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Im Cocktailkleid zur absoluten Mehrheit – Wie US-Serien Power Dressing neu definieren

Wenn Melanie Griffith im 80er-Jahre-Klassiker Die Waffen der Frauen heraus findet wie man in der Geschäftswelt erfolgreich ist, verändert sich auch ihr Äußeres. Die doppelt-auftoupierten Haare machen Platz für die einfach-auftoupierte Version und ihre Kleidung wandelt sich. Farben werden dezenter, das Sakko größer und die Schulterpolster breit. Businesskleidung der 80er, dem ersten Jahrzehnt, in dem Frauen selbstbewusst und selbstverständlich ihren Platz am Konferenztisch einforderten, versteckte die weibliche Silhouette. (Nun gut, minus lange Beine vielleicht.) Wo beide Geschlechter Gleiches tun wollten, versuchte man Unterschiede auch in der Kleidung zu vermeiden. Und orientierte sich an denen, die zuerst da waren: Männern in Anzügen. In den 90ern folgte auf den Laufstegen die erste Unisex-Kollektion von Jean-Paul Gaultier.

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Heute sieht der Power Dress erfolgreicher Frauen anders aus.
Claire Underwood und Selena Meyers in den Politserien House of Cards und Veep tragen enganliegende Röcke, aber vor allem figurbetonte Cocktail- und Etuikleider. Die dürfen, insbesondere bei der imaginären Vizepräsidentin Meyers, gern in Knallfarben oder Pastell daher kommen.

Ihre Garderobe ist nicht zufällig. Die Stilistinnen beider Serien bestätigen, wie viel Gehirnschmalz in die Ausstattung der Figur floss. Claires Kleidungsstil sollte machtvoll sein, eine Rüstung, die bereits in der Optik klar macht, dass sie dem Führungsanspruch ihres Mannes in nichts nachsteht. Macht und Sexyness, eine unschlagbare Kombi. Auch Selena Meyers ist sich am Ende der 3. Veep – Staffel sicher, ihr „fantastischer Arsch“ wird etwas mit ihrem Aufstieg zu tun gehabt haben. Brauchte Reese Witherspoon 2001 in Natürlich Blond als brilliante Anwältin noch eine gewisse ironische Distanz zu ihrem Barbielook, gehen Bonbonfarben und Oval Office heute problemlos zusammen.

Die VOGUE feiert den Look als neuen „Power Suit“, der sich endlich traut, Weiblichkeit in den Vordergrund zu stellen. Und die eigene Macht mit Sexyness zu zelebrieren. Schöner Nebeneffekt: Aufmerksamkeit ist garantiert. Kleidung, die sagt: „Hier bin ich, ich verstecke mich nicht.“ Feministisch ist das Ganze, schreiben andere. Frauen dürfen in der männlich geprägten Businesswelt endlich herausstechen. Vorbei die Zeiten, in denen man versuchte, nicht aufzufallen. Sich als Frau im Business stolz mit dem eigenen Körper zu präsentieren, war vorurteilsbeladen. Nun treten insbesondere junge Frauen hervor und wollen dem alten Mantra: „Wenn du zu sexy bist, hört keiner auf deine Inhalte.“ nicht mehr glauben. Im Gegenteil, sie genießen es, auf dem Bild mit den dunklen Anzugträgern als Frau im rosa Cocktailkleid aufzufallen.

Tatsächlich kennt man den Kleidungsstil im echten Leben auch von US-Top Wirtschaftslenkerinnen wie Sheryl Sandberg oder Marissa Meyer, deren legendäres VOGUE-Shooting (mit Tablet, High Heels und Modelfigur im kobaltblauen Etuikleid auf der Sonnenliege) 2013 eine kleine Kontroverse auslöste.

Nur in der Politik scheint er – entgegen der popkulturellen Repräsentation – noch nicht ganz angekommen. Das mag an der Zweischneidigkeit liegen, die das neue Power Dressing mit sich bringt. Justin Trudeau, Kanadas Premierminister mit Pin-Up-Qualitäten, kann die Berichterstattung über sein Äußeres als Nebenprodukt mitnehmen. Hillary Clinton hätte nicht das gleiche Glück. Trägt sie ihre berühmten Hosenanzüge, wird ihr vorgeworfen, sie wolle sich desexualisieren. Zeigt sie einen Hauch Haut, gibt es eine mediale Verarbeitung, die ihre politische Agenda für eine Woche komplett in den Hintergrund rückt. An dieser Stelle sei an Angela Merkels Opernballkleid und die damalige bahnbrechende Erkenntnis der Medien (Oh, sie hat Brüste!) erinnert. Attraktiv ja, das geht in der Politik – aber bitte nicht übertreiben.

Es scheint nicht einfach zu sein, die Kontrolle über das eigene Bild zu behalten. Besonders nicht, wenn man sich in alten Fahrwassern bewegt. Offen zur Schau gestellte weibliche Sexualität kann tatsächlich machtvoll sein, denn sie erschreckt. Sollen Frauen doch eher schmücken als sich selbstbestimmt auszustellen. Aber wird man wirklich nicht zum Objekt, nur weil man sich als Subjekt versteht? Kann man die engen Grenzen so verändern, dass Kleidung als das wahrgenommen wird, was gedacht war – nämlich eine bewusste Verbindung von Sexyness und Macht, eine Unterstützung der eigenen Position?

Oder ist das neue Power Dressing einfach nur Konformismus mit einem altbekannten Schönheitsideal? Nicht umsonst machen beide Serienfiguren eine Menge Sport und fallen in die Kategorie „Fit ist das neue dünn.“. Während sich Männer unter ihren Anzügen einen Bauchansatz leisten können, vergeben die enganliegenden Kleider nichts. Power Dressing schließt auch aus.

Außerdem, wenn es sich hierbei im Grunde um eine Verkleidung handelt, einen Code, wie es ihn auch bei Anzug- und Krawattentypen in der männlichen Businessmode gibt, wieso suchen wir uns dann keine komplett neue Version? Oder ist das Spiel mit der weiblichen Figur genau das Gute an der Sache? Werden weibliche Attribute mithilfe des Power Dressing umgedeutet – vom Reiz hin zur Macht? Dann könnten Brüste und Po, könnte die weibliche Silhouette, tatsächlich irgendwann für Erfolg stehen und nicht nur für Sex.

Bildnachweis: Netflix/ House of Cards; Amazon/ Veep

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