Ich bin ein bisschen müde. Das liegt daran, dass es mir immer schwerer fällt, eine bestimmte Platte zu hören. Die Platte heißt Schaut mal hier! und der Song in Dauerschleife trägt den Titel Die richtig erfolgreichen Frauen. Es kommen immer mehr Strophen hinzu, der Inhalt bleibt gleich. Die richtig erfolgreichen Frauen sind natürlich die beruflich erfolgreichen Frauen. In Wirtschaftswoche & ManagerMagazin sind sie angekommen & werden portraitiert. Online buhlen sogar mehrere Heimstätten um das, so wird vermutet, auch sehr kaufkräftige Klientel (der feuchte Traum jeden Werbers – Shoppingsucht vereint mit Topgehalt).
Die modernen Heldinnenepen haben eines gemeinsam. In Allgegenwart der gläsernen Decke verstehen sie diese Frauen als etwas Besonderes, als etwas Einzigartiges. Natürlich kennen wir alle die schmerzliche Wahrheit: Das sind sie tatsächlich. Frauen sind in Führungspositionen immer noch hoffnungslos unterrepräsentiert.
Besonders, so lehren uns die Buchstaben, machen diese Frauen ihre außergewöhnlichen Eigenschaften. Sie schaffen nicht weniger als eine bessere Welt. Die Zukunft. Selbstbewusst sind sie, diszipliniert & taff oder durchsetzungsstark & zäh.
Sie sind die Löwinnen & nicht die Mäuschen. „Sie verkaufen sich nicht unter Wert!“ rufen uns die Coaches zu. „Sie sind ehrgeizig, strebsam & begierig auf Erfolg. Und fühlen sich wohl damit.“ Willst du auch? Musst du dich anstrengen.
Diese Erzählung macht die erfolgreichen Frauen nicht nur generell zu einer Sondergruppe sondern spaltet die Frauen in zwei Teile. Neben den Erfolgreichen gibt es in dieser Logik noch die 95-98% andere Frauen. Das müssen dann die weniger ambitionierten Exemplare in ihren leicht langweiligen, rückständig-domestizierten Leben sein. Ihr wisst schon, die in Teilzeit & ohne Firmenwagen. Die, denen einfach was fehlt an Dynamik & Tatkraft. Die ihren Job nicht genug lieben, die sich nicht reingehangen haben (Sheryl Sandberg) oder zu feige waren (Basha Mika).
Das ist eine ziemlich dumme, in der Logik des Wirtschaftslebens aber natürlich sinnvolle Teilung. Weil sie den alten Mythos des „Jeder kann es schaffen, wenn er sich nur anstrengt.“ auch für Frauen erschließt. Wichtig ist ungebrochener Enthusiasmus & eine tiefe Liebe zur Arbeit.
Dabei lieben die meisten Menschen ihren Job nicht. Oder sie lieben ihn & würden trotzdem nie als erfolgreich bezeichnet. Weil sie etwas tun, dass bei der Verteilung von Kohle & Status leider ein bisschen spät dran war. Das sind nicht selten diese falsch gewählten Frauenberufe. Frauen steigen auch aus & treten kürzer. Weil Kinder da sein. Weil es finanziell Sinn macht, weil der Partner mehr verdient. Weil es einfacher erscheint, eine Arbeit hinter sich zu lassen, die schlecht bezahlt & schlecht angesehen ist.
Das Narrativ der erfolgreichen Frauen mit ihren stimulierenden Jobs, die nur von Herausforderungen, Weiterentwicklung & Spaß und nie von Langeweile & Monotonie geprägt sind (Und wenn, muss man was ändern!) passt sich hier gut ein. Klar, wer es nicht geschafft hat, eine faszinierende Beschäftigung zu finden, der kann sich auch zu Hause langweilen & muss das nicht im Büro tun.
Fazit: Wenn die persönlichen Eigenschaften die richtig Erfolgreichen nach oben getragen haben, dann werden sie den Anderen wohl fehlen. Dann ist das Alles schon wieder ein bisschen weniger strukturelles Defizit & ein bisschen mehr individuelle Verfehlung, oder?
Dabei gibt es noch mehr Gründe, wieso der Chef(-innen)sessel nicht erreicht wird. Fehlende Leidenschaft & Ehrgeiz sind da nicht mal die Bedeutendsten. Sie passen aber schön zur Verteufelung der Mittelmäßigkeit. Und dem Versprechen, sich aus dieser zu befreien.
Wer ehrlich ist, muss aber zugeben, plan- & berechenbar ist das Arbeitsleben & der eigene Werdegang nur bedingt. Zufälle bestimmen den Weg. Man kann sich anstrengen & aufreiben & trotzdem nichts werden. Davon können nicht nur die 95% erzählen sondern sicher auch die 5% der richtig Erfolgreichen.
Abgesehen davon hat jemand Kluges einmal gesagt, dass echte Gleichberechtigung erst erreicht ist, wenn auch die durchschnittlichen & unterdurchschnittlichen Frauen in Führungspositionen sitzen. Wie bei den Männern.
Bleibt zum Schluss anzumerken, natürlich stricken die erfolgreichen Frauen selbst mit an ihrem Mythos. Außergewöhnlich zu sein aufgrund der persönlichen Eigenschaften ist einfach schöner, als außergewöhnlich zu sein, weil man überall die einzige Frau ist. Wahrscheinlich sind die richtig erfolgreichen Frauen auch ziemlich müde, was das betrifft. Aber so lange man sich ein wenig zu genüsslich zurücklehnt mit dem Gedanken, dass die Schwestern einfach nicht den gleichen Biss hatten wie man selbst, wird man so schnell keine Gesellschaft bekommen.
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