Film & Fernsehen, Schönes & Banales
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Kein Make-Up heute, ich spiele eine Charakterrolle

Jennifer Aniston hat einen neuen Film. Cake war auf dem Toronto Film Festival und erscheint bald in den USA. Die Berichterstattung geht immer ähnlich & zwar ungefähr so: Jennifer Aniston hat einen neuen Film. Hier zeigt sie, dass sie eine vielseitige Schauspielerin ist. Sie beweist Mut zur Hässlichkeit. Die sonst so glamouröse & perfekte Aniston spielt eine Medikamentenabhängige komplett mit aschfahler Haut & fettigen Haaren. Applaus!

Substanz ungleich Schönheit

Everybody’s darling also, um deren Seelenzustand wir uns unlängst nach der erneuten Hochzeit des Ex-Mannes Gedanken machten, wechselt ins Charakterfach. Mal abgesehen davon, dass romantische Komödien vielleicht auch nicht so leicht zu spielen sind, kommt mir das Ganze sehr bekannt vor. Euch auch? Genau, die Liste ist lang: Halle Berry in Monster’s Ball, Charlize Theron in Monster, Cameron Diaz in Being John Malkovitch, Mariah Carey in Precious. Bei einer richtigen Rolle, in einem Film mit Tiefgang, im Charakterfach, sollte eine Schauspielerin den oben beschworenen Mut zur Hässlichkeit beweisen. Dann winkt auch gern ein Oscar.

Hollywood & seine Frauen

Im März diesen Jahres ging eine Studie durch die Medien. Man hatte sich 2300 Hollywoodrollen in den 100 kommerziell erfolgreichsten Filmen von 2013 angeschaut. 30% aller Sprechrollen waren mit Frauen besetzt. Die Hälfte davon waren Hauptfiguren. Die Zahlen haben sich seit 1940 damit kaum verändert.

Das Gleiche gilt auch für Rollen hinter den Kulissen. Frauen machen überproportional häufig Make-Up, Ausstattung & Kostüme. Als Regisseurinnen & Drehbuchautorinnen findet man sie seltener als Männer. Es gibt also per se ein Ungleichgewicht.

Und dann gibt es scheinbar diese Schönheit-Art der Rolle Beziehung.

Mut zur Hässlichkeit

Der klassische Artikelaufbau schöne-Schauspielerin-mal-nicht-nur-schön-in-einem-wichtigen-Film nimmt teilweise groteske Züge an. Salma Hayek als Frida Kahlo und Nicole Kidmans angeklebte Nase in The Hours als Virginia Woolf finden sich ebenfalls in Fotogalerien zu Schauspielerinnen mit Mut zur Hässlichkeit. Frida Kahlo & Virginia Woolf waren keine unattraktiven Frauen – aber nach Meinung der Autoren offensichtlich kein Hollywoodmaterial. Allein die Formulierung verwundert. Was heißt hier Mut? Dass es Mut bedarf sich zu zeigen,wenn man nicht dem gängigen Ideal entspricht? 

Sogar Komödien lässt sich mehr Tiefe verleihen, wenn die Schauspielerin mutig genug ist zuzunehmen (Was dann wenig subtil mit verminderter Attraktivität gleichgesetzt wird. ). Siehe René Zellweger als Bridget Jones, die für alle Filme Gewichtsjojo spielte & immer zur Premiere wieder hollywoodschlank war. „Richtige“ Rollen müssen wohl mindestens ein wenig unglamourös sein.

Wenn es mutig ist, hässlich zu sein, dann heißt das im Umkehrschluss, das Schauspielerinnen normalerweise von ihrem Aussehen leben. Und nicht etwa von ihrer Schauspielkunst, oder? Die Botschaft: Qualifikation ist weniger wert als Attraktivität. Oder eine nach den jeweiligen Normen perfekt aussehende Schauspielerin kann es sich eher leisten, schlecht zu spielen?       

Und schließlich, da Schönheit nicht nur in Hollywood vergänglich ist, wie lange darf man als Frau in Filmen auftreten?

Noch wichtiger aber: Was sagt es eigentlich über Hollywoods Sicht auf Frauenleben & Frauenthemen? Dass Frauen in Ausnahmesituationen unattraktiv sind? Wenn dich eine Lebenskrise ereilt, wirst du zwangsläufig hässlich? Nur wessen Leben wie eine rosarote Plüschkomödie ist, der kann konventionell attraktiv sein?

Raus aus der Schublade – Rein in die Schublade

Schauspielerinnen werden auf ihr Aussehen reduziert und in bestimmte Schubladen gesteckt: das süße Mädchen von nebenan (Sandra Bullock) oder die lustige Sexbombe (Cameron Diaz)… Es bedarf sicher Mut, hieraus auszubrechen. Nicht umsonst werden die hässlichen Charakterrollen oft erst gespielt, wenn man sich schon etabliert hat.

Wie allgegenwärtig das Schönheitsideal ist, zeigt gerade die Tatsache, dass die Chancen auf einen Preis ungleich größer scheinen, wenn man etwas „Tiefgründiges“ versucht, indem die Optik eigentlich zurücktreten sollte. Lächerlich wird es, wenn der Film dann damit promoted wird, dass die Schauspielerin einmal anders aussieht. Die vielgepriesene Wandlungsfähigkeit, die schauspielerische Qualität ausmachen soll, besteht dann für Frauenrollen doch wieder nur aus zwei Typen: Und beide werden nach Optik bewertet.

 

4 Kommentare

  1. Pingback: Das echte Leben pt. II – by makellosmag | makellosmag

  2. Es ist doppelt ungerecht, denn ein weiterer Schluß besagt dann ja, dass attraktive Frauen entweder kein echtes Leben führen oder keine Persönlichkeit, charakterlos sind.
    Und da wir im täglichen Leben wesentlich mehr Frauen attraktiv finden als nur die ganz Perfekten: so gilt das auch für diese gerne einmal. Im Grunde ist es so: sobald eine Frau aus welchen Grenzen auch immer ausbricht und egal in welchem Umfeld – mit der stimmt was nicht. Weil zu schön, zu häßlich, zu schlau, zu dumm, zu dominant, zu devot, zu kalt, zu heulsusig.
    Lösung? Pippi Langstrumpf, irgendwie. :-D

    • Erstmal, ich freu mich übrigens übers Wiederkommen! Ja, den Rückschluss mit der Schönheit hatte ich gar nicht im Kopf. Aber auch sehr wahr.

    • Naja, ich nehme dich ja nicht in meine Linkliste auf, damit du da hübsch aussiehst :-D
      Und das Thema Schönheit liegt mir naturgemäß sehr am Herzen – und alles, was daraus entstehen kann oder was Menschen daraus machen. Das sich beschäftigen mit der Oberfläche ist nicht zwangsläufig oberflächlich – zumal weibliche Oberfläche das ist, woran immer irgendetwas gemessen wird. Aber jetzt gerate ich wieder vom Pfade ab, weil das Thema bei mir 1000 Dinge antriggert. Wenn man hautnah erleben kann, wie Frauen reagieren, die sich das erste Mal schön finden und welche Wirkungen das haben kann, dann rattern beim kleinsten Antippen die Gedanken los. Als Uraltemanze dann doppelt :-D

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