Leben & Lesen
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Wie ich es schaffte, (halbwegs) sportlich zu werden

Der Sport und ich – wir hatten keinen guten Start. Im Grunde genommen hatten wir gar keinen Start. Ich war als Kind in keinem Sportverein. Es hat 25 Jahre gedauert, bis meine Eltern mir ihre Ängste offenbarten, aber ich war als Kind generell nicht sonderlich viel an der frischen Luft. Ich war ganz gern allein. Und habe viel gelesen. Ja, liebe Leser & Leserinnen, ich weiß, wie sich jetzt ein Bild in ihrem Kopf formt. Obwohl es mir komplett egal sein könnte, möchte ich betonen, dass ich selbst in der Pubertät keine sonderlich großen Probleme mit unreiner Haut hatte & nicht Besitzerin einer festen Zahnspange war (Weil mir ein sadistischer Augenarzt erst mit 16 Kontaktlinsen erlaubte, stimmt das mit der Brille partiell).

Nun ist das so. Ich bin ehrgeizig, aber sehr wählerisch bei den Zielen, auf die ich meinen Ehrgeiz richte. Ich renne ungern gegen Wände, die ich nicht einreißen kann.

Schulsport in seinen Variationen hat mir Folgendes beigebracht:
1. Wer lausig in Sport ist, wird bei Mannschaftsspielen als Letzte gewählt, auch wenn man sonst über eine super Sozialbilanz verfügt. Keiner verliert gern.
2. Mädchen, die an Geräten turnen, sehen nicht graziler aus als Jungen (einer der vielen Mythen über Weiblichkeit).
3. Sport kannst du oder kannst du nicht. Da kannst du nichts machen.

Der letzte Punkt ist der Wichtigste. Wenn ich wieder einmal versuchte, den 3.000 Meter Ausdauerlauf hinter mich zu bringen ohne zu kollabieren, kam von diversen Sportlehrern nichts außer mitleidiger Blicke & der Note 5. Während man sich in Fremdsprachen durch Vokabellernen & in Chemie durch Abschreiben verbessern konnte, gab es hier anscheinend nichts.

Die Benotung setzte in mir eine Überlegung frei: Wenn ich mithilfe maximaler Anstrengung eine 5 erhalte,

durch Nichtteilnahme aber eine 6, dann lasse ich es einfach ganz. Wie ich bald feststellen musste, war die 6 leider als disziplinarisches Mittel gedacht & nicht als Ausweg für die verbleibenden Jahre.

Just in diesem Moment wurde der Sportunterricht aufgrund mangelnder Turnhallenkapazität komplett nach draußen & komplett in die Sommermonate verlegt (Manchmal schaut Gott auch auf die kleinen Leute.). Nach einer sehr heißen Stunde hatte ich rote Flecken auf der Haut & suchte, eher widerwillig, einen ortsansässigen Allgemeinmediziner auf. Der war latent verbal übergriffig. Aber auch durch langjährige Praxis in seinem Berufsethos so verwaschen, dass er mir seit diesem Tag jede Woche eine Bescheinigung für Sonnenallergie (ungeachtet der meteorologischen Außenbedingungen) ausstellte – 2 Jahre lang. Es liegt mir fern, seine Expertise bei der Erstbegutachtung in Frage zu stellen, aber die Symptome traten danach nie wieder auf. Während der Sportstunden sonnte ich mich nun mit anderen Aussteigern („Habe meine Tage.“, „Mir ist schlecht.“, „Sportzeug vergessen.“) neben der Laufbahn.

Der Unisport & die Kletterwand

Komischerweise wurde mir immer unterstellt, dass ich sportlich sei. Wahrscheinlich liegt es an meiner vererbten Physis (Danke, Mama & Papa.) & der verbreiteten Misskonzeption, dass man dick sein muss, um unsportlich zu sein. Oder Dünn-sein nur durch entsprechenden Einsatz erworben werden kann. Auf genau diese Fehlinterpretation sind meine erniedrigenden Unisporterlebnisse zurückzuführen.

Sagen wir es so: Die Entspanntheit der Erstsemester-Beachvolleyballer beim Spaßturnier („Komm doch mit. Bisschen Bierchen, bisschen Sonne, bisschen bewegen.“) ließ zu wünschen übrig, nachdem ihnen klar wurde, dass mein vorheriges: „Ich kann mitkommen. Aber in der Schule wurde ich immer als Letzte gewählt.“ nicht ironisch gemeint war. Dem Unisport komplett den Rücken kehrte ich, als ich nicht in der Lage war, eine Kletterwand so zu beklettern, dass meine Füße sich vom Boden abhebten.

Noch heute halte ich Komödien, in denen Menschen an Kletterwänden hängen & nicht mehr runterkommen, für hochgradig unrealistisch. Wer hochkommt, kommt auch wieder runter. Die richtigen Loser kommen gar nicht erst hoch.

laufen – gehen – laufen – gehen

Nun hätte all dies bereits gereicht, um ein Leben lang zu kapitulieren. Ich hatte aber noch nicht genug. Erlösung versprach ein Jogging-Programm, mit dem jeder (jeder – also auch ich!) Joggen lernen konnte. Wie bei der Mount-Everest Besteigung arbeitete man sich langsam vor. Lief wochenlang 2-1-2 (2 Minuten gehen, 1 Minute joggen, 2 Minuten gehen), dann 1-2-1, dann 3-2-3…bis bei der reinen Joggingzeit 20 Minuten stand. Das funktionierte sogar. Und machte trotzdem null Spaß.

Leider fand ich auch keine völlig einsamen Strecken. Und musste so in jeder Gehen-Zeit ungewollte Unterbrechungen (Wasser trinken, Schuhe binden…) simulieren, wenn mir andere Jogger lächelnd begegneten.

Da mir also schon eine Minute Gehen peinlich war, beschloss ich, das Joggen aufzugeben & mich in einem Fitnessstudio anzumelden. Eine vollkommen logische Entscheidung. Wenn ich heute täglich in Berlin mit Hard Candy – Werbung (Madonna’s Fitnessstudiokette. Ja, DIE Madonna.) bombardiert werde, bin ich manchmal ganz kurz versucht. Dann erinnere ich mich wieder. Bereits der Gedanke an die Ersterniedrigung (äh, kostenlose Einschätzung meines persönlichen Fitnesslevels) lässt mich erschaudern.

Die Glotze ist doch die Lösung

Der wirkliche Auftakt meines sportlichen Lebens begann, irgendwie passend zur Gesamtgeschichte, vor dem Fernseher. Mit einer Wii darunter. Wahrscheinlich war das Einstiegslevel niedrig genug. Zuerst bastelte man sich ein putziges Mii (das eigene Ich im Fernseher drin) & fing ein bisschen an zu bowlen. Dann machte ich Yoga & schließlich EA Active 1 & 2. Das sieht nach Videospiel aus, ist aber eine Aneinanderreihung von Seilspringen, Liegestützen, Hampelmann & anderen Nettigkeiten.

Das hatte ich in meinem Leben alles schonmal gemacht – wahrscheinlich sogar im Schulsport. Aber diesmal funktionierte es besser. Das war irgendwie mein Ding. Zuhause, in den eigenen 4 Wänden, in den Klamotten, in denen ich wollte – passte. Joggen fiel mir nach 6 Monaten auch leichter, machte aber immer noch keinen Spaß. Heute verstaubt die Wii im Schrank. Ich bin ganz zu Workout-DVDs übergegangen. Ja, die Ankündigungen von rock-hard abs oder killer-thighs nerven. Bum of steel brauche ich auch nicht unbedingt. Da hilft drüber spulen oder lautlos stellen.

Das war also meine Sportevolution.

Meistens hüpfe ich so 2-3x die Woche vor dem Fernseher auf und ab. Wenn ich ein paar Wochen nichts mache, vermisse ich es sogar ein wenig.  So richtig gerne mache ich immer noch andere Dinge & meistens ist das Gefühl danach auch nicht so amazing wie versprochen (An dieser Stelle wird vielleicht klar, dass ich viele Workouts auf Englisch gucke).

Aber ich bin wirklich froh, dass ich etwas für mich gefunden habe. Etwas, dass ich kann. Dass ICH doch Sport kann! Unabhängig von allen Diätlügen & Figurhypes bewegen wir uns nämlich alle tatsächlich zu wenig.  Einmal habe ich richtig lange ausgesetzt & gemerkt: 2x am Spielplatz das Klettergerüst hoch macht mich müde & nach 3h Putzen habe ich am nächsten Tag Muskelkater.

Regelmäßig Sport zu machen, macht es mir tatsächlich leichter, für das Leben als Ganzes fit zu sein.

Bild: flickr – Luke Gattuso CC 2.0

4 Kommentare

  1. Pingback: Die Frau, die findet, Radfahren macht dicke Oberschenkel, schreibt jetzt Lena Dunhams Newsletter | makellosmag

  2. Turtle sagt

    Oh yeah, das kommt mir teilweise bekannt vor.
    Mehr als eine 3 im Schulsport war nie drin, obwohl ich drei Mal pro Woche semiprofessionell Volleyball trainiert habe. Und die Hälfte des Jahres jedes Wochenende entweder Ligaspiele oder Turniere hatte. Leider hat das im Sportunterricht nichts genützt beim Geräte- oder Bodenturnen, beim Dinge werfen oder schnell sein. Ausdauersportarten und Ballspiele haben mich notenmäßig vor dem totalen Versagen beschützt.
    Witzigerweise habe ich in der 11./12. Klasse dann eine Kombination in Sport gewählt, wo kein Volleyball vorkam (wir haben jeweils ein Halbjahr nur eine Sportart gemacht), da Volleyball immer mit Leichtathletik oder Turnen verbunden war. Meine Sportlehrerin war sehr irritiert, hat es aber verstanden :)
    Ich war übrigens trotz Training nie dünn oder übermäßig sportlich, aber trotzdem ziemlich gut und erfolgreich im Volleyball inkls. dem Angebot an die Sportschule zu gehen (was ich nicht getan habe).

    Joggen finde ich genauso totlangweilig. Mein Sport ist mittlerweile Tanzen. Zu was anderem ließ sich mein Gatte nicht überreden. Ich wollte gern mit ihm zusammen was sportliches machen, aber weder Laufen (langweilig!), Schwimmen (Wasser!) oder Badminton (fliegende Dinger!) kam in Frage.
    Tanzen hatte er früher schon gemacht. Er ist da auch wesentlich eleganter als ich. Mir war schon in Gymnastik klar, dass ich die Eleganz eines Panzerschranks besitze, aber was solls. Es macht Spaß und zum Angeben auf Hochzeitsfeiern reichts aus :D
    Achja, und anstrengend ist es auch.

    • Tanzen klingt auch toll. Leider fehlt es mir komplett an Rhythmusgefühl. (Noch eine tief vergrabene Erinnerung an die Kurse im Fitnessstudio, wo ich nie im Takt war.) Aber ich bewundere Paare, die so richtig miteinander tanzen können. Ich hab mich sogar um den eigenen Hochzeitstanz gedrückt.

    • Turtle sagt

      Rhythmusgefuehl habe ich auch nicht wirklich.. Aber ich habe mit der Zeit zumindest gelernt den Takt in der Musik zu hoeren. Das klappt bei etwa 80% der Lieder mittlerweile auf Anhieb. Ansonsten hilft tatsaechlich mitzaehlen um im Takt zu bleiben. Manche Taenze, insbesondere Quick Step, Tango und Wiener Walzer sind rhythmusmaessig trotzdem regelmaessig eine Katastrophe. Dann gibt mein Mann das Metronom und es geht so halbwegs :D

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