Feminismus & Weltverschwörung
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Nackig für die gute Sache

Es ist eine Weile her, dass ich an einem Text so viel herumüberlegt habe. Alles fing damit an, dass mir Kato vom Blog Innocent Glow den Link zu diesem Video schickte und mich fragte, ob ich es schon kenne. Ich kannte es noch nicht. Und mir stand ein bisschen der Mund offen. Sagen wir es so, hier sind ein paar Dinge ziemlich schief gelaufen. Das Team von Sat.1 begleitet eine Protagonistin, die sich endlich wohl in ihrem Körper fühlt, sozusagen bei der öffentlichen Verkündung dieses neuen Gefühls. Dafür stellt sie sich im Bikini und mit verbundenen Augen in eine Fußgängerzone. Auf dem Schild neben ihr steht so etwas wie: „Ich mag mich und ich mag diese falschen Ideale nicht. Wenn es dir auch so geht, male ein Herz.“

Kurze Zeit später ist sie mit Herzen übersät. Ja, man malt diese direkt auf die Frau, die da nur im Bikini mit verbundenen Augen steht. Finde nur ich das komisch? Und die Akte-Reporter nehmen gleich noch drei andere Frauen, die gerade Herzen gemalt haben, zum Unterwäscheshooting mit.

Das Ganze wird unterlegt von zu viel dramatischer Musik, als würde sich ein Torero in die Arena aufmachen. Und ganz oft wird betont, wie mutig das von dieser Frau ist. Auch das Fazit „Problemzonen bei Frauen sind eben oft nur Probleme im Kopf.“ greift erstaunlich kurz in Anbetracht unserer auch gesellschaftlich gemachten Schönheitsideale.

Ich will aber eigentlich nicht darüber schreiben, wie misslungen ich dieses Video finde. Denn die Frauen darin scheinen sich ziemlich wohl zu fühlen. Und ehrlich gesagt ist „mutig“ zur Beschreibung der Aktion in der Fußgängerzone vielleicht doch nicht das schlechteste Wort. Denn ich würde mich nicht in die Fußgängerzone stellen. Aber eben nicht wegen meines Körpers, sondern weil das Video etwas in mir auslöste, was so ziemlich jeder Artikel, Film oder Ähnliches in der letzten Zeit auslöste, an dessen Ende als dramaturgischer Höhepunkt (und Zeichen, dass Selbstliebe und Körperakzeptanz erreicht sind), das öffentliche Nackigmachen stand. Was natürlich auch den Supernebeneffekt hat, dass wir endlich vielfältigere Körper zu sehen bekommen. Wieso löst es dann bei mir Unbehagen aus? Bin ich vielleicht doch eine prüde, norddeutsche Protestantin?

Ich versuche mal, meine Gedanken in Worte zu fassen. Der Wert von Frauen wurde eben schon immer eher über ihren Körper definiert als über andere Merkmale. Und mehr und vielfältigere Körper in den Medien zu zeigen, wird eben die Tendenz, Frauen in erster Linie über ihren Körper zu bewerten, nicht ändern. Und noch mehr Frauenkörper zu zeigen wird vermutlich auch nicht dazu führen, dass Frauen sich als mehr als ihr Körper wahrnehmen. Wann immer aber Frauen zu Objekten werden, die man ausstellt, anschaut und mit Herzen bemalt, sind sie eben nur das: Objekte und Körperteile. Wenn man also will, dass Frauen für mehr als für ihren Körper gehalten werden, darf man konsequenterweise eigentlich nicht klatschen, wenn eine neue Vielfalt an Körpern auch zum Objekt wird. Und das macht es so schwer mit meinen Gedanken, denn was wir brachen sind ja unterschiedlichere Körper und viel mehr unterschiedliche Frauen in den Medien. Aber eben nicht im Bikini in der Fußgängerzone. Es kann doch nicht mit Instagram-Fotos (#bodypositivity) enden, was einmal so groß gedacht war. Weil Body Positivity eigentlich nicht bedeutet, dass man findet, dass der eigene Körper auch in Größe 44 gut aussieht, sondern, dass er gut ist, wie er ist – einfach so. (Dann wäre es übrigens auch überflüssig zu diskutieren, ob jemand nun dick schön findet oder nicht. Oder ob man sich selbst schön finden muss.) Mehr noch, der nächste, der entscheidende Schritt fehlt ganz, wenn wir nur Körpern applaudieren. Der wäre nämlich mehr Likes für Frauen auf Podien, in Vorständen, als Mütter, als Krankenschwestern, Supermarktkassiererinnen, Ingenieurinnen, Programmiererinnen, you get the idea. Mehr Likes für sie als Mensch als für alle Größen im Bikini. Ist das jetzt utopisch und weltfremd? Zu groß gedacht, zu viel gewollt? Ich weiß es nicht, aber der jetzige Fortschritt fühlt sich eben manchmal nicht mehr hundertprozentig wie Fortschritt an. Und dabei gelten meine Gedanken eigentlich weniger individuellen, „normalen“ Frauen als Männermagazinen oder Unterwäsche- und Bademodelherstellern, die sich dafür feiern lassen, dass sie ein Plus Size – Model engagiert haben (und es dann genauso inszenieren wie immer).

Foto: flickr – four12 – CC by 2.0

14 Kommentare

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  2. Christine sagt

    Schade, dass die guten Blogs, Podcasts etc. sobald sie eine gewisse Bekanntheit erreicht und u.U. auch noch einen Preis erhalten haben mit neuen Beiträgen ewig auf sich warten lassen. Die Abstände zwischen den Veröffentlichungen vergrößern sich, Artikel werden spärlicher… Das schmeckt ein wenig nach „Ich habs nicht mehr nötig“. Und ist, wie gesagt, sehr schade.

    • Hallo Christine, freut mich, dass du auf neue Artikel wartest. Mit dem Bloggen ist es ja so. Wir machen es als Hobby, mit Herzblut, in unserer Freizeit und ohne Geld. Da ist deine Erwartungshaltung und der Schluß, den du ziehst, schon sehr komisch, oder? Ich habe, wie du ja weißt, wenn du mitliest, eine Familie und einen normalen Job. Da ist es ganz normal, dass es mal mehr und mal weniger zu lesen gibt. Gerade, wenn man wie ich noch nebenbei ein Buch schreibt. Das hat nichts mit „Ich habe es nicht mehr nötig zu tun.“, sondern mit dem Leben, wie es nun einmal ist. Bis es hier wieder etwas Neues gibt, kannst du dich ja gern durchs Archiv wühlen und Anfang September kannst du dann ganze 200 Seiten von mir lesen, wenn das Buch kommt. Viele Grüße, Corinne

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  4. Das ist ein interessanter Gedanken, den du da aufwirfst, auf den ich vermutlich alleine nie gekommen wäre, hätte ich das Format überhaupt gekannt. Tatsächlich gehen gut gemeinte Dinge ja gerne mal nach hinten los bzw. sind nicht so gut durchdacht, wie sie sein müssten, um zu helfen. Wobei ich bei einem Fernsehsender, der immerhin Profit machen will, ohnehin nie sicher wäre, ob er mit seinen Sendungen wirklich primär etwas Gutes tun will.

    Jedenfalls stimme ich dir dahingehend zu, dass Frauen in erster Linie gar nicht über ihren Körper definiert werden sollten. Natürlich ist es schön, wenn Figuren abseits der 90-60-90 Einzug in die Medien finden, aber trotdem wird immer noch viel öfter über den Körper (nicht mal nur Figur sondern auch Kleidung, Frisur, Make-up) diskutiert als über den von Männern, während ihre eigentlichen Handlungen in den Hintergrund geraten. Sieht man zB gut bei Politikerinnen oder Schauspielerinnen (gerade bei der Oscarverleihung, wo die getragenen Kleider oft wichtiger sind als die Filme, die von besagten Frauen gespielt, gemacht oder produziert wurden).
    Viel wichtiger wäre es doch, Körper aller Arten in Medien generell nur nebenbei zu zeigen und nicht zur Hauptattraktion zu machen, sondern mehr in den Vordergrund zu rücken, was Frauen als Menschen leisten und nicht als Dekoration…

    Ein guter Schritt ist es für den Anfang aber doch, finde ich, denn irgendwo muss man ja anfangen. Wenn auch vielleicht nicht mit so einem Format…

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  6. Mom sagt

    Ernsthaft jetzt? Man lässt Leute auf einer Frau rummalen, die mit verbundenen Augen passiv und wehrlos in einer Fußgängerzone rumsteht?
    Nöch, die Frau mal wieder als Objekt, die sich noch dazu Selbstbestätigung daraus holt, sich als Objekt behandeln zu lassen.

    *würg

  7. Ich kann gut verstehen, warum du an dem Text so viel herumüberlegt hast. Es ist ein schwieriges Thema. Gerade, weil es schwer in solche Worte zu fassen ist, die niemanden angreifen oder kritisieren. Denn es ist mutig sich so in die Fußgängerzone zu stellen und es ist toll, wenn jemand seinen Körper so liebt, wie er ist, aber … nach so einem aber kommt eigentlich nie etwas gutes, aber deine Gedanken dazu würde ich als etwas gutes bezeichnen.

    Mir ist so manches in die Richtung in letzter Zeit auch aufgestoßen, aber ich habe beschlossen, es als notwendigen Zwischenschritt zu sehen. Wir(die Gesellschaft) können uns noch nicht von den Körpern abwenden, der Schritt wäre zu groß, ist momentan noch nicht machbar. Erstmal müssen wir noch mehr Körper zeigen, müssen die Körper so viel und so vielfältig zeigen, dass sie irgendwann niemanden mehr auffallen. Und dann erst können wir über die Körper hinausgehen und uns auf die Menschen konzentrieren.
    Ich denke, durch diese Phase müssen wir jetzt einfach durch. Es tut sich immerhin überhaupt was. Und das ist schon mal gut.

    LG Lexa

    • Da hast du total recht. Die Gefahr ist ja auch immer, wenn man Zuviel kritisiert, dass viele dann kommen und sagen: „Na dann halt nicht.“ Und genauso eben aufpassen, dass wir den zweiten Schritt nicht vergessen.

  8. Auch wenn Gedanken oft widerspenstig sind, wenn man versucht sie in Worte zu fassen, glaube ich zu verstehen, was du meinst. Und noch besser: Ich bin mit dir einig. Wir sollten endlich unseren weiblichen Körper einfach Körper sein lassen (egal in welcher Größe) und uns mit wichtigerem z. B. unserem Verstand beschäftigen. Das wär wirklicher Fortschritt.

    • Absolut, die große Frage ist, geht das nacheinander oder parallel? Und manövrieren wir uns nicht tiefer in die Körperfalle, wenn wir den jetzt so betonen. Aber ich mache es 1) auf dem Blog auch 😉 und 2) ist es wahrscheinlich ein guter Weg, dass Thema erstmal zu platzieren. Denn immerhin ist das Thema abends in Sat.1. Danke dir für deinen Kommentar!

  9. Ich bin hin- und hergerissen (mal davon ab, dass die Aufmachung des Clips scheußlich ist). Diese Frau scheint sich ja jahrelang nur darüber definiert zu haben und kann vielleicht nur dieses Hindernis wahrnehmen und eben daran arbeiten. Der Part über ihren Ex spricht da Bände. Wenn es ihr hilft, so zu sich und damit zu mehr als Körperlichkeit zu finden, geht das in Ordnung, denke ich. Das Problem war quasi schon vorhanden. Dass wir daran arbeiten müssen, dass dieses erst gar nicht entsteht bzw. kein Thema mehr ist – gar keine Frage. Wenn man das Video denn ernst nehmen möchte, dann wird hier ein Symptom bekämpft, nicht die Ursache.

    • Ja, das war bei mir auch der Gedanke: „Ihr geht’s gut dabei und sie fühlt sich wohl.“ Und wenn Sie es so empfindet, gibt’s eigentlich nichts zu kritteln, aber es passte gut zu den Gedanken, die eh schon da waren.

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