Job & Vereinbarkeit, Leben & Lesen
Kommentare 3

„Wie ist das denn für sie, wenn Mitarbeiter mehrere Monate aussteigen? Sie sind ja nicht die Arbeiterwohlfahrt.“

Am Montagabend stolperte ich über die story in der ARD. Papa, trau dich! hieß es da, eine Reportage über Väter zwischen Kind & Karriere. Das klang interessant genug, um dranzubleiben. Die Sätze aus dem Off führten schnell dazu, dass mir der Mund offen stand & ich mir den Laptop schnappte. Inzwischen hat auch die FAZ über die Doku geschrieben. (Der Fluch des Bloggens, wenn man einen Text liegen lässt, weil man noch etwas daran machen will & dann die Tage verstreichen.) Ich beschloss heute aber doch nicht auf „löschen“ zu klicken, sondern die Best-Off Sätze mit der Welt zu teilen.

0:04Ringelpiez mit Anfassen, ein Mutter-Kind Kurs. Doch heute ist es anders.“ (Was könnte passiert sein? Statt „Wir gehen jetzt im Kreise.“ rappt heute Bushido? Fast. Ein Mann ist anwesend. An diesem Punkt weiß man eigentlich schon alles über die unterschiedliche Wahrnehmung von Erziehungsarbeit in der Doku.)

0:30 „Der Mann taucht ein in eine völlig andere Welt. Früher war er unter Ingenieuren.“ (Jetzt nur noch Frauen & Babythemen. Weil Frauen, auch wenn sie berufstätig (noch) ohne Kind sind, sich natürlich auch nur über Babies & Frauenthemen unterhalten (Fingernägel lackieren, schmerzende Highheels, Kuchen backen & so.) Die interviewten Frauen im Kurs teilen die Weltsicht der Redaktion „Das ist eher Frauensache.“; „Mein Mann hätte nicht teilgenommen, weil es ihn zu viele Frauen gewesen wären.“ – Männer & Frauen kommen also nur zur Paarung zusammen.)

2:25 Man interviewt die Personalerin bei Bosch (dem Arbeitgeber des Mannes, der 7 Monate Elternzeit nimmt. 7 Monate, also 0,6% der Lebensarbeitszeit des Statistischen Bundesamtes): „Wie ist das denn für sie, wenn Mitarbeiter mehrere Monate aussteigen? Sie sind ja hier bei Bosch nicht die Arbeiterwohlfahrt.“ Die findet die Frage nicht befremdlich. Ja, freuen tut man sich nicht, aber hätte nunmal beschlossen, das zu unterstützen. Ein tolles Land, in dem wir da leben, das Kinder so herzlich willkommen heißt.

3:44 Die Freunde des Mannes können sich das eher weniger vorstellen „weil ihnen die Hausarbeit nicht so liegt oder sie haben sich nicht getraut.“ (Weil, wir erinnern uns, Männern als Geburtsrecht eine Abfolge von weiblichen Putzkräften (Mutter-Freundin-Ehefrau) zusteht, die diese lästigen Aufgaben normalerweise in jeder Lebensphase für sie erledigen. Hausarbeit ist laut Doku auch der Hauptknackpunkt, wieso Männer keine Elternzeit nehmen. Wahrscheinlich kurz durch Erhebung in der ARD-Redaktion ermittelt.)

11:20 2 Monate Elternzeit sind vorbei. „Während Arno vorher noch hektisch in Büchern nachgeschaut hat, wie man was mit dem Baby macht, ist er jetzt fit.“ (Weil er vor dem Alleinsein-mit-Kind Bier trinkend & Zeitung lesend im Sessel saß & ihm der Nachwuchs nur frisch gewickelt & zufrieden einmal am Tag präsentiert wurde?)

14:12  Väter in Elternzeit haben ein Netzwerk gegründet, um sich mit den Babies zu treffen & über Männerthemen zu reden („der letzte Ölwechsel“). Frauenthemen sind nicht so ihre. Frauen könnten sich auch 1 Jahr lang treffen ohne sich gegenseitig nach dem Beruf zu fragen, während das hier mindestens die 2. Frage ist. (Aha, kann ich aus persönlicher Erfahrung null bestätigen.)

Am Ende der Doku kehrt der Mann zurück in den Job & freut sich auf den weiteren beruflichen Aufstieg. Wie manche nach dem Abi mit dem Rucksack um die Welt reisen, hat er einen exotischen Ausflug zum Kind gewagt. Der andere, der seinen Job wegen der Elternzeit verlor, arbeitet halbtags & kümmert sich um die Kinder. Während die Frau in einer anderen Stadt den Hauptteil des Haushaltseinkommens verdient. Kontakt haltend über Skype & What’s App.

Was stimmt: Die Realität ist oft düster. Männer trifft oft genauso Ablehnung & die Konsequenz am Arbeitsmarkt, wenn sie mehr Zeit für Familie verlangen. Denn: Es gibt einen Vaterschaftsbonus auf dem Arbeitsmarkt, aber eben nur für die Vaterschaft, nicht das Vater-sein. Dabei ist die Lösung doch eigentlich so einfach. Kinder zeugen geht schlecht allein, Kinder aufziehen geht zu mehreren auch besser. Dafür ist die Basis noch lange nicht da. Solche Dokus, die sich an der Exotik eines für die Frau kochenden Mannes freuen, „der abtaucht in die Frauen- & Mütterwelt“ machen es nicht einfacher. Soweit sind Frauen & Männer nämlich gar nicht auseinander. Habe ich gehört.

3 Kommentare

  1. Danke für diese wahren Worte. Ich dachte beim Gucken schon die ganze Zeit – merk jetzt nur ich das, oder ist das komisch? Ein Mann kümmert sich um seinen Nachwuchs – Hosianna!

    • Schön, dass du wieder da bist:-) . Richtig schade fand ich, dass sie eigentlich eine Chance verpasst haben. Die Darstellung von Vätern, die Probleme bekommen, wenn sie Auszeiten nehmen ist ja gut & wichtig. Aber zusammen mit diesen Rollenbild & Verständnis für die armen Arbeitgeber führt es ja nur dazu, dass noch weniger Elternzeit nehmen, denke ich.

Schreibe einen Kommentar zu Anonymous Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert