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#4 Die schlechtgelaunte Folge – Unbeschrieben-Podcast

Der Frühling ist da, aber hat bei mir noch nicht richtig eingeschlagen. Ich habe schlechte Laune und das liegt auch am Buch. Irgendwie läuft es nicht so richtig. Und weil ich euch versprochen habe, euch auf allen Schritten des Weges mitzunehmen, ist es in diesem Monat eine kleine „Mimimi“-Folge geworden.

Viel Spaß beim Hören (trotzdem :-) ) , ich freue mich über Kommentare, Sterne auf iTunes und Rezensionen.
Eure Corinne

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Foto: flickr – John Floyd – CC by 2.0

Valentinstag

Wir haben den Teppich shampooniert. Einen Teppich zu shampoonieren ist nicht so leicht, wie man es sich vielleicht denkt. Man hat bei Shampoo eher Werbung für Haarshampoo im Kopf, in der alles immer sehr schnell geht. So ist es nicht. Menschen, die schon einmal gutbehaarte Hunde nach Waldspaziergängen reinigen mussten, haben eine Ahnung von dem Warten und Tupfen und dem Warten und Schäumen und der ganzen Sauerei, von der man hofft, dass sie am Ende in strahlender Sauberkeit mündet.

Wir kamen beide beinahe wie aus dem Nichts auf die Idee, dass man doch einmal den gesamten Teppich shampoonieren könnten. Vielleicht, weil schlechtes Wetter war, dachte ich zunächst und auch, weil er einen Fleck von Tomatensoße hatte. Es war die Tomatensoße, die wir immer kochen, obwohl unsere Kinder sie sowieso nie essen. Sie war stückig. Es ist ein Frevel mit ihnen, denn sie wissen nicht um den Zauber der bloßen Existenz stückiger Tomatensoße. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir sie haben. Noch vor 30 Jahren gab es nur eine einzige Sorte Soße. Man rief Massen von Versuchspersonen zusammen, wenn man eine neue kreieren wollte und fragte alle nach ihren Vorlieben. Dann traf man sich irgendwo in der Mitte und hoffte, die eine Soße gefunden zu haben, die möglichst vielen schmecken würde. Es war irgendwie immer die Gleiche.

Dann kam Howard Moskowitz und erfand die Tomatensauce neu. Anstatt die eine perfekte Sauce zu suchen, die den meisten Menschen schmecken würde, überlegte er, sollte man nicht besser viele Saucen machen, so dass jede und jeder seinen absoluten Favoriten kaufen konnte? Howard kochte in der Versuchsküche 45 Sorten Tomatensoße, er variierte alles durch, Schärfe, Süße, Gewürze, Stückigkeit. Und machte sich mit ihnen auf eine Reise durch das Land. Er füllte große Hallen mit noch mehr Menschen und verteilte seine Soßen. Aber anstatt aus den Daten die eine perfekte Soße zu analysieren, gruppierte er sie in verschiedene Geschmäcker. Was ihn am meisten überraschte: Ein Drittel der Spaghettiesser mochte stückig-grobe Tomatensoße, obwohl noch niemals irgendjemand in irgendeiner Befragung etwas von Gemüsestücken erzählt hatte. Dabei hatte man doch fest daran geglaubt, dass man die Leute nur fragen musste, was sie essen wollten und sie es dann schon sagen würden. Aber das hatten sie nicht getan. „Unser Verstand weiß nicht immer, was unsere Zunge mag.“ dachte Howard Moskowitz. Und ich denke: „Wie unser Herz.“ Es gibt keine perfekte Tomatensoße, es gibt nur verschiedene Arten von Tomatensoße, passend für verschiedene Menschen. Während wir kniend den Schaum verteilten, wurde es mir klar: Hier ist sie, genau vor mir, nicht nur im Teppich. Ich habe meine stückige Tomatensoße gefunden.

Noch nie hatte ich vorher in irgendeiner meiner Wohnungen den Teppich shampooniert, mit niemandem. Ich hatte nicht einmal regelmäßig Fenster geputzt, ich hatte nur offensichtliche, vom hereinfallenden Sonnenlicht vorwurfsvoll angestrahlte Flecken entfernt. In anderen Wohnungen, bei anderen Fenstern und Teppichen war immer der Gedanke an das Temporäre, an die zeitliche Begrenzung da gewesen. Vielleicht würde bald ein Auszug kommen und mich das Leben an einen anderen Ort rufen. Was nützte es da, auf Monate zu reinigen?

Jetzt ist dies mein Zuhause, lange schon und so selbstverständlich vertraut. Es ist schön, ein wenig Feenstaub auf die eigenen Träume zu streuen, aber mein Glück liegt hier, inmitten dieses Schaumes, du bist es, ihr seid es. Du bist der Eine. Dabei weiß ich als aufgeklärter Mensch natürlich, dass dieses Glück nur Zufall sein kann und auf keinen Fall Bestimmung. Es wäre zu hoffnungsvoll-spirituell zu glauben, dass es diesen einen Menschen tatsächlich geben sollte. Hoffnungsvoll-spirituell, aber nicht auf die gute Art, wie wenn man sich kleine Buddhastatuen und Meditationskissen in die Wohnung holt, sondern nur naiv. Es würde schließlich heißen, dass ich eine Art kosmische Halbkugel wäre, genau wie Aristoteles sie beschreibt, immer auf der Suche nach ihrem Gegenstück, ihrer Ergänzung.

Einst rollten wir nämlich alle fröhlich durch die Welt, als lustige Kugeln mit zwei Gesichtern, vier Armen und doppelten Geschlechtsteilen. Dann wurde den Göttern unser Glück zu viel. Sie schnitten uns in zwei Teile und wir sind seitdem verdammt dazu, wieder eins zu werden, auf einer traurigen Suche nach unserer anderen Hälfte. Nur wenn wir sie finden, sind wir wieder komplett. Dann können wir uns auch mit zwei Penissen oder zwei Vaginas zusammentun, kein Problem bei den alten Griechen, da waren sie weiter. Unser Fortschritt besteht darin, dass es die fundamentale Eins nicht mehr geben kann. Die Menschen, die einem wirklich nahe kommen im Leben, sind von kleiner Zahl, darauf können wir uns einigen, aber nicht ausgerechnet auf Eins. Ich weiß das. Aber ich verhalte mich trotzdem gern so, als wäre es anders. Es fühlt sich an wie Eins, mit dir.

Als ich am Montag nach dem Shampoonieren als Erste nach Hause komme, atme ich scharf ein. Der Tag war ein echter Montag. Ich mache das Licht an und es fällt sofort auf den strahlenden Teppich. Sauber und weiß ist er, bis auf diese kleine Ahnung von Tomatensoße oben links in der Ecke. „Fällt aber niemandem auf,“ hast du gesagt „das wissen nur wir – unser Geheimnis.“

Ich schaue auf das Weiß und lächele. Ich liebe dich.

Foto: flickr – Jamie – CC by 2.0

Gastbeitrag: Fleabag ist die beste Serie, die 2016 niemand gesehen hat

Serien sind super. Ganz am Anfang liebte ich Clarissa, dann schaute ich selbstverständlich Beverly Hills und Melrose Place, es folgten Sex and the City, Roswell, The O.C. oder Gilmore Girls. Zuletzt habe ich Good Girls Revolt in einem Rutsch durchgeschaut und bin immer noch sauer, dass keine zweite Staffel in Auftrag gegeben wurde. Und jetzt, wie weiter? Meine fabelhafte Gastautorin weiß Rat. Sie hat eine Serie für uns entdeckt, die bisher völlig zu Unrecht unter dem Radar lag. Und das ist ihr Text dazu. 

Ich liebe Furzwitze. Fäkalhumor ist etwas, was mich mehr zum Lachen bringt, als es ein „kluger“ Witz jemals könnte. Es passiert durchaus, dass ich bei Filmen, wie etwa Deadpool oder Bridesmaids Tränen lachen muss. Viele Menschen scheinen schockiert, wenn sie meine Begeisterung für „unreifen Humor“ entdecken. Ich dachte, das läge daran, dass ich recht ruhig wirken kann, wenn ich neue Menschen kennenlerne. Oder daran, dass ich generell wohl sehr brav wirke. Das ist sicher mit ein Grund, aber ich glaube, es liegt auch daran, dass ich eine Frau bin. Weiterlesen

#3 Ich bin schon schlauer geworden und ihr könnt das auch – Unbeschrieben Podcast

Hier ist sie, die dritte Folge des Unbeschrieben-Podcast. Diesen Monat geht es um die wichtigen Wissensfragen des 21. Jahrhunderts. Wie diese hier: Als was muss man wiedergeboren werden, wenn man sichergehen will, nur noch in Privatjets zu reisen? –Antwort: Natürlich als Botox-Injektion. Das wusstet ihr noch nicht? Ich auch nicht, zumindest nicht vor der Recherche zu meinem Buch. Mittlerweile bin ich aber schon ein bisschen schlauer geworden. Und das könnt ihr jetzt auch.

Viel Spaß beim Hören,
Eure Corinne

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Foto: flickr – gustav soderstrom – CC by 2.0.

Bekenntnis einer nicht mehr ganz so anonymen Listenschreiberin

Ich komme aus einer Dynastie von Zettelschreibern. Meine Eltern schreiben beide gern Dinge auf, Listen, notwendige Erledigungen, Tagesinformationen. Ihre Listen traf man überall an, auf dem Block neben dem Telefon, auf hastig herausgerissenen Zetteln, in Notizbüchern, auf Druckerpapier. Sie hingen mit Tesa am Kühlschrank. Allerdings war es nie chaotisch. Schließlich handelte es sich um Listen. Sie waren immer schön geschrieben und sogar, wenn meine Mutter etwas durchstrich, sah es elegant aus, eine perfekte, gerade Linie.

Das Listenschreiben liegt also vermutlich in meinen Genen. Wenn ich morgens aufstehe, nehme ich mir einen Stift und Papier. Dann mache ich meine Liste. Das ist vielleicht etwas altmodisch, aber Listen im Smartphone, selbst in tollen, sehr klugen Apps, wo ich sie teilen kann, sind nicht das Gleiche für mich. Genauso wie ich einen Kalender aus Papier habe, habe ich meine papierene Liste.

Manchmal brauche ich die Liste, um tatsächlich nichts zu vergessen. Die Tage sind voll und ich habe häufig Angst, etwas zu übersehen. Aber das ist es nicht nur. Die Liste hilft mir, Dinge zu ordnen. Aber sehr, sehr häufig, das muss ich zugeben, schreibe ich auch einfach nur um des Listen schreiben willens. Dann stehen auch Dinge auf der Liste, die ich gestern schon erledigt habe, nur für die Freude, sie später wieder durchzustreichen. Oder ich schreibe Dinge auf die Liste, die so schnell gehen, dass es fast länger dauert, sie aufzuschreiben. Ich schreibe auch Dinge auf die Liste, die gar keine Erledigungen, keine wirklichen Aufgaben sind.

Menschen, die keine Listen schreiben, können das oft nicht verstehen, warum man Punkte wie „mehr Wasser trinken“ oder „Einkäufe einräumen“ auf eine Liste schreibt. Es gibt auch keine Antwort, die das verständlich machen könnte. Das ist es einfach, was Listenschreiberinnen tun. Wir schreiben alles auf. Die Liste macht es schöner, Dinge zu erledigen, befriedigender, sie erledigt zu haben. Sie erzählt mir von mir und meinen Tagen, sie hält mich gesund. An übervollen Tagen sowieso, aber auch sonst.

Deshalb ist der erste Punkt auf meiner täglichen Liste – und jetzt bitte nicht lachen – sehr oft „Liste schreiben“. Solch eine Liste knechtet mich nicht, sie gibt mir sogar Spielraum. Ich kann die Aufgaben schließlich auch mit Fragezeichen versehen, dann schreibe ich so etwas wie „Autowerkstatt anrufen?“ Am Ende des Tages habe ich einige abgestrichene Dinge und vielleicht ein paar Fragezeichen übrig. Das ist schön, dann habe ich am nächsten Tag gleich etwas aufzuschreiben. Außerdem freue ich mich am Ende des Tages, wenn ich Dinge getan habe, die gar nicht auf der Liste standen. Die kann ich dann noch dazu schreiben und auch gleich abstreichen.

Gerade habe ich Listen für die unterschiedlichsten Dinge: eine Einkaufsliste (die ich selten befolge), Listen zum Aufräumen, eine Songliste für eine Playlist, eine Liste von Restaurants, Serien, Theaterstücken oder Kinofilmen, die ich gern besuchen oder sehen möchte, eine Liste mit Blogideen, eine Geburtstagsliste und eine Rezeptliste.  Das mag für manche klingen, als bräuchte ich einen eigenen Sekretär, aber mithilfe der Listen ordne ich mich ganz selbstverständlich und wie von Zauberhand von allein.

Was ich nicht habe, ist eine große Liste, wie sie erstaunlich viele Menschen haben. Eine Liste von Dingen, die sie noch erreichen wollen, langfristige Lebenspläne: einen Marathon laufen, eine Beförderung in den nächsten 3 Jahren, den Grand Canyon sehen. Es würde sich für mich falsch anfühlen, solche Dinge aufzuschreiben. Meine Listen sind vielleicht so alltäglich, dass ich nicht das Gefühl habe, dass sie Platz für diese Pläne und Wünsche bieten würden. Ich behalte sie lieber unausgesprochen bei mir. Es wäre nicht richtig, wenn sie sich auf dem Papier materialisieren würden, bevor sie sich tatsächlich erfüllen. Meine Listen ordnen eher das Heute und das Morgen.

Ist das eine komische Angewohnheit, sie zu schreiben? Vielleicht. Aber es stört mich nicht. Es gehört zu mir. Die Listen helfen mir, Dinge zu tun und andere sein zu lassen. Zum Abstreichen nehme ich immer einen dicken grünen Stift. Ich habe ihn schon hier vor mir liegen, denn ich brauche ihn gleich um „Blogartikel über Listen schreiben“ durchzustreichen. Dann schaue ich mir meine Liste an und freue mich ein wenig. Dass der Tag ganz erfolgreich war und dass ich morgen neue Dinge vorhabe. Und wenn die nervigen Aufgaben überwiegen, dann schreibe ich zum Ausgleich einfach noch welche hinzu, die ich mag. Gleich morgen früh, wenn ich wieder eine Liste schreibe.

Foto: flickr – Eljay – CC by 2.0