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Wir können uns beruhigen, es gibt doch eine Feministin im Weißen Haus

Bereits vor einigen Tagen machte ich eine Entdeckung im Bücherregal. Dort stand das 2009 erschienene Buch von Ivanka Trump. Ich hatte nicht mehr im Kopf, dass ich es besitze. Ivanka erzählt auf 230 Seiten ihre berufliche Erfolgsgeschichte. Das Buch stand ganz in der Nähe von #girlboss von Sophia Amoruso (die mit Anfang 20 aus einem eBay-Shop einen der erfolgreichsten Onlinemodeversandhändler machte) und Sheryl-Facebooks-erste-Frau-im-Staate-Sandbergs Manifest für erfolgreiche Frauen: Lean In. 

Alle Bücher waren New York Times – Bestseller. Und wieso sollten sie dies auch nicht sein? Hier erzählt eine noch rare Spezies ihre Geschichte: wirtschaftlich erfolgreiche Frauen, die es ganz nach oben geschafft haben. Ivanka Trump mag mit den besten Vorraussetzungen geboren worden sein, aber hier gehört sie hin. Donalds Tochter ist schließlich nicht nur seit Jahren die Nr. 2 im Trump-Imperium hinter Daddy (obwohl ja auch noch ein paar Söhne dagewesen wären) und beaufsichtigt damit Großbaustellen und Millionen-Deals. Sie war auch rechte Hand in seiner Fernsehshow, gibt Businessratschläge an die Kandidaten und Kandiatinnen, die um den Top-Job kämpfen und baute aus ihrer Popularität eine 100-Millionen-Dollar-Lifestylemarke auf. Ivankas Anleitung für weiblichen Erfolg liest sich an vielen Stellen nicht anders als Sheryl Sandbergs: reinhängen, durchbeißen, ranhalten. Und: Es ist für Frauen nicht das Gleiche in der Wirtschaft, sie erfahren Nachteile. Weibliche Ambitionen werden nicht überall gern gesehen.

Deshalb ist Ivanka, wie man in zahlreichen Interviews nachlesen kann, Feministin. Und würde die von ihr beschriebenen Zustände trotzdem nie Diskriminierung nennen. Auf CBS, in der Vogue, im Hochglanzmagazin Harper’s Bazaar betont sie, Feministin ja, aber sie möchte ihre Botschaft nicht politisieren. Konservative Feministinnen sind keine neue Erfindung. Auch Sarah Palin reklamierte die Selbstbezeichnung einst für sich. (Hey, wenn wir Glück haben, werden es vielleicht sogar zwei Feministinnen im weißen Haus.). Die Argumente für diesen vermeintlichen Widersprich gehen so: Die freundlichen Feministinnen des 19. Jahrhunderts hatten ja Recht mit ihrer Idee wählen, studieren und arbeiten (!) zu wollen. Aber heute geht das Alles doch ein bisschen zu weit – mit dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zum Beispiel, das bereits ein harmloses Zwischen-die-Beine-fassen geißelt. Es gibt einen Weg zwischen höchsten beruflichen Ambitionen und konservativsten Überzeugungen. Das weiß Frauke Petry auch.

Und doch ist Ivanka Trumps Feminismus noch etwas anderes. Millenial wird sie gern genannt. Im Jahr des Erscheinens ihres Buches heiratete sie, konvertierte für ihrem Mann zum Judentum, drei Kinder folgten, das Jüngste ist noch nicht einmal ein Jahr. „Full-speed at work and hands-on at home“ schreibt die Vogue und zitiert ihren lachenden Ehemann: „Ivanka ist auch zu Hause die CEO.“  Ihr Instagramaccount ist Zeugnis dieses Lebens. Wenn es Frauen an Vorbildern mangelt, hier findet man eines. Ivanka mit dem Baby in der Trage bei einem Meeting („Hat die ganze Zeit durchgeschlafen.“), Ivanka bei der Teeparty ihrer Tochter im Kinderzimmer, Ivanka postet das Foto eines Plus-Size-Models in einem Teil aus ihrer Kollektion…Ivanka auf der Großbaustelle, in der Aufsichtsratssitzung, Ivanka musste die Einkäufer anmotzen, weil die Spahandtücher für das neue Hotel nicht kuschelig genug waren.

Nicht auf einem Bild trägt sie einen Hosenanzug. Ihre Arbeitsuniform ist das figurbetonte Etuikleid oder der Bleistiftrock. Das ist das Outfit der modernen Businessfrau von Claire in House of Cards bis zu Yahoo-Chefin Marissa Mayer. Vielleicht hat sich Hillary Clinton mit ihren Pantsuits doch keinen Gefallen getan.

Im nächsten Jahr erscheint Ivankas neues Buch. Es wird schon jetzt begleitet von ihrem #WomenWhoWork – Hashtag, der Frauen Mut machen soll, sich selbst zu verwirklichen, herauszugehen und sich ihre beruflichen Chancen einfach zu nehmen. Man will den Vergleich mit Sheryl Sandberg nicht überstrapazieren, er ist nicht ganz fair. Nicht nur, weil sie nur Bücher verkauft und nicht 300-Dollar-Handtaschen, Halsketten und 60-Dollar-Business-Schwangerschaftskleider mit ihrer Selbstbestimmtheitsbotschaft.

Und doch ist auch sie Vertreterin eines Feminismus, der alles kann und selten etwas muss. Wir kennen ihn aus der Dove-Werbung, von Always oder dem Antifaltenmittel, für das gestern bei The Voice of Germany geworben wurde. („Ich entscheide, wen ich liebe, ob und wann ich Kinder kriege, ich bestimme mein Gewicht. Und sag dir jetzt, was wichtig ist: keine Falten im Gesicht.“) Dieser Feminismus, diese Selbstbestimmung hält Brüche aus, sie kann problemlos Neues adaptieren. Die Angestellten in Ivankas Firma erhalten bezahlten Mutterschaftsurlaub, ihr Baby trägt Windeln von Jessica Albas Honest Company. Einer Marke, die sich gegen den Klimawandel engagiert. Neues adaptieren –  und anderes komplett ignorieren.

Ein paar Tage vor der Wahl wurde Ivanka auf dem Fortune’s Most Powerful Women Summit Backstage fotografiert, wie sie mit Anita Hill sprach. Der Frau, die 1991 mit ihrer Aussage zur verbalen sexuellen Belästigung („Mein Penis heißt Long Dong Silver.“, „Ich glaube, da ist ein Schamhaar an meiner Coladose.“) durch ihren ehemaligen Chef und für den Supreme Court nominierten Richter Clarence Thomas die Debatte (und das Verständnis) für die vielen Formen von sexueller Belästigung in den USA maßgeblich vorantrieb. (Den HBO-Film Confirmation mit Kerry Washington als Anita Hill gibt es auch synchronisiert bei Amazon im Stream, es lohnt sich.) Das funktioniert in der feministischen Welt der Ivanka Trump, ohne dass man zwei Mal über die Frau nachdenken muss. Es funktioniert für sie. Und für viele andere. Es funktioniert auch oft für mich. Man bekommt schneller einen Zugang zu Gesprächspartnerinnen, wenn man über die Arbeitswelt redet. Hier kennt jede die kleinen Diskrimierungen. Und es ist ein viel schöneres Thema als Abtreibung oder häusliche Gewalt. Deshalb teilen wir auch lieber den Kitausbau und Gender Pay Gap als noch etwas über die Abtreibungsgegner in Polen.

Es ist eine Selbstbestimmung, die zuallererst wirtschaftlich gedacht ist. Die nicht politisch sein will oder gar nicht politisch sein muss, weil sie in sich bereits die Veränderung trägt. Die nicht wirklich unbequem ist. Es ist wie in Firmen, die Selbstbewusstseinscoachings und Frauenmentoringprogramme anbieten und wo trotzdem jeder mit dem grapschenden Kollegen aus der Personalabteilung lebt. Weil es eben so ist. Ärgerlich, wie der Kopierer, der immer bei den Farbkopien zickt. Aber eben Teil unserer Realität.

In diesem Feminismus sind Frauen selbstverständlich Führungsfiguren. They get shit done. Nicht wie in Washington, wo sie nie etwas zu Stande bringen, wenn man Trumps Wahlkampfrhetorik Glauben schenkte. Selbstbestimmung wird an wirtschaftlichen Erfolg gekoppelt. Feminismus ist gut (und erstrebenswert), wenn er Geld, Macht und Einfluss verspricht. Mehr Kohle, mehr persönliche Freiheit. Ein fragwürdige Formel, weil sie so wenig anderes mitdenkt. Und es nie für alle genug Geld geben wird. Dafür verteilen wir auch einfach zu schlecht.

Dieser Feminismus fördert auch die Vereinzelung von Frauen, denn wir wissen: It’s lonely at the top. – Ganz oben wird es schnell einsam. Ganz so voll will man es dort auch gar nicht haben. „Ivanka ist auch zu Hause die CEO.“ ist ein gutes Bild. Sie kümmert sich vermutlich nicht selbst um Kindergeburtstagsgeschenke und Arzttermine. (Wie die Frauen, die ihre Kleider in den großen Kaufhäusern shoppen, sich nebenbei im Job aufreiben und sich dann fragen, wieso sie so erschöpft sind, dass sie auf der Stelle umfallen könnten.) Bei Ivanka machen das Nannys und Hausangestellte, die nie auf den Instagram-Fotos zu sehen sind. Aber die Quality-Kuschelzeit mit ihren Kindern ermöglichen (jeden Morgen vor der Arbeit) und denen sie sehr dankbar ist, wie sie jüngst verkündete. (Hoffen wir mal für sie, dass es sich nicht um nichtregistrierte Einwanderer handelt und sie bald selbst abwaschen muss.)

Man kann es drehen und wenden, wie man will. Diese Frauen sind Vorbilder, sie werden dazu gemacht. Und plötzlich scheint die Tatsache, dass 53% der weißen Frauen Trump gewählt haben, vielleicht etwas mit seiner Tochter zu tun zu haben. Es ist ein Widerspruch, der schwer aufzulösen ist. Zu sehr scheinen wir uns daran gewöhnt zu haben, dass Emanzipation gleich wirtschaftlicher Erfolg ist. Gleiches Geld, gleicher Sitz im Vorstand und die Gleichberechtigung wird auf allen Gebieten folgen. Aber man muss nicht nur ein eventuelles schlechtes Gewissen wegschieben, wenn man oben auf der Sonnenterrasse sitzt, während unten für die anderen Frauen der Keller vollläuft – frei nach Laurie Penny. Die Idee, dass man mit wirtschaftlicher Macht frei ist von Diskriminierung, ist an sich eine falsche. Donald Trump sagte in einem Interview, dass seine Tochter Ivanka nie Opfer sexueller Belästigung werden würde, denn sie sei eine „starke, mächtige Frau“.

Wir wissen, dass das eine weitere Lüge ist.

Foto: flickr – Cvent Inc – CC by 2.0

Von Affen, Menschen und warum wir alle Liebe brauchen

Ich möchte schon seit vielen Stunden etwas Kluges schreiben. Ich schiebe eine Menge Ideen hin und her, aber es will nicht richtig etwas werden. Stattdessen denke ich auf einmal ständig an Harrys Affen, die mir vor Jahren in einer Psychologieeinführungsveranstaltung begegnet sind. Ich habe es eigentlich schon aufgegeben mit den Gedanken in meinem Kopf, bis ich diesen Text lese. Genauer gesagt, lese ich den Text und einen Kommentar dazu auf Twitter. Dort schreibt jemand, wer mit Emotionen die US-Wahl kommentiert, ist hypersensibel, wenn nicht gar hysterisch und hat die ganze Sache nicht verstanden (Demokratie halt). Die Überheblichkeit macht es mir klar. Plötzlich weiß ich, wieso ich an die Affen denke. Und warum ich eigentlich nicht darüber schreiben wollte und gewartet habe, dass noch eine sehr intelligente Analyse in meinem Kopf entsteht. Mir waren Emotionen auch im ersten Impuls zu wenig. Aber das sollten Gefühl nie sein. Deshalb erzähle ich jetzt von den Affen.

Irgendwann in den 1930er Jahren fing Harry Harlow an, Experimente mit Affenbabies zu machen, indem er ihnen mit Absicht Liebe entzog. Es läuft mir immer kalt den Rücken runter, wenn ich überlege, wie er die kleinen Affen ihren Müttern wegnimmt, um sie in einen kalten Raum (vermutlich mit Betonwänden) zu bringen. Es hat eine verzweifelte Traurigkeit, wie er den Affen nach und nach Attrappen als Ersatzmütter (oder Väter oder Ersatzbezugspersonen) anbot. „Sag mir, kleines Baby, welche Mutter magst du lieber? Die aus Draht oder die, die noch mit einem weichen Handtuch umwickelt ist?“ – „Oh, du magst die lieber, an die du dich kuscheln kannst, obwohl die andere dir Milch geben würde…“ Wie man 30 Jahre Forschung braucht, um herauszufinden, dass Lebewesen andere Lebewesen, Berührungen und Nähe brauchen, ist mir ein Rätsel. An eines der herzzerreißendsten Details erinnere ich mich so. Wenn man die kuschelige Attrappe in einem Raum voller neuer Eindrücke stelle, fingen die Babys an, sich diesen neuen Gegenständen zu nähern. Weil sie sich immer wieder in den Schutz der Mutter zurückziehen konnten. Wenn man die Attrappe entfernte, waren sie sofort von der neuen Situation überwältigt und machten nichts mehr außer verzweifelt auf dem Boden hin und her zu rutschen, zusammengekauert wie kleine Fellbündel.

Ich dachte an die Affen, weil mich ihre Geschichte an eines erinnert: Dass wir alle, tief in unserem Inneren, nur eines brauchen. Und dieses Eine braucht so wenig. Unter all diesen Wünschen nach größeren Häusern und erfolgreicheren Karrieren, wollen wir alle nur ein bisschen Liebe, ein bisschen Anerkennung und echte Nähe. Wenn wir sie bekommen – von unseren Eltern, Partnern, Freunden und Freundinnen, Vorgesetzten, oder einfach nur eine Gruppe von Menschen, die uns nahestehen, dann umklammern wir sie, wollen mehr, genießen sie mehr und leben mehr. Wenn sie uns versagt bleibt, weil wir vernachlässigt werden oder isoliert sind, gerät alles durcheinander.

Es ist Freitag. Bei den Meisten von uns liegt vermutlich eine anstrengende Woche hinter uns. Vielleicht versuchen wir trotzdem morgen ein klein wenig mehr zu lieben. Keine Drahtmutter zu sein, die nur das Nötigste gibt und keine flauschige Attrappe, die auch nur Zuwendung verteilt, wenn jemand ausdrücklich danach verlangt. Schauen wir mal, was passiert, wenn wir aktiv unsere Nähe anbieten. Eine extralange Umarmung, eine aufrichtige Nachfrage, eine Überraschung, ein Kuss. Was passiert wohl, wenn sich jemand einer Unterstützung, einer liebevollen Nähe sicher sein kann? Wenn wir als Menschen eigentlich wissen, was wir brauchen, was wir wollen, sollte es uns nicht peinlich sein, es zu bekommen und zu geben. Oder darüber zu schreiben.

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Geliebt zu werden macht uns stark.
Zu lieben macht uns mutig.

Laotse

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Foto: flickr – John Lambert Pearson – CC by 2.0

Traumkörper

Morgens – ganz kurz nachdem sie die Augen aufgeschlagen hat – erzählt mir meine Tochter manchmal, was sie geträumt hat. Es passiert nicht jeden Tag. Ich verpasse den Moment oft, weil sie von selbst wach geworden und aufgestanden ist. Aber wenn ich das Kinderzimmer früh genug erreiche, kann ich zusehen, wie sie wach wird. Und dann, halb noch im Schlaf, fängt sie an zu blinzeln und zu lächeln und erzählt, was sie in der Nacht erlebt hat. „Ich habe von meinem Traumkörper geträumt.“ sagte sie heute und vor Verwunderung konnte ich zunächst gar nichts erwidern. „Woher hat sie denn dieses Wort?“ war mein erster Gedanke. Aber da hatte sie schon weitergesprochen: „Mein Traumkörper, Mama, konnte unter Wasser atmen. Ich bin geschwommen und  getaucht und es hat funktioniert.“

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Die Fitnessinstagramerin präsentiert ihre Bauchmuskeln und schreibt darunter: „Wenn du dich motivieren willst, stell dir einfach deinen Traumkörper vor. #determination“

Traumkörper. Was ist das eigentlich für eine Idee in diesem Wort? Gleichzeitig verführerisch und irgendwie lächerlich zugleich. Die Verbindung aus einem nicht greifbaren, vagen Konzept wie Traum mit etwas, das kaum präsenter im Hier und Jetzt, kaum physischer sein könnte, als unser Körper.

Keine Entschlossenheit dieser Welt, denke ich bei mir, wird den Wunsch meiner Tochter ohne Hilfsmittel unter Wasser atmen zu können, erfüllen. Ist der Blick auf die Bauchmuskeln und Beine der Instagramerin nicht das Gleiche? Kein Sportprogramm der Welt wird 1,60 m Frauen in 1,75 m verlängern. Ihre Beine können vielleicht schlanker oder muskulöser werden aber so werden sie nie aussehen. Und egal, was dein Fitnessstudio sagt, meine Sportmedizinerfreundin sagt, der eigene Grundkörperbau lässt sich nicht wirklich ändern.

Natürlich kann sich ein Körper verändern. Das tut er schon von sich aus mit der Zeit. Die Vorstellung, dass wir alle lebenslang nur nach einem einzigen Körper streben sollen, scheint doch eigentlich grotesk. Wo wir doch wissen, mit wie vielen verschiedenen Körpern wir bereits durchs Leben gegangen sind – als wir Mädchen waren, als wir mehr Sport gemacht haben, als wir schwanger waren.

Natürlich können wir stärker und schneller werden, nicht mehr außer Atem kommen, wenn wir dem Bus nachlaufen oder in den 5. Stock sprinten. Aber es ist so individuell, was man von seinem Körper gern hätte, was er zu leisten bereit ist. Egal, wie viel Gemeinschaft uns Motivationsbilder suggerieren. Am Ende ist es ein einsamer Weg, diesen eigenen Körper kennenzulernen. Deshalb ist ein Traumkörper vermutlich genau das, wovon meine Tochter erzählte. Etwas Magisches, Faszinierendes –  aber selten Reales. Und etwas zutiefst Individuelles.

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Wir Erwachsenen träumen von ihm allerdings in anderen Dimensionen. Da ist die Schönheitsdimension, aber da ist auch die Effizienzdimension, überlegte ich heute den Tag über. Eine gut geölte Maschine soll er sein, unser Körper – möglichst fehlerfrei, geschmeidig und leistungsstark. So, dass er vorhersehbar und mit Sicherheit seine Arbeit tut. Ich mag den schönen Körper der Instagramerin wegwischen können, aber irgendwie träume ich trotzdem von   so einem, denke ich bei mir. Von einem, der nicht ernsthaft krank wird, der ohne Probleme altert, der mir mit seiner Körperlichkeit keine Steine in den Weg legt, wenn es um meine Pläne geht.

Das ist ein Körper, den ich kontrollieren will oder der sich selbst ordentlich kontrolliert. Auch das hat etwas mit Disziplin zu tun. Mit einer utopischen Idee. Und feiern wir so nicht auch, was der Körper tun könnte und nicht das, was er einfach ist? Am Ende ist wahrscheinlich nur eines sicher: Wir sind keine Maschinen. Ganz egal, wie nah uns Marathonläufe und Einheiten im Fitnessstudio an diese Idee heranführen. Wir sind verletzlich. Und unser Körper ist es auch. Ein Traum von ihm ist dann genau das. Ein Zustand, der nur in einem flüchtigen Moment entsteht. Kein Normalzustand. Ein Extrem irgendwie. Es hat nur einen kleinen Kindertraum gebraucht für diese Erkenntnis.

Foto: flickr – Jared Tarbell – CC by 2.0

Ein bisschen Podcastliebe

Podcasts sind großartig. Ich habe sie entdeckt, als ich dem ersten Kind stundenlang zum Einschlafen die Hand hielt und musste ein zweites bekommen, um mein abendliches Hören weiter zu rechtfertigen. Nachdem das erste Kind irgendwann wie aus dem Nichts beschloss, dass es groß sei und mich nicht mehr brauche. (Nicht erst seit diesem Erlebnis weiß ich, dass Erziehung eine Illusion von nervigen perfekten Babykindkurs-Müttern ist. Kinder machen alles irgendwann, nur nicht in meinem Tempo.)

Der Plan mit dem zweiten Kind ging übrigens nur bedingt auf, denn es schlief von Anfang an unglaublich gut. Freundlicherweise hat es sich aber das Zahnen bis jetzt aufgehoben, so dass es nachts ganz viel wach ist, allerdings relativ friedlich. Es lässt sich gemächlich Dauerstillen und greift ständig nach dem Kopfhörer in meinem Ohr, was drei Dinge zur Folge hat.

  1. Mein Osteopath verdient wieder ordentlich an mir, denn ich vollführe jede Nacht eine lustige Verrenkung, die das Liegendstillen erlaubt, aber dem Baby den Blick auf meinen Kopfhörer verwehrt.
  2. Da das Kind den entgangenen Nachtschlaf tagsüber aufholen muss, hat es wieder die Dauerposition in der Trage eingenommen, so dass ich nicht nur nachts Podcasts hören kann, sondern auch tagsüber. Während ich in der Wohnung für die Olympiameisterschaften im Gehen trainiere.
  3. Der Schlafmangel, mein alter, lieb gewonnener und überhaupt nicht vermisster Freund, ist wieder da (Erwähnte ich, dass ich nachts ewig wach bin, wenn ich einmal wach bin?). Aber während ich beim ersten Kind mit Gedächtnislücken zu kämpfen hatte und beim Reden ständig abschweifte, geht es dieses Mal. Was wollte ich nochmal schreiben?

Ach ja, Podcasts. Meine bereits ordentlich lange Liste reichte nicht mehr aus. Auf Twitter habe ich schon immer mal Podcasts empfohlen, deshalb hier kurz der Hinweis auf zwei alte Lieblinge: Lila-Podcast (Feminismus in schön) und  Reptile Podcast (zwei Freundinnen reden, so toll).

Und hier die Neuentdeckungen:

Millenial – Dieses Gefühl, dass das Leben nach der Uni endlich los geht und die Welt trotzdem nicht auf dich gewartet hat (und besonders nicht darauf, dass du deine Träume verwirklichst). Hier begleitet man Megan Tan durch ihre 20er. Die 1. Staffel  fand ich super, weil man mit Megan wirklich in Illusion der Echtzeit bei Allem dabei ist (Wiedereinzug bei den Eltern, Bewerbungsgespräche …). Staffel 2 finde ich nicht mehr so spannend, weil sich die Geschichte  zunehmend von ihr entfernt. Empfohlen hatte ihn mir die Groschenphilosophin. Danke dafür!

Feuer und Brot – Alice und Maxi, wieder zwei beste Freundinnen aus Kindertagen reden sich einmal quer durch aktuelle Themen und die Popkultur – immer mit feministischen Untertönen, gut recherchiert und sehr angenehm anzuhören. Was auch daran liegen mag, dass eine von Beiden auch als Synchronsprecherin arbeitet.

Die absolute Riesenempfehlung ist The Black Tapes Podcast. Vielleicht liegt es daran, dass eigentlich #Horrorctober ist und ich dieses Jahr nicht mitmache (letztes Jahr schon) oder daran, dass ich immer dachte „Hörspiel-Podcasts“ sind nichts für mich und nun eines Besseren belehrt wurde. Es ist auf jeden Fall einfach nur großartig, wie Alex Reagan, Reporterin bei Pacific North West Stories, sich auf die Suche nach dem Geheimnis der Black Tapes macht. Das sind Videokassetten, die paranormale Ereignisse zeigen sollen. Aufbewahrt von Dr. Richard Strand, dem Gründer des Strand Institute, das jedem 1 Million Dollar verspricht, der den Beweis für paranormale Ereignisse erbringt. Das Ganze ist nicht nur spannend, ein bisschen gruselig und vielschichtig. Es ist auch super produziert und toll begleitet (es gibt z.B. Twitteraccounts und Webseiten zu allen Details). The Black Tapes lässt bewusst offen, ob die Geschichte real ist. Ich kann einem Rezensenten auf iTunes nur zustimmen: „Wenn man hier reingehört hat, weiß man, wieso die Leute vor den Radiogeräten 1938 bei der Hörspielversion von Krieg der Welten tatsächlich dachten, dass uns Aliens angreifen.

Kurzum, es ist toll, es macht süchtig. Um die beiden Staffeln wie ich in einer guten Woche durchzuhören, müsst ihr euch aber wahrscheinlich ein zahnendes Baby besorgen. Meines muss ich leider erstmal behalten, die 3. Staffel startet bald.

PS: Off-Topic fand ich es interessant, wie selbstverständlich amerikanische Podcasts gesponsert werden und wie wenig es mich stört, wenn ein Exorzismus für einen kurzen Sockenwerbespot (kein Witz!) unterbrochen wird. Also, liebe deutsche Firmen, gebt doch den Podcasts mal ein bisschen Geld.

Foto: flickr – Tanja Djordjevic – CC by 2.0