sich bei fifty shades of grey um eine abfuhrhandlung. gewürzt mit etwas leicht verruchtem. nicht umsonst ist nach der veröffentlichung des buches der absatz entsprechender sexualmaterialen angestiegen.

    an der stelle hört unser dasein doch nicht auf, da fängt es erst an. der mensch neigt, bei nahezu allem was er tut, dazu, es zu kultivieren und zu perfektionieren. (wenn du eines beweises brauchst: instagram, kochblogs, weinverkostungen, kaffeehäuser, etc.)

    was also ist das problem mit dem buch bei seinen kritikerinnen? angst.

    ich kann dieses buch und diese männliche rolle ganz gut ignorieren, weil sie in dieser medial aufgeheizten welt nicht für sich steht. die dauerbebombung durch youtube, younow oder sonstigen kram wird die kinder und auch uns viel mehr versauen.

    :o)

    • Ich verzeihe dir alles :-). Prinzipiell hast du vollkommen recht. Es muss immer mitgedacht werden, dass ein mieses Frauenbild oft auch ein ganz mieses Männerbild ist. (Versuche ich auch immer mal zu erwähnen :-)). Die Männer in meiner Umgebung haben sich zum Beispiel am Meisten über diese Valentinstagsblumenwerbung mit der Mohnblume/Vagina (die wir auf Twitter hatten) aufgeregt. Bei Shades of Grey passt es aber nicht ganz finde ich. Weil der Held auch selbst zu sehr mit seiner Sexualität hadert (die ja auch noch durch Missbrauch in der Kindheit entstanden ist). Insofern finde ich hier nicht, dass mit diesem Männer-sind-halt-so gespielt wird. Eher, bei diesem einen Mann ist was aus dem Ruder gelaufen, aber die Frau mit ihrer übergroßen Liebe & Fürsorge kann ihn erretten & ordnet sich deswegen unter. Und findet es dann auch ganz ok.

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