Marissa Mayer, erste weibliche Informatikerin bei Google und heutige Vorstandsvorsitzende von Yahoo, erzählt in einem Interview eine Anekdote. In ihrem Kurs an der Standford University war sie die einzige Frau und las in der Unizeitung über „Campustypen“. Der Artikel sprach von der „blonden Frau im Informatikmaster“ und die blonde Mayer überlegte: „Mhm, die müsste ich doch kennen.“ Sie selbst war gemeint. Mayer erzählt die Geschichte, um zu illustrieren, dass sie ihre Sonderstellung nie groß reflektiert hat.
Auch Stefanie, die auch auf Miss Booleana bloggt, war in ihrem Jahrgang die einzige Frau in „Angewandte Informatik“. Im Gegensatz zu Marissa Mayer hat mir die heutige Softwareentwicklerin aber ein tolles und sehr reflektiertes Interview über eine Sonderposition gegeben, die eigentlich keine sein sollte.
Ihr Start in die Computertechnik war zunächst holprig, wie sie selbst sagt. Als Teenager war sie fast die Letzte ohne Computer und musste eine ganze Weile darauf sparen. Irgendwann war das Geld da und als das erste Programm lief, fühlte sie sich „als wäre ein Licht angegangen.“ Und wusste: „Das will ich machen.“
Nicht jede, die einen Computer hat, setzt sich aber zum Programmieren daran. Den Grundstein hatte die Schule gelegt. Deshalb ist Stefanie auch heute davon überzeugt, dass Informatik möglichst früh in den Stundenplan gehört – damit Jungen wie Mädchen die Chance bekommen zu merken: „Das wäre etwas für mich.“ Insbesondere Mädchen brauchen aber viel früher auch die Botschaft, „dass sie auch Naturwissenschaft und Technik können“. Stefanie ist überzeugt, MINT-Initiativen sind da nur ein Baustein, denn:
„Wenn das verpasst wurde und Mädchen drauf gedrillt werden, etwas anderes zu machen, dann erreicht sie wahrscheinlich auch kein Girls Day. Dann fahren die Eltern sie dort gar nicht erst hin und die Chance bleibt ungenutzt. Und, wer Frauen in dem einen Bereich fördert, muss auch Männer in den anderen Bereichen fördern, beispielsweise im sozialen Sektor.“
An die ersten Programmierversuche schloss sich bald das Studium an. Wie man sich fühlt, beinahe allein unter Männern zu sein und welche Klischees über Frauen in der Informatik ihr begegnet sind, habe ich auch gefragt.
Sind dir Vorurteile begegnet und welche haben dich besonders geärgert?
„An der Uni habe ich Vorurteile gegenüber Frauen öfter zu spüren bekommen, zumindest von Kommilitonen. Gleich am ersten Tag haben ältere Studierende gesagt: „Mal sehen, wie lange du dabei bist“. Deren Erfahrung war, dass Frauen es nicht geschafft haben und früher oder später wegen irgendwelcher Matheprüfungen rausgeflogen sind. Das hört man natürlich am ersten Tag gern. Auch ich war nicht so super gut in jeder mathematischen Disziplin und bin ein Mal durch eine Matheprüfung gefallen. Aber in Programmierung hatte ich fast immer meine Eins vor dem Komma. Irgendwann haben die Kommilitonen es dann begriffen, dass ich klarkomme und die Sprüche und Vorbehalte hatten ein Ende. Es ist ein verdammt gutes Gefühl, wenn dir mancher männliche Kommilitone eine kurze Laufbahn an der Uni vorhersagt, weil du ein Mal durch Mathe durchgefallen bist und dann hast du als Erste deine Bachelorarbeit verteidigt. Natürlich hatte ich aber auch gute Freunde während des Studiums, die mich auch von Anfang an normal behandelt haben und mir das Gefühl gegeben haben, dazuzugehören. Ich denke, dass diese Begegnungen im Studium auch Männer wachsen lässt. Als Sonderling habe ich mich aber oft gefühlt. Manchmal auf eine gute Art, wenn die Professoren die Vorlesung eröffnet haben mit „Sehr geehrte Herren und sehr geehrte Dame“.“
Wie ging es dir mit der Sonderrolle als Frau?
„Man wird wahrgenommen und spürt das auch, das kann sehr cool sein. Anfangs war es auch schön, wenn Leute mich gelobt oder ermutigt haben, Informatik zu studieren.
Dann gibt es aber auch andere Situationen, wenn die Leute einem das Gefühl geben, dass man etwas macht, für das man nicht geschaffen ist: „Das finde ich ja super, dass du das machst. Gerade du als Frau.“ Das klingt nur in der ersten Sekunde wie ein Lob, hinterlässt dann aber einen faden Beigeschmack. Es lässt das Thema „Frau in der IT“ so klingen, als ob man eine Behinderung hätte, die es einem unmöglich macht, zu programmieren. Viele Leute merken nicht mal, was für eine Botschaft da mitschwingt und meinen es vermutlich auch nicht böse.
Für Männer ergeben sich auch einige seltsame Erscheinungen aus dieser Sonderrolle der Frau. Niemand klopft den IT-Männern auf die Schulter und sagt „Finde ich klasse, dass du das machst.“ Bekommen die Frauen zuviel Aufmerksamkeit oder werden zu vehement gefördert, ist es nur natürlich, dass sich die Männer fragen: „Und was ist mit mir?“.“
Inzwischen arbeitet Stefanie als Java-Entwicklerin. Wenn man sie fragt, was sie macht, merkt man sofort ihre große Leidenschaft. Auch wenn mir manche Begriffe nicht viel sagen, spannend klingt ihr Job auf jeden Fall. Wie es mit der Geschlechterverteilung in der Branche bestellt ist und wie sie die Wichtigkeit weiblicher Vorbilder einschätzt, lest ihr hier.
Wie siehst es bei deinem jetzigen Job aus?
„Im Berufsleben habe ich bisher keine Kollegen oder Kunden getroffen, die mich diskriminiert hätten oder die noch mit solchen kindischen Vorurteilen um die Ecke kommen. Die Zahlen, die man in den Statistiken liest und von den Medien eingetrichtert bekommt, hauen aber in etwa hin. Traurigerweise. Betrachte ich die Firma, in der ich arbeite, so sind vielleicht ein Fünftel der Kollegen Frauen. Und das schließt die Frauen ein, die im Personalbüro arbeiten. Ich habe mich oft gefragt, wie das zustande kommt und kann mir nur erklären, dass es an der Gesellschaft liegt und dem Frauenbild, das vermittelt wird. Frauen werden nicht vorrangig mit technischen Berufen verbunden. Es scheint außerdem nicht attraktiv genug zu sein, Informatikerin zu werden. Das typische Nerd-Klischee hilft dabei auch nicht unbedingt.“
Gibt es eine besondere Solidarität unter Frauen in der Techbranche?
„Die Solidarität ist da und auch wichtig. Solange Frauen in der Minderheit in dem Feld sind, braucht man manchmal jemanden, mit dem man sich austauschen kann. Insbesondere, wenn man tatsächlich mal seltsam behandelt wurde. Der andere denkt sich vielleicht nicht mal was dabei, die Betroffene ist aber meist aufgewühlt. Jeder braucht mal jemanden zum reden. Und manchmal braucht man eben jemandem zum reden, der schon mal in der Situation war.
Wir Frauen aus der Firma veranstalten ab und zu Frauenabende. Nicht mal unbedingt aus tiefschürfenden Gründen, sondern einfach weil wir es können. Wir passen zahlenmäßig in eine Kneipe oder Cocktailbar. Würden sich alle unsere männlichen Kollegen treffen, müsste man ein Audimax mieten.
Weibliche Vorbilder fehlen auch. Ab und zu wird über Ada Lovelace geredet. Während meines Studiums habe ich von Hedy Lamarr gehört. Aber was ist mit Pionierinnen wie der großartigen Grace Hopper? Ich weiß nicht warum und es kann sein, dass ich mich täusche und übertreibe, aber ich habe wirklich den Eindruck gewonnen, dass die Leistungen der Frauen auf dem Gebiet in der Geschichte klein gehalten wurden und auch heute nicht viel Aufmerksamkeit bekommen.“
Ich habe viel Neues erfahren und sage: „Danke, liebe Stefanie!“ Herzlich willkommen in der Kategorie coole Frauen.
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Neues Futter für eure Blogleseliste: seit fünf Jahren gibt es Miss Booleana und es ist eine Menge Lesenswertes zusammengekommen. Stefanie schreibt über Filme und Literatur, Internet und Alltag. Sie sagt, sie hat ein Herz für Underdogs und das merkt man ihrem sehr klaren Blick an, der nicht davor zurückschreckt, Diskriminierungen zu benennen. Die Sache mit den fehlenden Frauen in der Informatikgeschichte nimmt sie auch selbst in die Hand und stellt in einer Serie einige von ihnen vor. Ach, und Stefanies Manga und Japanleidenschaft findet auch ihren Platz. Ihr müsst jetzt einfach selbst vorbeischauen, denn ich habe bestimmt die Hälfte vergessen.
Foto: flickr – Felix Nine – CC by 2.0